Journalist über das Papstinterview im Flugzeug

Das "Kaninchen"-Zitat im Zusammenhang

Katholiken sollen laut Papst Franziskus nicht "wie Kaninchen" sein, aber offen für Kinder. In welchem Zusammenhang diese Worte des Papstes steht, erklärt Journalist Jürgen Erbacher. Er flog mit Franziskus von Manila nach Rom.

Papst auf Reisen (dpa)
Papst auf Reisen / ( dpa )

domradio.de: "Der Papst und die Kaninchen“ so lauten manche Überschriften heute. Herr Erbacher, wie hat er das gemeint?

Jürgen Erbacher (ZDF-Journalist): Also, er hat damit nochmal etwas präzisiert, was er am vergangenen Donnerstag beim Familientreffen in Manila gesagt hat. Da hat er abweichend vom Redetext über Paul VI. gesprochen. Der hat ja 1968 die umstrittene Enzyklika "Humanae Vitae“ zum Verbot der künstlichen Verhütung geschrieben. Franziskus hat gesagt, jede Beziehung, jede Ehe muss offen sein für das Leben. Wir Journalisten haben dann doch nochmal nachgehakt, weil, was bedeutet diese Aussage angesichts eines Landes, in dem eine sehr hohe Bevölkerungswachstumsrate ist, wo sehr viele Menschen in Armut leben, sehr viele Kinder davon auch betroffen sind. Und dann hat er diesen Satz geprägt und hat eben gesagt, Katholiken müssen nicht Kinder in Serie produzieren, sondern es braucht eine verantwortliche Elternschaft. Wie das dann ganz genau auszusehen hat und wie es dann sozusagen auch im Konkreten aussieht, wenn ein Elternpaar sagt: "Ok, nach zwei, drei Kindern – wir möchten keine weiteren mehr.“ Da ist er nicht ins Detail gegangen und hat, wie er das oft macht, dann auf das persönliche Gespräch dieses Paares mit dem Seelsorger verwiesen und gesagt: "Da wird man dann schon Lösungen finden, die dafür passen.“

domradio.de: Ist das also auch schon ein Zeichen Richtung Familiensynode, die dann im Herbst ansteht?

Erbacher: Ich denke, alle Aussagen des Papstes, die er in dieser Phase oder in dieser Zeit dieses synodalen Prozesses zum Thema Ehe und Familie trifft, alle Aussagen, die er macht, sind natürlich so ein bisschen auch Teil dieses synodalen Prozesses. Darauf hat auch der Vatikansprecher Lombardi während der Reise hingewiesen. Er hat gesagt: "Auch dieses Familientreffen, die Rede des Papstes am vergangenen Donnerstag ist ein Mosaikstein in diesem synodalen Prozess", und jetzt wird man einfach schauen müssen, wie wird auch in den nächsten Wochen und Monaten dieses Stichwort "verantwortliche Elternschaft" diskutiert werden. Als der Papst auf seine Faustschlag-Aussage von der Pressekonferenz auf dem Weg von Sri Lanka auf die Philippinen angesprochen worden ist, hat er etwas Interessantes gesagt: "Theorie ist das eine, das andere ist dann die Praxis und wir müssen immer sehen bei aller Theorie, bei allem Schönen, was im Evangelium steht – wenn dir einer auf die rechte Wange schlägt, halt ihm auch die linke hin – müssen wir immer sehen, wir sind Menschen und wir reagieren menschlich." Und dieses zwischen Theorie und Wirklichkeit, das ist, glaube ich, auch eine Sache, die bei der Frage nach Ehe und Familie, bei der Familiensynode uns im Herbst nochmal beschäftigen wird und wo dieser Papst sagt: "Theorie ist gut, aber entscheidend ist die Wirklichkeit."

domradio.de: Franziskus macht immer wieder Schlagzeilen. Sie haben den "Faustschlag“ schon angesprochen bei der letzten Pressekonferenz vor wenigen Tagen, jetzt  das Zitat mit den Kaninchen, da gibt es ja noch mehr Beispiele. Wie muss man sich so eine päpstliche Pressekonferenz im Flugzeug vorstellen: Ist das ein Zusammentreffen in ganz lockerer Atmosphäre?

