Papst Franziskus beim Treffen mit Volksbewegungen

Geballte Fäuste und Polit-Parolen

Der mit Spannung erwartete Auftritt von Papst Franziskus vor dem zweiten weltweiten Kongress der Volksbewegungen hat streckenweise den Charakter einer antikapitalistischen politischen Kundgebung angenommen.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
Franziskus mit Präsident Morales (dpa)
Franziskus mit Präsident Morales / ( dpa )

Zu Beginn der Veranstaltung in einer großen Messehalle verlasen Teilnehmer eine "Erklärung von Santa Cruz", in der sie eine neue Weltwirtschaftsordnung und eine Überwindung des "kapitalistischen Neoliberalismus" forderten. Zum umfangreichen linken Wunschkatalog gehörte auch Selbstbestimmung "unabhängig von der sexuellen Orientierung".

Begleitet von geballten Fäusten, Plakaten und Sprechchören, die einen Meerzugang für Bolivien forderten, begann Staatspräsident Evo Morales seine Rede. Er trug einen Blazer, auf dessen Brust ein Porträt von Ernesto Che Guevara prangte. Der war in den 60er Jahren an der Seite von Fidel Castro am Aufbau der kommunistischen Diktatur in Kuba beteiligt gewesen und starb 1967 als Guerillakämpfer in Bolivien. Unter den Fahnen, die im Saal geschwenkt wurden, waren auch kubanische.

Morales lobt griechische Regierung

In einer langen, kämpferischen Rede, die der des Papstes voranging, attackierte Morales das "nordamerikanische Imperium", das versuche, die "demokratischen Revolutionen" in Lateinamerika zu bekämpfen und die Völker des Kontinents zu spalten. Zugleich pries er die Erfolge seiner politischen Bewegung "Movimiento al Socialismo". Ausgangspunkt seien soziale Bewegungen der Koka-Bauern und anderer Gewerkschaften gewesen. Sie habe zu einer Neugründung des Staates in Würde und Freiheit geführt. Einer der sichtbaren Erfolge sei die Verstaatlichung der Rohstoffindustrie gewesen. Der Kampf gegen Privatisierungen sei ein zentrales Anliegen aller lateinamerikanischen Volksbewegungen.

Der Linkspolitiker attackierte in seiner halbstündigen Rede in einem kämpferischen Rundumschlag auch seine liberalen Vorgängerregierungen und den Internationalen Währungsfonds IWF. Ausdrücklich lobte er Griechenlands Präsidenten Alexis Tsipras für seinen Widerstand gegen die Sparauflagen des IWF und der Gläubigerstaaten. Was die griechische Regierung versuche, sei der Beginn einer Revolution gegen die Macht der Finanzwelt auch in Europa, der er Erfolg wünsche. Morales kritisierte auch den Staat Israel, die Vereinten Nationen und den Weltsicherheitsrat. Dieser sei in Wahrheit ein "Welt-Unsicherheits-Rat".

Franziskus fordert Umkehr der Herzen

Franziskus, den Morales mehrmals als "Bruder Papst Franziskus" ansprach, verfolgte die Rede mit kritischem Blick, kommentierte sie aber nicht. Seine eigene, ruhig und gefasst vorgetragene Ansprache war ebenfalls gespickt mit Forderungen nach radikalen Veränderungen auf nationaler und internationaler Ebene. Der Beifall der rund 3.000 Teilnehmer für "unseren revolutionären Papst", als der er angekündigt wurde, fiel jedoch im Vergleich zur einpeitschende Rede des bolivianischen Präsidenten zunächst zurückhaltender aus. Erst als der Papst die Teilnehmer aufrief, den politischen und wirtschaftlichen Veränderungsprozess in die eigenen Hände zu nehmen, wurde der Applaus stärker.

Sein Appell, nicht nur Strukturen zu verändern, sondern sich auch um eine Umkehr der Herzen zu bemühen, traf auf nur mäßige Begeisterung. Der stärkste Beifall brandete auf, als er um Vergebung für die Sünden jener Kleriker bat, die bei der Eroberung und Missionierung Lateinamerikas die Rechte der indigenen Bevölkerung verletzt hatten. Dabei vergaß er auch nicht, all jene Geistlichen und Ordensleute zu erwähnen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten an der Seite der Armen und Entrechteten einsetzten.

Nach seiner Rede zog der Papst demonstrativ den Helm eines bolivianischen Bergarbeiters an und segnete viele der anwesenden Volksbewegungsführer persönlich. Er wirkte deutlich entspannter als die bolivianischen Bischöfe, die den Saal mit raschem Schritt verließen. Einige von ihnen haben mit Morales in der Vergangenheit Konflikte ausgetragen. Sie warfen ihm vor, die gesellschaftlichen Wirkungsmöglichkeiten der Kirche und die Meinungsfreiheit einzuschränken.


Quelle:
KNA