Das Gebetsanliegen des Papstes für den Oktober

Das Evangelium mit Leben füllen

Im Oktober nimmt der Papst in seiner Gebetsmeinung die Mission in Asien in den Blick. Er betet "für den missionarischen Geist in den Gemeinden Asiens".

Autor/in:
Prälat Bertram Meier
 Papst Franziskus im Gebet versunken  / © Siciliani (KNA)
Papst Franziskus im Gebet versunken / © Siciliani ( KNA )

"Wer meine Worte hört und sie befolgt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Felsen baute" (Mt 7,24). Papst Franziskus lädt ein, eine Seite unseres kirchlichen Hauses näher anzuschauen, eine Ansicht, an der wir die Festigkeit der Kirche, ihre Glaubwürdigkeit, besonders ablesen können. Dem Papst ist es besonders im Oktober, der ja der Weltmission gewidmet ist, ein Anliegen, um den missionarischen Geist zu beten - dieses Mal insbesondere in den Gemeinden Asiens.

Doch Mission beginnt bei uns. Dazu sei zunächst auf eine Persönlichkeit verwiesen, die bewusst die Armut gewählt hat: den Poverello, Franz von Assisi. Er war ein Freund der Armen. Ursprünglich allein auf der weiten Flur der fest gefügten mittelalterlichen Gesellschaft, hat er zusammen mit seiner neuen Bewegung in der damaligen Kirche und Welt ein Erdbeben ausgelöst.

Option für die Armen

Heute ist seine "Option für die Armen" aktueller und überzeugender denn je. Blättern wir in seinem Lebensbuch, dann stoßen wir auf folgende Episode: Die Mutter zweier Mitbrüder kam eines Tages zu ihren Söhnen, weil sie nichts mehr zu essen hatte. Doch diese konnten ihr nichts geben, da sie selbst nichts hatten. Da - so erzählt die Legende - nahm Franziskus die einzige Bibel, die die Brüder hatten, und gab sie der Frau. Sie sollte das Buch veräußern und für den Erlös etwas zu essen kaufen.

In der Zeit, in der Franziskus lebte, war eine Bibel eine große Kostbarkeit. Bücher wurden damals noch mit Hand geschrieben; viel Ausdauer, Können und Zeit waren notwendig, um ein solches Buch fertigzustellen. Eine Bibel war ein Buch, das Ehrfurcht verdiente - es war die Heilige Schrift, Gottes Wort. Franziskus trug seinen Brüdern auf, die aufgeschriebenen heiligen Worte ehrfürchtig zu behandeln. In diesem Buch, das er der Frau gab, stand das Wort Gottes. Und er gab es her, damit die Frau es verkaufte, um essen zu können.

Der Verkauf einer Bibel, um Essen zu kaufen: Ist das nicht der Ausverkauf der christlichen Botschaft? Ist es gar Gotteslästerung oder wenigstens Gleichgültigkeit gegenüber dem Gotteswort? Nein, vielmehr war es ein Akt der Ehrfurcht, die Franziskus dem Wort Gottes gegenüber hegte. Er lebte in einer Zeit, in der viele das Evangelium lieber lesen als leben wollten.

Diese kleine Lautverschiebung hat es in sich. Das Evangelium lieber lesen als leben hat dazu geführt, dem Evangelium die Kraft zu nehmen, es seiner umwälzenden Energie zu berauben. Zwar muss man das Evangelium lesen, um es leben zu können. Aber wenn man es nicht leben will, braucht man es auch gar nicht zu lesen.

Erlösende Kraft

In dem Moment, da die Frau Hunger hat, wird das Evangelium nicht dadurch lebendig und erlösend, dass sich Franziskus hinsetzt, das Buch aufschlägt und einen Passus vorliest aus der Brotrede nach Johannes. Nein, das Evangelium wird lebendig und erlösend, indem er der Frau die Bibel gibt, damit sie vom Erlös des Buches leben kann.

Ehrfurcht vor dem Evangelium heißt für Franziskus: das Evangelium leben, das Wort Fleisch werden lassen im eigenen Leben. Auf diese Weise setzt sich die Fleischwerdung Gottes fort. So wichtig es ist, für den rechten Glauben zu sorgen - die Zukunft der Kirche ist nicht nur eine Frage der Rechtgläubigkeit, sondern auch der Glaubwürdigkeit.

Die Geschichte des heiligen Franziskus ist wie ein Schlüssel, um die Tür zu dem zu öffnen, was Mission nicht nur in Asien bedeutet: Durch sein Leben in Armut macht Franziskus das Evangelium lebendig. Mehr noch: Er wird selbst zu einem lebendigen Buch. Sein Leben ist Frohe Botschaft, Evangelium. Das schließt nicht aus, dass Franziskus auch redet und predigt; aber sein Wort ist ein kurzes Wort, Evangelium "sine glossa", ohne Umschweife. Seinen Brüdern trägt Franziskus auf: Wenn sie reden, sollen sie sich kurzfassen. Er hört das Wort Jesu: "Nehmt nichts mit auf den Weg!" Für ihn bedeutet das, allen Besitz zurückzulassen. Seinem Vater gibt er auf dem Hauptplatz von Assisi noch das letzte Hemd zurück. Von da an geht er seinen Weg als Armer unter Armen.

Indem er diesen Weg geht, erlebt er die Freiheit des Evangeliums - und die Menschen erleben sie an ihm und durch ihn: Er ist befreit von dem Druck haben zu wollen, mehr haben zu müssen; er ist befreit von dem Zwang, der die Mitmenschen zu Konkurrenten macht: Er kann ihnen Bruder sein. Er ist befreit von einer Kontaktsperre, die die Armen aus der Nähe aussperrt: Welcher Arme könnte schon von sich aus die Kluft zu den Reichen überwinden? Als Armer ist er frei für die Armen, er geht den Weg mit ihnen gemeinsam. Aus oben und unten, aus arm und reich werden so Brüder und Schwestern.


Papst Franziskus (dpa)
Papst Franziskus / ( dpa )
Quelle:
KNA