Papstpredigt im Stadion von Bangui

Im Wortlaut

Zum Abschluss seiner Afrikareise feierte Papst Franziskus eine Messe im Stadion von Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik. Hier die Predigt vom 30. November 2015 zum Nachlesen.

Papst im Stadion von Bangui / © Daniel Dal Zennaro (dpa)
Papst im Stadion von Bangui / © Daniel Dal Zennaro ( dpa )

Beim Hören der ersten Lesung können wir erstaunt sein über die Begeisterung und den missionarischen Schwung, die der Apostel Paulus in sich hat. "Wie sind die Freudenboten willkommen, die Gutes verkündigen!" (Röm 10,15). Es ist für uns eine Einladung, Dank zu sagen für das Geschenk des Glaubens, das wir von diesen Boten empfangen haben, die ihn uns überbrachten. Es ist auch eine Einladung, über das missionarische Werk zu staunen, das vor gar nicht langer Zeit zum ersten Mal die Freude des Evangeliums in dieses geschätzte Land Zentralafrika gebracht hat. Es ist gut – vor allem, wenn die Zeiten schwierig sind, wenn es nicht an Prüfungen und Leiden fehlt, wenn die Zukunft unsicher ist, man sich müde fühlt und fürchtet, es nicht schaffen zu können – dann ist es gut, sich um den Herrn zu versammeln, wie wir es heute tun, um uns an seiner Gegenwart zu erfreuen, an dem neuen Leben und an dem Heil, das er uns vorschlägt wie ein anderes Ufer, dem wir zustreben müssen.

Dieses andere Ufer ist gewiss das ewige Leben, der Himmel, wo wir erwartet werden. Dieser auf die zukünftige Welt gerichtete Blick hat immer den Mut der Christen, der Ärmsten, der Geringsten auf ihrer irdischen Pilgerschaft unterstützt. Dieses ewige Leben ist keine Illusion, keine Weltflucht; es ist eine mächtige Wirklichkeit, die uns ruft und die uns zur Ausdauer im Glauben und in der Liebe verpflichtet.

Aber das unmittelbarere andere Ufer, das wir zu erreichen suchen, dieses Heil, das uns der Glaube verschafft und von dem der heilige Paulus spricht, ist eine Wirklichkeit, die schon unser gegenwärtiges Leben und die Welt, in der wir leben, verwandelt: "Wer aus tiefstem Herzen glaubt, wird gerecht" (vgl. Röm 10,10). Er nimmt das Leben Christi selbst auf, das ihn befähigt, Gott und die Mitmenschen in einer neuen Weise zu lieben, so dass er eine von der Liebe erneuerte Welt erstehen lässt.

Danken wir dem Herrn für seine Gegenwart und für die Kraft, die er uns im Alltag unseres Lebens gibt, wenn wir physisches oder moralisches Leiden, Kummer und Trauer erfahren; danken wir ihm für die Taten der Solidarität und der Großherzigkeit, zu denen er uns befähigt; für die Freude und die Liebe, die er in unseren Familien, in unseren Gemeinschaften aufleuchten lässt, manchmal trotz des Elends, der Gewalt, die uns umgibt, oder der Angst vor dem nächsten Tag; danken wir ihm für den Mut, den er unserer Seele einflößt, Bande der Freundschaft zu knüpfen, in Dialog zu treten mit denen, die nicht sind wie wir, denen zu vergeben, die uns Böses angetan haben, uns beim Aufbau einer gerechteren und geschwisterlicheren Gesellschaft zu engagieren, wo niemand verlassen wird. Bei all dem nimmt der auferstandene Christus uns an die Hand und führt uns, ihm zu folgen. Und ich möchte gemeinsam mit euch dem Herrn der Barmherzigkeit danken für all das, was er euch an Schönem, Großherzigem und Mutigem in euren Familien und in euren Gemeinschaften hat vollbringen lassen während der Ereignisse, die in eurem Land seit vielen Jahren geschehen sind.

