Papst Franziskus in Neapel

"Vereint für eine bessere Zukunft"

In Neapel wird der Papst klar und deutlich: Er wendet sich gegen "stinkende Korruption", fordert bei einem Gefängnis-Besuch bessere Haftbedingungen - und löst zum Schluss ein Blutwunder aus.

Papst Franziskus besucht das Marienheiligtum Pompeji, 30 Kilometer südlich von Neapel / © Cesare Abbate (dpa)
Papst Franziskus besucht das Marienheiligtum Pompeji, 30 Kilometer südlich von Neapel / © Cesare Abbate ( dpa )

Der Hoffnungsträger kam im Hubschrauber. Am Samstagmorgen landete Papst Franziskus zu seinem Neapel-Besuch zunächst an der äußersten Peripherie der Hafenstadt, im berüchtigten Mafia-Viertel Scampia, etliche Kilometer entfernt von den romantischen Gassen der Altstadt. Tausende erwarteten ihn in diesem vergessenen Winkel Italiens.

Scampia gilt als hoffnungsloser Fall. Die schäbigen Betonburgen des Neubauviertels gammeln seit Jahrzehnten vor sich hin, der Staat ist weit weg, die Camorra immer nah. Bis zu 70 Prozent der Menschen haben keinen richtigen Job. Selten sah man einen Papst vor tristerer Kulisse sprechen.

Vom Recht auf würdiges Leben

"Ich bin gekommen, um euch Hoffnung zu geben", sagte Franziskus in seiner teils sehr emotionalen Rede. Dann sprach er von den Themen, die diesen Tag bestimmen sollten: die Arbeitslosigkeit, das organisierte Verbrechen, das Neapel und ganz Süditalien so sehr lähmt, das Recht auf Perspektiven und auf ein würdiges Leben für alle. "Es gibt ein ökonomisches System, das die Menschen wegwirft, und das betrifft hier besonders die Jugendlichen", von denen besonders viele gekommen waren.

Wem das Wirtschaftssystem nicht die Chance gebe, sein Brot zu verdienen, dem raube sie die Würde, so Franziskus unter lautem Applaus. Gleiches hatte er auch schon bei seinen Besuchen auf Sardinien und in der Krisenregion Molise gesagt. Vor den verrotteten Wohnsilos von Scampia klang die Anklage noch drängender. Auch das weit verbreitete Problem der Schwarzarbeit ohne Sozialversicherung und der prekären Jobs ging Franziskus an: Solche Arbeitgeber begingen Ausbeutung und Sklaverei. "Und wenn der, der so etwas tut, sich Christ nennt, dann ist er ein Lügner."

Politik als Nächstenliebe

Ungewöhnlich deutlich sprach er die Lokalpolitik direkt an. Sie trage in erster Linie die Verantwortung für die Menschen auf der Straße. Gute Politik, das sei eine der höchsten Formen der Nächstenliebe. Und jeder wusste, was er meinte, als er gleich darauf auf die "stinkende Korruption" in dieser Stadt hinwies.

Angefangen hatte Franziskus seinen Tagesbesuch indes mit einem stillen, spirituellen Moment. Vor dem Flug nach Neapel steuerte er das Marienheiligtum "Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz" nahe den Ruinen von Pompei an. Dort betete er wie schon seine beiden Vorgänger vor dem Gnadenbild in der Basilika. Zwei Millionen Pilger besuchen die Stätte aus dem 19. Jahrhundert jährlich. Menschen auf der ganzen Welt schreiben der Madonna von Pompei ihre Heilung und Rettung aus schwerer Not zu. Davon zeugen die unzähligen Dankesgaben an den Wänden des angrenzenden Konvents. Franziskus hatte als Geschenk eine goldene Krone mit Perlmuttverzierung im Gepäck.

Deutliche Worte im Kampf gegen die Mafia

In Scampia hatte der Papst kaum über die Geißel der Mafia gesprochen. Dafür wurde er bei der Messe auf der Piazza del Plebiscito in der Innenstadt umso deutlicher: "Reagiert mit Stärke auf die Organisationen, welche die Jugend, die Armen und Schwachen mit dem zynischen Drogenhandel und anderen Verbrechen ausbeuten und korrumpieren", rief er vor 60.000 Menschen. Die Mafiosi forderte er zur Umkehr auf angesichts der "Tränen der Mütter von Neapel". Sie flossen bei dieser Predigt auch bei manchem im Publikum. "Die Zeit der Befreiung Neapels ist angebrochen", ermutigte der Papst.

Von den Opfern eilte der Papst sogleich weiter zu den Tätern. Begegnungen mit Strafgefangenen zählen inzwischen zum festen Programm päpstlicher Pastoralreisen in Italien. Besonders war diesmal, dass unter den 100 Häftlingen, mit denen Franziskus im Gefängnis "Giuseppe Salvia" zu Mittag aß, rund ein Dutzend Transsexuelle waren. Auch hier prangerte er unwürdige Haftbedingungen und mangelnde Hilfe bei der Resozialisierung an. Auf dem Programm standen auch Begegnungen mit Kranken und Behinderten in der Kirche Gesu Nuovo sowie mit Klerikern und Ordensleuten im Dom von Neapel. Den Geistlichen trug er auf, einem "Geist der Armut" zu folgen. Die Kirche leide zu oft unter Geldskandalen.

Einer der Höhepunkte zum Schluss: Das Blutwunder

Im Dom sorgte das "Blutwunder des heiligen Januarius" für einen Höhepunkt: Nachdem der Papst die Ampulle mit dem geronnenen Blut des um 305 getöteten Märtyrers und Stadtpatron Neapels ergriffen und geküsst hatte, verflüssigte sich die Substanz etwas. Die Anwesenden reagierten darauf mit lautem Applaus. Lachend kommentierte Franziskus: "Der Erzbischof sagte mir, das Blut habe sich halb verflüssigt. Man sieht: Der Heilige mag uns halb. Wir müssen alle noch ein wenig umkehren, damit er uns ganz mag."

Das Phänomen tritt ansonsten nur an drei festen Tagen des Jahres auf: Dem Fest des Heiligen am 19. September, am Tag vor dem ersten Sonntag im Mai und am 16. Dezember, dem Gedächtnistag der Warnung vor dem Vesuvausbruch im Jahr 1631.


Quelle:
KNA