Caritas-Helfer zur Dialogbereitschaft des Papstes

"Möglichen Dialog führen"

Papst Franziskus schließt Gespräche mit der Terrorgruppe IS nicht aus. Für den ehemaligen Caritas-Helfer Karl Ammann nachvollziehbar. Ein domradio.de-Interview.

Freiwillige im Kampf gegen IS (KNA)
Freiwillige im Kampf gegen IS / ( KNA )

domradio.de: Sie kennen die Situation in Syrien und Irak sehr gut. Wie realistisch ist denn ein möglicher Dialog mit IS?

Katastrophenhelfer Ammann: Ich kann erstmal nur voll zustimmen: Wo Dialog möglich ist, muss man ihn führen. Und wo er nicht möglich ist, muss man schauen, ob man ihn findet. Da hört es mit dem Islamischen Staat auf. Es gibt immer mal lokale Vereinbarungen, die getroffen werden. Aber ansonsten beschränkt sich der Dialog nur aufs Geschäfte machen.

domradio.de: Geschäfte machen: Da spielen Sie auf die Ölfelder an, die der Islamische Staat erobert hat. Man hat den Eindruck, der Islamische Staat ist unbesiegbar und die Region ist vor Schrecken erstarrt. Man hat nicht das Gefühl, dass da Dialog auf Augenhöhe zwischen Flüchtlingen und den Besatzern überhaupt hergestellt werden kann. Oder?

Ammann: Zwischen den Flüchtlingen nicht, aber zwischen denen, die Widerstand leisten können, müsste das möglich sein. Ich denke an die kurdische autonome Region im Irak, die Peschmerga, denen inzwischen auch Christen zuströmen. Weil Christen inzwischen meinen: Wenn sie eine Zukunft haben, dann haben sie die auch – auch wenn da Vorbehalte sind -  innerhalb dieser Region.

domradio.de: Sie kennen die Arbeit von Caritas International sehr gut. Man hat den Eindruck, dass ganz Irak und ganz Syrien unsicher sind, aber es gibt durchaus Regionen, wo die Kurden die Stellungen halten und wo durchaus Hilfe möglich ist. Wie sieht die Hilfe der Caritas aus?

Ammann: Das ist schwer zu sagen. Im Irak ist es relativ einfach. Die Caritas beschränkt sich momentan auf Hilfen für Vertriebene innerhalb der kurdisch-autonomen Region. Es finden zwar auch Hilfen außerhalb dieser Region statt, aber weniger. Der Schwerpunkt liegt auf den Leuten, die in den letzten Monaten vertrieben worden sind. Und das ist ein umfangreiches Hilfsprogramm, das auch von der Bundesregierung unterstützt wird. In Syrien dagegen ist es sehr viel durchwachsender und vielschichtiger, weil es kein geschlossenes Gebiet gibt, wo man Hilfe leisten kann.

domradio.de: Dort ist es deutlich schwieriger den Menschen zu helfen oder eine entsprechende Infrastruktur aufzubauen.

Ammann: Es gibt Leute, es gibt Infrastruktur, es gibt kirchliche Stellen, die aktiv sind. Aber es fehlt das einheitliche Gebiet, in dem man handeln kann. Und deswegen ist es schwierig von einem Ort zum anderen zu kommen. Man kann nicht davon ausgehen, dass die heutige Sicherheitslage morgen die Gleiche sein wird.

domradio.de: Es ist natürlich auch die Frage: Wie lange kann man es den Helfern zumuten, zu helfen. Gibt es einen Bereich, wo man sagt: Hier kann ich nicht mehr helfen. Hier ist meine persönliche Lage viel zu unsicher.

Ammann: In der kurdisch-autonomen Region wird man diese Situation kaum antreffen. In Syrien kann das durchaus der Fall sein. Man muss aber auch sehen, dass die Caritas-Helfer alle Einheimische sind. Das sind Syrer, die im Lande leben und dort geblieben sind - und die sich weiterhin einsetzen und das Risiko tragen.

domradio.de: Morgen sprechen sie auf einer Veranstaltung der Caritas in Köln. Überschrift: Welche Folgen hat der IS-Terror in Syrien und Irak auch für uns? Welche Folgen hat er denn in Deutschland?

Ammann: Die Folgen sind, dass Leute sich irgendwie dagegen aussprechen – aber nicht unbedingt in dem Sinne, wie ich es befürworten würde. Es gab ja Ereignisse, wo dann verschiedene Gruppen aufeinander geprallt sind. Es entsteht eine Situation, wo man meint, dass doch die Muslime insgesamt für den IS verantwortlich sind. Sie sollen sich doch bitte davon distanzieren. Dabei habe ich ein ungutes Gefühl.

domradio.de: Das sind die Folgen hier in Deutschland. Wie lange wird dieses Phänomen IS uns noch beschäftigen? Man hört immer wieder aus den Medien, dass IS militärisch die Luft ausgeht. Glauben Sie, dass im einigen Jahren dieses Phänomen überwunden ist und man in Syrien und dem Irak in Freiheit leben kann?

Ammann: Das Phänomen „Islamischer Staat“ müsste militärisch besiegbar sein. Die Gedankenwelt, die dahinter steckt - die wird uns die nächsten Jahrhunderte begleiten.

Das Interview führte Mathias Peter.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Weder domradio.de noch das Erzbistum Köln machen sich Äußerungen der Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen zu eigen.


Quelle:
DR