Roma und Sinti pilgern zu Papst Franziskus

"Entsprecht nicht dem Klischee"

Vor 50 Jahren begab sich Papst Paul VI. unter Roma und Sinti und versprach die Hilfe der Kirche. Zum Jubiläum kamen Tausende aus beiden Volksgruppen in den Vatikan. Franziskus gab ihnen auch mahnende Worte mit auf den Weg.

Autor/in:
Christoph Schmidt
Franziskus bei einer Audienz mit Roma und Sinti / © Ettore Ferrari (dpa)
Franziskus bei einer Audienz mit Roma und Sinti / © Ettore Ferrari ( dpa )

"Ihr seid im Herzen der Kirche, weil ihr arm und alleingelassen seid" - mit diesen Worten schlug Papst Paul VI. vor 50 Jahren ein neues Kapitel im Verhältnis des Vatikan zu Roma und Sinti auf. Als das Kirchenoberhaupt am 26. September 1965 ein Wohnlager in Pomezia südlich von Rom besuchte, war die Bezeichnung "Zigeuner" in Deutschland noch selbstverständlich, heute ist sie verpönt. 5.000 Roma und Sinti, die meisten aus Europa, pilgerten am Montag anlässlich des Jubiläums zu Papst Franziskus in den Vatikan.

Die Zeit des Rassismus, der Vorurteile und der Diskriminierungen gegen Sinti und Roma müsse vorbei sein, forderte er und erntete dafür in der Audienzhalle viel Beifall. Die beiden Volksgruppen dürften nicht ausgegrenzt werden, seien aber besonders stark von Arbeitslosigkeit betroffen. Viele litten unter Armut, Drogenelend und besonders die Mädchen und Frauen unter dem Unrecht des Menschenhandels.

Papst mahnt zum Schulbesuch

Allerdings nahm Franziskus, der im Februar ein Romalager am Rand der italienischen Hauptstadt besucht hatte, die Zuhörer in Sachen Klischees auch ins Gebet: "Gebt den Medien und der öffentlichen Meinung keinen Anlass, schlecht über euch zu reden." Wichtig sei, dass Eltern ihre Kinder in die Schule schickten; den geringen Bildungsstand vieler Sinti und Roma bezeichnete der Papst als das Haupthindernis auf dem Weg in den Arbeitsmarkt.

Kirche und Roma - das war lange keine leichte Beziehung. Der freie, unkonventionelle Lebensstil des fahrenden Volks erregte Misstrauen beim Klerus. Die Reisenden ließen ihre Kinder zwar taufen und schickten sie zur Erstkommunion, doch andere Sakramente wie Firmung, Buße oder kirchliche Ehe sparten sich viele.

Kirche unternahm während Nazizeit wenig gegen Diskriminierung

Gegen ihre Diskriminierung unternahm die Kirche oft wenig, auch in der Zeit des Holocaust, als die Nazis schätzungsweise eine halbe Million Sinti und Roma ermordeten. Papst Johannes Paul II. bat sie deshalb im Jahr 2000 um Vergebung für die Sünden, die Katholiken an ihnen begangen hätten, und meinte damit wohl auch die Unterlassungssünden.

Schon 30 Jahre zuvor hatte Paul VI. mit dem Päpstlichen Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs sozusagen ein Vatikan-Ministerium für Sinti und Roma geschaffen. Regelmäßig organisiert die Behörde Weltkongresse über die pastorale Arbeit mit den beiden Gruppen.

Die früheren Vorbehalte vonseiten der Kirche verhinderten nicht, dass unter ihnen eine tiefe Frömmigkeit sehr verbreitet ist. Viele Besucher in der Audienzhalle hatten Heiligenbilder, Marienfiguren und Rosenkränze im Gepäck, um sie vom Papst segnen zu lassen. Franziskus erinnerte auch an den Seligen Ceferino Gimenez Malla (1861-1936), einen Rom und Franziskanerpater, der im spanischen Bürgerkrieg von den Kommunisten erschossen wurde

Viele ihrer Volksgenossen strebten in die katholischen Orden oder wollten Priester werden, stellte Franziskus fest. Er rief seine Gäste auf, überzeugte Christen zu sein und die Menschen am Rand nicht im Stich zu lassen.

Papst ruft Integrierte zur Hilfe auf

Mira aus der Nähe von Toulouse weiß, was der Papst damit meinen könnte. "Es ist doch so, dass es auch bei uns Roma ganz große Einkommensunterschiede gibt. Es gibt Multimillionäre und Müllkippenbewohner. Aber für viele Reiche zählt nur die eigene Familie." Sie selbst ist sesshaft aufgewachsen; "fahrende Zigeuner", die das ganze Jahr unterwegs sind, kennt die 45-Jährige nur noch wenige. "Wir wollen einfach nur in die Gesellschaft integriert sein wie jeder andere und unser Auskommen haben."

Ihr Mann Jacques ist froh, dass er Franziskus aus nächster Nähe mit dem Handy fotografieren konnte. Das Bild will er an die Wand hängen.

Auch die Rede des Papstes hat ihn beeindruckt. "Es war gut, dass er sagte 'Ihr habt die Zukunft selbst in der Hand' und 'Ohne Schule geht es nicht'." Die Probleme vieler Roma und Sinti lägen nicht nur bei den Mehrheitsgesellschaften. Trotzdem machten die es ihnen in ganz Europa schwer. Dagegen predigte vor 50 Jahren auch Paul VI. an und forderte "Respekt vor ihrem eigentlichen Lebensrhythmus, den man nicht über Gebühr belasten darf".


Quelle:
KNA