Erbacher: Ja, in der Regel schon. Also, der Papst war gestern auch wieder sehr gut aufgelegt. Als er auf den "Faustschlag" angesprochen worden ist, hat er gelacht und er wusste natürlich, dass die Sache auch ein bisschen missverstanden werden kann. Ganz nett war gestern das Ende der Pressekonferenz, er sagte dann: "Ja, ich weiß, ihr habt viel gearbeitet und ich möchte meinen Dank materialisieren. Heute hat doch hier eine Kollegin", er nannte sie dann die Dekanin der Vatikanjournalisten, weil die, glaube ich, schon etwa 130 Papstreisen gemacht hat, "eine mexikanische Kollegin, die hat Geburtstag und hier habe ich zwei Torten. Also, hiermit sozusagen Dankeschön für eure Arbeit." Also, das ist schon eine sehr lockere Sache, allerdings auch mit ganz ernsten Momenten. Er ist sich durchaus bewusst gewesen, er hat ja dann auch gesagt: "Entschuldigt bitte diesen Ausdruck mit den Kaninchen." Auch bei anderen Fragen, als er letztes Mal eben über das Thema Meinungsfreiheit und Paris, Charlie Hebdo sprach, gibt es ernste Momente. Also, die Pressekonferenzen sind eine Mischung, aber im Ganzen ist das eine sehr lockere Atmosphäre im Flieger.

domradio.de: Es war jetzt die zweite Asienreise des Papstes. Man hat immer gesagt, er hat so eine kleine Priorität auf Asien. Was glauben Sie, was bleibt am Ende übrig von dieser Woche in Sri Lanka und auf den Philippinen?

Erbacher: Das sind ganz unterschiedliche Dinge. Ich würde sagen, man hat durchaus gesehen, dass Papst Franziskus ein sehr politischer Papst ist. Wenn man an Sri Lanka denkt, wo er eben dieses Thema Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit sehr in den Vordergrund gestellt hat. Wo er gesagt hat: "Alle müssen am gesellschaftlichen Prozess beteiligt sein." Das war ein ganz klares Signal Richtung Regierung, weil nach wie vor die Tamilen, die ja in einer Minderheit sind in Sri Lanka, diskriminiert werden. Auch die Katholiken oder die Christen allgemein haben sehr mit Benachteiligung zu kämpfen in Sri Lanka. Also, da hat der Papst ein ganz klares, deutliches Zeichen gesetzt und auch auf den Philippinen, immer wieder hat er das Stichwort Korruption fallen lassen, fast in allen Reden kam das vor. Kampf gegen Korruption, Ehrlichkeit, Sozialsysteme müssen reformiert werden, damit Menschen aus der Armut heraus kommen können. Also, sehr politisch. Interessant ist, dass er diese politische Dimension ganz radikal im Evangelium oder in der Bibel fundiert und begründet und nicht sagt: "Ja, wir haben so einen allgemeinen politischen Auftrag als Kirche, sondern, das ist letztendlich Christus Nachfolge, an der Seite der Armen zu stehen und nicht dann nur einfach Almosen zu geben, sondern auch zu gucken, dass sich auch die politischen Verhältnisse verändern, damit die Menschen aus der Armut herauskommen." Also, ich glaube, das wird bleiben: Franziskus ist ein politischer Papst, der seine politische Option radikal im Evangelium begründet.

Das Interview führte Matthias Friebe.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Weder domradio.de noch das Erzbistum Köln machen sich Äußerungen der Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen zu eigen.


Papst Franziskus (dpa)
Papst Franziskus / ( dpa )
Quelle:
DR , KNA