Verhältnis von Staat und Kirche in Mexiko entspannt sich

Normalisierung nach langen Konflikten

Papst Franziskus ab kommenden Freitag Mexiko, das zweitgrößte katholische Land der Erde. An dessen Spitze standen über 120 Jahre meist militante Atheisten, Agnostiker oder Bekenntnisscheue. Ein Überblick.

Papst Franziskus-Plakat in Ciudad Juarez / © David Maung (KNA)
Papst Franziskus-Plakat in Ciudad Juarez / © David Maung ( KNA )

In Mexiko, dem kommenden Reiseziel von Papst Franziskus, war das Verhältnis zwischen Staat und Kirche bis in die jüngste Zeit extrem angespannt. Schon die Unabhängigkeitserklärung Mexikos 1821 stand unter einem ungünstigen Stern. Die katholische Kirche unterstützte die Kolonialmacht Spanien und exkommunizierte zwei führende Gestalten der Unabhängigkeitsbewegung: die Priester Miguel Hidalgo und Jose Maria Morelos.

Ein "Gottesdienststreik" und ein anschließender Bürgerkrieg von 1926 bis 1929 bildeten einen der Höhepunkte in dem jahrzehntelangen Konflikt zwischen dem von einem aggressiven Antiklerikalismus geprägten mexikanischen Staat und der katholischen Kirche. Aus Protest gegen kirchenfeindliche Maßnahmen der Regierung ordneten die Bischöfe 1926 die Aussetzung der Gottesdienste an. Daraufhin griffen Tausende Katholiken zu den Waffen, um die Regierung zu stürzen.

Nach verlustreichen Kämpfen endete der sogenannte "Bürgerkrieg der Cristeros" 1929 mit einem Kompromiss: Die Kirche erhielt die eingezogenen Kirchengebäude und Pfarrhäuser zurück, und den Aufständischen wurde Amnestie zugesichert. Tiefe Wunden hatte zuvor schon die Revolution (1910-1917) hinterlassen, in deren Verlauf etliche Priester ermordet wurden.

Dramatische Lage in den 20er Jahren

Wie dramatisch die Lage der Kirche in Mexiko in den 1920er und 30er Jahren war, belegen nicht zuletzt die drei Enzykliken, in denen Papst Pius XI. Gewalt gegen Priester und die Unterdrückung der katholischen Kirche dort anprangerte. Die erste wurde 1926 veröffentlicht, die letzte, "Nos es muy conocida" ("Sie ist uns wohlbekannt"), im März 1937 - nur sechs Tage nach dem berühmten Schreiben "Mit brennender Sorge" gegen den Rassenwahn der Nationalsozialisten.

"Ich bin gläubig". Mit diesem schlichten Bekenntnis des mexikanischen Präsidenten Avila Camacho in einem Interview kündigte sich drei Jahre später eine Entspannung im Verhältnis zwischen Staat und Kirche an. Es war das erste Mal in der Geschichte des Landes, dass sich ein Staatsoberhaupt als gläubig bezeichnete.

Der erste Besuch von Johannes Paul II. 1979 brachte schließlich eine Wende im Verhältnis zwischen Staat und Kirche. Der junge Papst aus Polen mobilisierte Hunderttausende Mexikaner; die Reise geriet zum Triumphzug für den Katholizismus - nachdem die mexikanische Regierung zunächst noch Priestern im Gewand die Teilnahme an den Veranstaltungen untersagen wollte.

Normalisierung in den 90er Jahren

In den folgenden Jahren trat die Kirche zunehmend selbstbewusster auf, begann das autoritäre politische System infrage zu stellen und nahm verstärkt zu sozialen Fragen Stellung. Für Schlagzeilen sorgte in den 90er Jahren die Vermittlung von Bischof Samuel Ruiz Garcia nach dem sogenannten Zapatisten-Aufstand, als bewaffnete Angehörige verarmter indianischer Volksgruppen und ihre militanten linken Sympathisanten 1994 die Stadt San Cristobal de Las Casas im Bundesstaat Chiapas besetzten.

Eine Verfassungsreform führte 1992 zu einer weiteren Normalisierung der Beziehungen zwischen Staat und Kirche. Erstmals seit ihrer Verbannung aus dem öffentlichen Leben vor 75 Jahren erhielt die katholische Kirche den Status einer Rechtspersönlichkeit. Im gleichen Jahr nahm Mexiko diplomatische Beziehungen zum Heiligen Stuhl auf.

Auch nach dem Ende der jahrzehntelangen Herrschaft der "Partei der Institutionellen Revolution" (PRI) und den demokratischen Wahlen im Jahr 2000 blieb das Verhältnis heikel. Als Präsident Vicente Fox von der konservativen Partei PAN im Juli 2002 Johannes Paul II. bei seinem letzten Besuch in Mexiko zur Begrüßung den Fischerring küsste, ging ein Aufschrei durch die politischen Parteien.

Nun kommt mit Franziskus erstmals ein Lateinamerikaner als Petrus-Nachfolger. Begrüßt wird er von einem Präsidenten der einst stramm antiklerikalen PRI, dem jugendlich wirkenden Enrique Pena Nieto. Dessen Gattin, die TV-Schauspielerin Angelica Rivera, war schon einmal - ungültig - verheiratet. Ihre erste Ehe mit einem Filmproduzenten wurde nicht nur zivil geschieden, sondern auch kirchlich offiziell für nichtig erklärt - wegen schwerwiegender Formfehler.


Papst Franziskus vor Mexikobesuch / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus vor Mexikobesuch / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
KNA