Das Gebetsanliegen des Papstes für den Monat Mai

Sensibel werden für den leisen Anruf Gottes

In seinem Gebetsanliegen lenkt der Papst jeden Monat den Blick auf Themen, die ihm wichtig sind. Im Mai wirbt er um die Offenheit für die frohe Botschaft und darum, dass Maria die Bereitschaft zum Bekenntnis für Christus stärken möge.

Autor/in:
Prälat Bertram Meier
Franziskus beim Gebet (KNA)
Franziskus beim Gebet / ( KNA )

Der Mai lädt uns ein, neu anzufangen mit Maria. Der Marienmonat ist eine Einladung, mit Maria Jesus zu folgen - niemand wird dazu gezwungen; keinem wird eine Lehre aufgenötigt. Aber an jeden einzelnen von uns ist eine Berufung ergangen, die zu entdecken und zu leben wir eingeladen sind. Es wäre schön, wenn sich möglichst viele wieder neu mit ihrem Berufungsweg anfreunden und sich auf ihn einlassen könnten. Das wünscht sich auch der Papst, wenn er im Mai darum betet, dass Maria "die Bereitschaft zum Bekenntnis für Christus" stärken möge.

Was ist die große Heilsgeschichte anderes als eine Kette von Berufungsgeschichten! Meistens ergeht der Ruf Gottes nicht spektakulär, sondern eher nebenbei, oft ganz unerwartet. Immer wieder haben sich Menschen aufgemacht: Sie haben sich dem Ruf geöffnet und sind aufgebrochen, selbst wenn die Zukunft Neuland für sie war. Sie haben sich auf ein Abenteuer eingelassen. Und dieses Abenteuer heißt Jesus.

Es begann mit Maria. Irgendwo in Nazareth. Sie hört ein Wort, fühlt sich betroffen und kommt nicht mehr los. Sie sagt Ja zu einem Weg, der ihr völlig dunkel erscheint. Es bleibt ihr (fast) nichts erspart. Aber sie glaubt. Durch alle Missverständnisse und alles Nichtverstehen hindurch hält sie zu ihrem Sohn. Sie hält an ihm fest - bis unter das Kreuz.

Maria ist ein Mensch wie wir alle. Eine Gerufene und Erwählte, die ringen muss um ihren Glauben, der ihr roter Faden im Leben ist. Sie wird zum Maß, nach dem wir uns richten können. Denn die Heilsgeschichte ist nichts Gewesenes, das vergänglich wäre. Sie ist das Webmuster der Geschichte bis heute. Die Heilsgeschichte geht weiter - mit uns und durch uns. Deshalb dürfen wir unsere Berufung im Leben der Gottesmutter spiegeln lassen und sie beglückwünschen zu der Berufung, die sie vorgelebt und uns als Modell hinterlassen hat.

Wer das Leben Marias ein wenig nachgeht, wird sie als Hörende entdecken. Im Tympanon der Würzburger Marienkapelle ist dargestellt, wie Maria durch das Ohr Christus empfängt. Die Szene lässt den Betrachter ein wenig schmunzeln. Denn das Jesuskind gleitet wie auf einer Rutschbahn in das Ohr der Gottesmutter. "Sola fide", allein durch Glauben, durch das Angesprochensein von Gott her, ist Maria ganz Ohr für seinen Anruf. Ihr ganzes weiteres Leben setzt den Anfang der Verkündigung fort.

Sind wir fähig zuzuhören?

Maria als "Ohrmuschel" hält uns den Spiegel hin: Sind wir fähig zuzuhören? Der Hörende erwartet mehr als Informationsaustausch. Er versucht, sich in den anderen hineinzuhören: Was schwingt mit in seiner Stimme? Sagt er etwas, indem er schweigt? Einem Menschen lauschen, kann eine Neuentdeckung sein. Oft aber haben wir das Lauschen verlernt. Als Priester wünsche ich mir, immer mehr ein Hörender zu werden. Vielleicht hängt der Mangel an Berufungen in den Priester- und Ordensstand auch an fehlender Hörbereitschaft - an der Schwerhörigkeit derer, die junge Menschen in der Familie, im Freundeskreis und in der Seelsorge begleiten. Ein Jugendlicher fällt mit seinen persönlichen Fragen normalerweise nicht mit der Tür ins Haus, er klopft zaghaft bei Menschen an, zu denen er Vertrauen hat.

Der Blick auf Maria kann eine Hilfe sein, die Gehörgänge unseres Herzens zu reinigen, damit sie wieder sensibler werden für den leisen Anruf Gottes und die schüchternen Anfragen der Menschen, die uns um Rat und Begleitung bitten. Die offenen Ohren Marias können uns ein Vorbild sein, wir dürfen sie um den Mut bitten, uns der Stille des Wartens und Lauschens auszusetzen, in der Gottes Verkündigung auch heute ergehen kann.

In Maria haben wir ein treffliches Vorbild, auch zu schwierigen und unkonventionellen Entscheidungen zu stehen. Ihr Versprechen bei der Verkündigung hat sich nicht als vorlauter Versprecher entpuppt - es war ein beherztes Ja. Auch deshalb dürfen wir Maria um ihre mütterliche Fürsprache bitten, damit auch wir den Entscheidungen zu unserer eigenen Berufung treu bleiben.


Quelle:
KNA