Doch es ist auch wahr, dass wir noch nicht ans Ziel gelangt sind. Wir befinden uns gleichsam mitten auf dem Fluss und müssen uns mutig entscheiden, in einem erneuten missionarischen Engagement, ans andere Ufer hinüber zu rudern. Jeder Getaufte muss fortwährend mit dem brechen, was noch vom alten Menschen in ihm ist, von dem sündigen Menschen, der stets bereit ist, beim Lockruf des Satans wieder aufzuwachen – und wie sehr handelt dieser in unserer Welt und in diesen Zeiten der Konflikte, des Hasses und des Krieges! –, beim Lockruf des Satans, der ihn zum Egoismus führen will, zur Nabelschau und zum Misstrauen, zur Gewalt und zur Zerstörungswut, zur Rache, zur Vernachlässigung und Ausbeutung der Schwächsten…

Wir wissen auch, einen wie weiten Weg unsere christlichen Gemeinschaften, die ja zur Heiligkeit berufen sind, noch zurücklegen müssen. Sicher müssen wir alle den Herrn um Vergebung bitten für die zu vielen Widerstände und für die Trägheit, Zeugnis für das Evangelium zu geben. Möge das in eurem Land eben begonnene Jubiläumsjahr der Barmherzigkeit die Gelegenheit dafür sein. Und ihr, liebe Zentralafrikaner, müsst vor allem auf die Zukunft blicken und euch, gestärkt durch den bereits zurückgelegten Weg, energisch entschließen, eine neue Etappe in der christlichen Geschichte eures Landes zu verwirklichen, zu neuen Horizonten vorzupreschen, weiter hinaus zu rudern, in tiefe Wasser. Der Apostel Andreas und sein Bruder Petrus haben nicht einen Augenblick gezögert, auf den Ruf Jesu hin alles zu verlassen, um ihm zu folgen: "Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm" (Mt 4,20). Auch hier staunen wir über so viel Begeisterung bei den Aposteln, so sehr zieht Christus sie an, so sehr spüren sie, dass sie mit ihm alles unternehmen und alles wagen können.

Nun kann jeder sich in seinem Herzen die so wichtige Frage nach seiner persönlichen Beziehung zu Jesus stellen, überprüfen, was er bereits angenommen – oder auch verweigert – hat, um auf seinen Ruf in die engere Nachfolge zu antworten. Der Ruf der Boten klingt uns mehr denn je in den Ohren, gerade wenn die Zeiten hart sind – jener Ruf, der "in der ganzen Welt zu hören [ist], bis an die Enden der Erde" (Röm 10,18; vgl. Ps 19,5). Und er ertönt hier heute in diesem Land Zentralafrika; er ertönt in unseren Herzen, in unseren Familien, in unseren Pfarreien, wo immer wir leben, und er lädt uns ein zur Ausdauer in der Begeisterung für die Mission – eine Mission, die neue Boten braucht, noch zahlreicher, noch großherziger, noch fröhlicher, noch heiliger. Und wir alle sind berufen – jeder Einzelne –, dieser Bote zu sein, den unser Bruder oder unsere Schwester, gleich welcher Ethnie, Religion oder Kultur, erwartet, oft ohne es zu wissen. In der Tat, wie kann dieser Bruder oder diese Schwester an Christus glauben – fragt sich der heilige Paulus – wenn das Wort Gottes nicht gehört, noch verkündet wird?

Auch wir müssen nach dem Beispiel des Apostels voller Hoffnung und Begeisterung für die Zukunft sein. Das andere Ufer ist zum Greifen nahe, und Jesus überquert den Fluss mit uns. Er ist von den Toten auferstanden; seither sind die Prüfungen und die Leiden, die wir erleben, immer Gelegenheiten, die einer neuen Zukunft die Türen öffnen, wenn wir akzeptieren, uns an seine Person zu binden. Christen von Zentralafrika, jeder von euch ist berufen, mit der Ausdauer seines Glaubens und mit seinem missionarischen Einsatz ein "Handwerker" und Gestalter der menschlichen und geistlichen Erneuerung eures Landes zu sein.

Die Jungfrau Maria, die jetzt, nachdem sie die Passion ihres Sohnes mit ihm durchlitten hat, an seiner vollkommenen Freude Anteil nimmt, beschütze und ermutige euch auf diesem Weg der Hoffnung. Amen

 


Quelle:
rv