Treffen von Papst Franziskus und Patriarch Kyrill I. auf Kuba

"Wir sind Brüder"

Franziskus hat als erster Papst der Kirchengeschichte das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche getroffen. Bei der historischen Begegnung auf Kuba haben beide den Wunsch nach stärkerer Zusammenarbeit betont.

Papst Franziskus und Patriarch Kyrill I. / © Osservatore Romano (KNA)
Papst Franziskus und Patriarch Kyrill I. / © Osservatore Romano ( KNA )

"Wir sind Brüder!", war die auf Spanisch vorgetragene Botschaft des Papstes an den Patriarchen. Schon auf dem Flug von Rom hatte er das russische Kirchenoberhaupt als "meinen lieben Bruder Kyrill" bezeichnet. Um die Bedeutung des Augenblicks weiter aufzuladen, sprach er nun noch vom "Willen Gottes", der sich in dieser Begegnung vollziehe. Kyrill betonte ein wenig nüchterner, dass "jetzt alles leichter ist".

Beide umschrieben so auf unterschiedliche Weise die Tatsache, dass ein Vierteljahrhundert nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nun mit Verspätung die Begegnung zwischen dem "Rom des Westens" und dem nach Byzanz "zweiten Rom des Ostens" vonstattengehen konnte.

Dazwischen lag das aus Moskauer Sicht wenig erfreuliche polnische Pontifikat Johannes Paul II. mit den heftigen Konflikten zwischen Katholiken und Orthodoxen in der Ukraine und der Errichtung römisch-katholischer Bistümer auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion. Theologisch und kirchenpolitisch hatte bereits Papst Benedikt XVI. den Weg zu einer Annäherung geebnet, doch offenbar bedurfte es der entwaffnenden Umarmungs-Diplomatie des lächelnden argentinischen Papstes, um das Eis endgültig zum Schmelzen zu bringen.

Gemeinsame Erklärung

Papst Franziskus und der Moskauer Patriarch Kyrill I. haben sich bei ihrem historischen Treffen auf Kuba für die Wiederherstellung der christlichen Einheit und die Zusammenarbeit im Blick auf weltweite Herausforderungen ausgesprochen. Nach einer zweistündigen privaten Unterredung auf dem Flughafen der kubanischen Hauptstadt Havanna hatten Franziskus und Kyrill I. die gemeinsame Erklärung in einer italienischen und einer russischen Fassung unterzeichnet. Darin beklagen sie, dass weiterhin zahlreiche Hindernisse zwischen den Kirchen und Christen bestünden. Dennoch müssten Orthodoxe und Katholiken versuchen, ein "einmütiges Zeugnis für die Wahrheit zu geben". "Wir sind nicht Konkurrenten, sondern Geschwister", heißt es in dem achtseitigen, 30 Punkte umfassenden Text.

Besorgt äußern sich Franziskus und Kyrill insbesondere über die Verfolgung von Christen in vielen Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas. Gemeinsam müssten die Kirchen ihre Stimme zur Verteidigung der Verfolgten erheben. Die internationale Gemeinschaft müsse dringend handeln, um einer weiteren Vertreibung der Christen im Nahen Osten zuvorzukommen. Zudem sprechen sich die beiden Kirchenführer für die Achtung der Religionsfreiheit aus. Sie beklagen dabei auch Einschränkungen der Rechte von Christen in Europa durch einen "oft sehr aggressiven Säkularismus".

Weiter fordern sie ein gemeinsames Vorgehen gegen die Armut in der Welt sowie Solidarität mit allen Leidenden. Eindringlich unterstreichen beide die zentrale Rolle der auf der Ehe von Mann und Frau gegründeten Familie. Schließlich fordern sie, das unveräußerliche Recht auf Leben zu respektieren, sie verurteilen Euthanasie und äußeren sich besorgt über biomedizinische Experimente.

Unterschiedliche Stimmen zum historischen Treffen

Im Vatikan ist die Begeisterung für den historischen Moment nicht bei allen gleich groß. Osteuropäer an der Kurie erinnern an die große Nähe des Patriarchen zum russischen Präsidenten Putin und an die wieder erwachenden Großmachtansprüche Russlands in der Ukraine, im Kaukasus und im Nahen Osten. Bis zuletzt war unklar, wie weit der Papst dem mitunter kulturpessimistischen und antiwestlichen Grundton des Patriarchen in der gemeinsamen Erklärung entgegenkommen würde.

Der Ökumenische Rat der Kirchen erklärte in Genf, die Begegnung von Franziskus und Kyrill markiere einen großen Schritt, um das Schisma der Kirchen zu heilen. Das Christentum könne nun auf mehr Einigkeit hoffen. Das Treffen inspiriere die Kirchen, die Gesellschaften, die Regierungen und die Weltgemeinschaft, die vielen Kriege politisch zu lösen und Frieden für alle Menschen zu schaffen. Der Weltkirchenrat unterstrich, dass die russisch-orthodoxen Kirche die größte unter seinen rund 350 Mitgliedskirchen ist. Die katholische Kirche ist kein Mitglied des Dachverbandes mit Sitz in Genf, kooperiert aber mit dem Rat.

Auch in Russland wurde das historische Treffen als hoffnungsvolles Zeichen der Annäherung gesehen. Erzpriester Stefan von der Abteilung für Außenkontakte des Patriarchats sprach im staatlichen russischen Nachrichtenkanal "Rossija 24" von einem "historischen und freudigen Ereignis für alle Christen auf der Erde". Regierungschef Dmitri Medwedew lobte das Treffen als "Beispiel einer Annäherung", wie sie auch zwischen Russland und dem Westen stattfinden sollte.

Russlands Katholiken äußerten sich indes zurückhaltender. Der Moskauer Erzbischof Paolo Pezzi erklärte, von "romantischen Bemühungen, das Ideal der reinen ersten christlichen Gemeinschaft wiederzubeleben", sei nicht die Rede. Der Papst und der Patriarch seien sich weiterhin der geistlichen und historischen Barrieren bewusst, die zwischen beiden Kirchen stünden, sagte Pezzi der Nachrichtenagentur Tass.


Quelle:
KNA , epd , dpa