Ansprache von Papst Franziskus bei seiner Ankunft in Tel Aviv

Im Wortlaut

Die Ansprache von Papst Franziskus am Flughafen von Tel Aviv zum Nachlesen. Quelle: Radio Vatikan

Ansprache am Flughafen in Tel Aviv (dpa)
Ansprache am Flughafen in Tel Aviv / ( dpa )

Herr Präsident,

Herr Premierminister,

Exzellenzen, meine Damen und Herren,

ich danke Ihnen herzlich für den Empfang im Staat Israel, den ich zu meiner Freude auf dieser meiner Pilgerreise besuchen kann. Dem Präsidenten, Herrn Shimon Peres, und dem Premierminister, Herrn Benjamin Netanyahu, bin ich dankbar für die freundlichen Worte, die sie an mich gerichtet haben; gerne erinnere ich mich an die Begegnungen, die ich mit ihnen im Vatikan hatte. Wie Sie wissen, komme ich als Pilger fünfzig Jahre nach der historischen Reise Papst Pauls VI. hierher. Seit damals hat sich zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Israel vieles geändert: Die diplomatischen Beziehungen, die schon seit zwei Jahrzehnten zwischen uns bestehen, haben die Zunahme guter und herzlicher Kontakte ermöglicht, wie die beiden bereits unterzeichneten und ratifizierten Abkommen sowie das, was kurz vor seinem Abschluss steht, bezeugen. In diesem Geist richte ich meinen Gruß an das ganze Volk Israels und wünsche, dass sein Streben nach Frieden und Wohlstand Verwirklichung findet.

Auf den Spuren meiner Vorgänger bin ich als Pilger ins Heilige Land gekommen, wo sich eine Geschichte mehrerer Jahrtausende entfaltet hat und die hauptsächlichen Ereignisse stattgefunden haben, die mit dem Entstehen und der Entwicklung der drei großen monotheistischen Religionen – Judentum, Christentum und Islam – verbunden sind; deshalb ist es ein geistiger Bezugspunkt für einen großen Teil der Menschheit. Ich wünsche mir also, dass dieses gesegnete Land ein Ort sei, in dem es für eine Instrumentalisierung und Überbetonung der eigenen Religionszugehörigkeit, die zu Intoleranz und Gewalt gegen die anderer führt, keinen Raum gibt.

Während dieser meiner Pilgerreise im Heiligen Land werde ich einige der sinnreichsten Orte von Jerusalem besuchen, dieser Stadt von universaler Bedeutung. Jerusalem heißt „Stadt des Friedens“. So will Gott sie, und dass sie so sei, wollen alle Menschen guten Willens. Doch leider ist diese Stadt noch geplagt von den Folgen langer Konflikte. Wir alle wissen, wie dringend die Notwendigkeit des Friedens nicht nur für Israel, sondern auch für die gesamte Region ist. Es mögen sich darum die Bemühungen und die Energien vervielfachen, um zu einer gerechten und dauerhaften Beilegung der Konflikte zu gelangen, die so viel Leid verursacht haben. Vereint mit allen Menschen guten Willens bitte ich inständig alle Verantwortungsträger, nichts unversucht zu lassen auf der Suche nach unparteiischen Lösungen der komplexen Schwierigkeiten, so dass Israelis und Palästinenser in Frieden leben können. Mutig und unermüdlich muss immer neu der Weg des Dialogs, der Versöhnung und des Friedens beschritten werden. Eine Alternative gibt es nicht. Darum erneuere ich den Aufruf, den Benedikt XVI. von diesem Ort ausgehen ließ: »Es möge allgemein anerkannt werden, dass der Staat Israel das Recht hat, zu existieren und Frieden und Sicherheit innerhalb international vereinbarter Grenzen zu genießen. Ebenso möge anerkannt werden, dass das palästinensische Volk ein Recht auf eine souveräne, unabhängige Heimat, auf ein Leben in Würde und auf Reisefreiheit hat. Die Zwei-Staaten-Lösung möge Wirklichkeit werden und nicht ein Traum bleiben« (Ansprache am Intern. Flughafen „Ben Gurion“, Tel Aviv, 15. Mai 2009).

Ein besonders bewegender Moment meines Aufenthalts in Ihrem Land wird der Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem sein, in Erinnerung an die sechs Millionen Juden, die Opfer der Shoah wurden – eine Tragödie, die ein Symbol dafür bleibt, wie weit die Ruchlosigkeit des Menschen gehen kann, wenn er, durch falsche Ideologien angestiftet, die grundlegende Würde eines jeden Menschen vergisst, der eine absolute Achtung gebührt, gleich welchem Volk der Mensch angehört und welche Religion er bekennt. Ich bete zu Gott, dass ein solches Verbrechen, dem auch viele Christen und andere zum Opfer gefallen sind, niemals mehr geschehe. Immer der Vergangenheit eingedenk, wollen wir eine Erziehung fördern, in der die Ausschließung und die Auseinandersetzung der Einbeziehung und der Begegnung weichen, wo kein Platz ist für Antisemitismus, in welcher Form auch immer er sich zeigt, sowie für jeden Ausdruck der Feindseligkeit, der Diskriminierung oder der Intoleranz gegenüber Menschen und Völkern.

Die Kürze der Reise beschränkt unvermeidlich die Möglichkeiten zur Begegnung. Von hier aus möchte ich alle israelischen Bürger grüßen und ihnen meine Nähe bekunden, besonders denen, die in Nazareth und in Galiläa leben, wo es auch viele christliche Gemeinden gibt.

An die Bischöfe und an die Christgläubigen richte ich meinen brüderlichen und herzlichen Gruß. Ich ermutige sie, voll Vertrauen und Hoffnung ihr friedvolles Zeugnis zugunsten von Versöhnung und Vergebung fortzuführen, indem sie der Lehre und dem Beispiel Jesu, des Herrn, folgen, der sein Leben für den Frieden der Menschen, sei es mit Gott, sei es untereinander, hingegeben hat. Seid ein Sauerteig der Versöhnung, Hoffnungsbringer und Zeugen der Liebe. Wisst, dass ihr immer in meinen Gebeten seid.

Herr Präsident, Herr Premierminister, meine Damen und Herren, ich danke Ihnen noch einmal für Ihren Empfang.

Mögen Frieden und Wohlstand reichlich auf Israel herabkommen. Gott segne sein Volk mit Frieden! Shalom!


Quelle:
rv