Papst betet bei Türkei-Besuch in Moschee

Mit gefalteten Händen

Zweiter Tag der Türkei-Reise: Als erster Papst der Kirchengeschichte hat Franziskus mit gefalteten Händen in einer Moschee gebetet. Zudem forderte er mehr Offenheit zwischen den christlichen Konfessionen.

Der Papst in der Blauen Moschee (dpa)
Der Papst in der Blauen Moschee / ( dpa )

Gebet in der blauen Moschee, Treffen mit dem orthodoxen Patriarchen: Papst Franziskus hat bei seinem Türkei-Besuch anderen Religionsführern die Ehre erwiesen. Zum ersten Mal seit Beginn seines Pontifikats besuchte der Pontifex eine Moschee und betete dort.

Der 77-Jährige besichtigte am Samstag in Istanbul gemeinsam mit dem Mufti Rahmi Yaran die blaue Moschee und verharrte dort mit ihm eine Zeit lang mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen. An gleicher Stelle hatte auch Papst Benedikt XVI. bei seiner Türkei-Reise 2006 innegehalten, hatte seine Hände dabei jedoch nicht gefaltet. Der Vatikan sprach damals von einem Moment der Meditation.anach besuchte der Papst das Museum Hagia Sophia, das lange Zeit eine Kirche und später eine Moschee war. Rund 7000 Sicherheitskräfte waren laut Medien zum Schutz des Papstes im Einsatz.

Moment der persönlichen Sammlung

Vatikansprecher Federico Lombardi hatte vor zwei Wochen erklärt, falls der Papst in der Moschee bete, handele es sich nicht um ein formales und öffentliches Gebet, sondern eher um einen Moment der persönlichen Sammlung. "Es ist klar, dass man bei einem Christen in einer Moschee nicht von einem formalen Gebet sprechen kann", so Lombardi.

Im Rahmen seiner Türkei-Reise besichtigte er am Samstag nacheinander die Hauptmoschee von Istanbul und die Hagia Sophia, die zum Museum umfunktionierte frühere Hauptkirche des byzantinischen Reiches.

Nach einem Rundgang durch die Sultan-Ahmet-Moschee verharrte er neben Großmufti Rahmi Yaran schweigend, mit gesenktem Kopf und geschlossenen Augen rund zwei Minuten vor der Gebetsnische. An gleicher Stelle hatte auch Papst Benedikt XVI. bei seiner Türkei-Reise 2006 innegehalten, hatte seine Hände dabei jedoch nicht gefaltet. Der Vatikan sprach damals von einem Moment der Meditation.

Mahnung für Offenheit

Papst Franziskus hat die christlichen Konfessionen zu Offenheit füreinander ermahnt. Die Vielfalt christlicher Kirchen sei eine Bereicherung und ein Zeichen der Inspiration durch den Heiligen Geist, nicht der Spaltung, sagte er bei einer Messe mit Oberhäuptern von Ostkirchen am Samstag in Istanbul. Allerdings bestehe die Gefahr von Spaltungen, wenn die Christen nicht füreinander offen blieben.

"Es ist immer einfacher und bequemer, sich in den eigenen statischen und unveränderlichen Positionen auszustrecken", warnte Franziskus in der Istanbuler Heilig-Geist-Kathedrale. Umgekehrt dürfe der Wunsch nach Einheit aber auch nicht zu Uniformität der christlichen Kirchen führen.

Franziskus predigte bei einer interrituellen Messe im Beisein des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. von Konstantinopel, dem Ehrenoberhaupt von 300 Millionen orthodoxen Christen weltweit. Anwesend waren auch der syrisch-katholische Patriarch Ignatius III.

Appell an Religionsfreiheit

Die sechste Auslandsreise des Papstes hatte am Freitag mit klaren Worten und einem eindeutigen Appell für die Religionsfreiheit begonnen - ungeachtet der vorherigen Brandrede Erdogans gegen den Westen. Nachdem der Pontifex als erstes ausländisches Staatsoberhaupt im umstrittenen neuen Präsidentenpalast Erdogans empfangen worden war, nutzte er das Treffen, um auch heikle Themen anzusprechen.

Auch zu gemeinsamen Anstrengungen im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat rief der 77-Jährige auf. Ebenso nutzte er die Gelegenheit, um an das Schicksal der Christen in den Krisenregionen und die Lage der mehr als eine Million Flüchtlinge zu erinnern.

Moschee-Besuch mit Spannung erwartet

Mit Spannung wurde erwartet, wie sich der für seine starken Gesten bekannte Franziskus am Samstag bei den Besuchen in der Hagia Sophia und der Sultan-Ahmet-Moschee verhalten würde. Sein Vorgänger Papst Benedikt XVI. hatte hier 2006 am letzten Tag seiner Türkei-Reise zusammen mit dem Mufti gebetet. "Wir werden sehen, wie er sich verhält", hatte Papst-Sprecher Federico Lombardi vor der Reise gesagt.

Treffen mit dem orthodoxen Patriarchen Bartholomäus geplant

Am Nachmittag steht für Franziskus ein Treffen mit Mitgliedern der katholischen Gemeinden in Istanbul an, bei dem nach Angaben von Lombardi möglicherweise auch Flüchtlinge anwesend sein könnten. Anschließend feiert der Papst in der Heilig-Geist-Kathedrale eine Messe, bevor er am Abend den orthodoxen Patriarchen Bartholomäus zu einem ökumenischen Gebet und einer privaten Begegnung trifft.

Das Zusammentreffen mit dem Patriarchen, der ökumenische Dialog und die Feier des orthodoxen Andreasfestes am Sonntag waren der ursprüngliche Anlass für die Reise des Papstes. Franziskus und Bartholomäus, die sich bereits im Mai in Jerusalem getroffen hatten, wollen die Annäherung der beiden Kirchen weiter vorantreiben.

Starker Rückgang der Christen

Von den rund 75 Millionen Bewohnern der Türkei sind über 99 Prozent Muslime. Die Bevölkerungsanteil der Christen sank in den vergangenen 100 Jahren von etwa 30 Prozent auf heute nur noch etwa 0,2 Prozent.

Ursachen für den drastischen Rückgang sind unter anderem die Massenmorde an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs, der griechisch-türkische Bevölkerungsaustausch im Zuge des Vertrags von Lausanne 1923 und eine über Jahrzehnte für Christen ungünstige Religionspolitik.

Christliche Kirchen keine juristischen Personen

Das Prinzip des Laizismus in der türkischen Verfassung sieht eine strikte Trennung zwischen Religion und Staat sowie Religions- und Kultfreiheit vor. In der Praxis kontrolliert jedoch eine staatliche Behörde für Religiöse Angelegenheiten alle Aktivitäten, die mit dem Islam in Verbindung stehen.

Unter der Regierung des heutigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan hat sich die Lage der Christen in einigen Punkten verbessert. Die christlichen Kirchen werden jedoch weiterhin nicht als juristische Personen anerkannt.


Papst Franziskus mit gefalteten Händen  (dpa)
Papst Franziskus mit gefalteten Händen / ( dpa )
Quelle:
dpa , KNA , epd