Das Gebetsanliegen des Papstes für den November

Zwischen Schürze und Stola

Im November rückt der Papst die Pfarrer in den Fokus. "Ihre Liebe zu den Menschen verlebendige ihre Hoffnung" lautet sein Gebetsanliegen.

Autor/in:
Prälat Bertram Meier
Diakonen- und Priesterweihe / © Andrea Krogmann (KNA)
Diakonen- und Priesterweihe / © Andrea Krogmann ( KNA )

Was ist das typische Kleidungsstück eines Priesters? Die einen werden sagen: das Priesterkollar, egal ob eher deutsch als Oratorianer oder mehr römisch als hoher Stehkragen. Vor allem die junge Generation des Klerus legt wieder besonderen Wert darauf. Die anderen denken an eine schalartige Textilie, die der Priester anlegt, wenn er offizielle Amtshandlungen vollzieht: die Stola.

Stola Teil der Grundausstattung eines Neupriesters

Die Stola gehört zur Grundausstattung eines Neupriesters. Es ist fast selbstverständlich, dass ein Primiziant von seiner Verwandtschaft oder seiner Heimatgemeinde eine Stola geschenkt bekommt: diesen um den Nacken gelegten schmalen, edlen, prachtvollen Schal, oft aufwendig bestickt und mit Silber- und Goldfäden durchwirkt. So hat die Kirche ihre Kleriker mit der Stola eingekleidet.

Doch bleiben wir nicht bei Kragen oder Stola stehen. In seinem Gebetsanliegen für November rückt der Papst die Liebe der Priester in den Fokus: "Ihre Liebe zu den Menschen verlebendige ihre Hoffnung", betet Franziskus. Schauen wir daher auf Jesus: Er kannte weder Stola noch sonstige besondere Textilien. Sein "Amtszeichen" ist etwas ganz anderes. Ich erinnere an den Bischof von Molfetta Tonino Bello (1935-1993), der mit Blick auf eine Stola schrieb: "Was nicht im liturgischen Kleiderschrank hängt und noch nie einem Priester zur Weihe geschenkt worden ist, davon berichtet das Johannesevangelium in der Erzählung von der Fußwaschung."

"Da Jesus die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung. Es fand ein Mahl statt. Jesus stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und zog sich eine Schürze (Leinentuch) um. Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann den Jüngern, die Füße zu waschen und mit der Schürze abzutrocknen. - Begreift ihr, was ich an euch getan habe?" (vgl. Joh 13, 1. 3-5. 12)

Das liturgische Kleidungsstück bei der ersten Messe, die Jesus feiert, ist keine Stola, sondern eine Schürze, ein Arbeitskittel.

Über die erste Eucharistiefeier heißt es bei Johannes lediglich: "Es fand ein Mahl statt" - nichts von Brot und Wein, nichts von Tischsegen und Wandlungsworten, keine lange Tischrede, keine Regierungserklärung des Messias, sondern Liebe, die sich zeigt in der Fußwaschung und sich wenige Stunden später verströmt am Kreuz. Mitten bei der heiligen Handlung, in der Feier des allerheiligsten Sakraments des Altares, krempelt Jesus die Ärmel hoch, er legt sein Gewand ab und bindet sich eine Schürze um. Der Herr der Kirche leistet Sklavendienst, alles andere als hochwürdig, eher merkwürdig für Petrus, der den Sinn nicht begreift, vor allem aber liebenswert für uns alle.

Im Arbeitskittel

Beim Letzten Abendmahl hat Jesus gleichsam als priesterliche Dienstmontur die Schürze eingeführt. Die erste heilige Messe feiert Jesus im Arbeitskittel. Er gibt sich die Blöße, im Service der Welt zu arbeiten und aufzugehen: Denn bei Johannes ist die Fußwaschung der Kern des Abendmahls. Für den Evangelisten ist das - besser: der Allerheiligste - Jesus mit der Schürze, nicht oben über allen, sondern ganz unten für alle. Eucharistie und Priestertum stehen in der Spannung zwischen Stola und Schürze.

Gerade in der heutigen Zeit, wo wir Richtungskämpfe in der Kirche beklagen, stellen wir fest: Es geht eigentlich um die Frage, wie Liturgie und Diakonie zueinander stehen. Gleichzeitig wird uns Priestern, aber auch allen Gläubigen der Spiegel vorgehalten: Wie bringe ich die Schürze Jesu zusammen mit der Stola der Kirche? Wie gehe ich mit der Tatsache um, dass die Stola immer mehr die Schürze verdrängt hat, dass die "Praxis der Schürze" der "Dogmatik der Stola" offensichtlich unterlegen ist? Heutzutage scheint die Stola höher im Kurs als die Schürze. Haben wir Angst, die Schürze anzulegen, weil sie uns mit dem vermeintlichen Schmutz der Welt in Berührung bringt, weil damit das Risiko verbunden ist, dass wir uns Hände und Füße schmutzig machen?

In Rom ist die Kirche der Schürze am Werk. Am Gründonnerstag geht Papst Franziskus an die Peripherie, oft in ein Gefängnis; er legt sein Messgewand ab und bindet sich eine Schürze um. Er will nicht, dass die Gefangenen vor ihm auf die Knie fallen, sondern er selbst geht in die Knie, um ihnen die Füße zu waschen. Das ist mehr als eine Geste der Liturgie. Papst Franziskus zeigt, was Kirche der Schürze ist: einer, der nicht im Apostolischen Palast wohnt, sondern im Gästehaus; einer, der nicht mit der Karosse fährt, sondern auch mal den Bus nimmt;  einer, dessen Worte manchmal rustikal klingen mögen, aber doch verständlich, einladend und freundlich sind. Kirche der Schürze: Darum geht es auch und gerade für uns Priester.

Allein die Schürze, mit der Jesus beim Abendmahl den Jüngern die Füße wusch, berechtigt uns dazu, die Stola anzulegen und den Menschen in Jesu Namen den Zuspruch zu geben: Das ist mein Leib. Das ist mein Blut. Tut dies zu meinem Gedächtnis.


Quelle:
KNA