Mussinghoff: Papstbesuch auch als kritisches Korrektiv

Heiliges Land im Schnelldurchlauf

Papst Franziskus besucht am Wochenende das Heilige Land und Jordanien. Vor der Reise hat antichristlicher Vandalismus für Schlagzeilen gesorgt. Im domradio.de-Interview dazu Bernd Mussinghoff vom Heilig Land Verein.

Klagemauer (dpa)
Klagemauer / ( dpa )

domradio.de: Merkt man schon etwas in Israel von dem anstehenden Besuch des Papstes?

Bernd Mussinghoff (Leiter des Jerusalem-Büros des Deutschen Vereines vom Heiligen Lande): Im Straßenbild in Jerusalem kann man noch nicht allzu viel wahrnehmen, aber im Kontakt mit den Einrichtungen und den Städten, die er besuchen wird, sieht man natürlich schon, dass im Hintergrund die Vorbereitungen auf Hochtouren laufen. Die Tickets wurden jetzt ausgegeben für die Messe in Bethlehem am Sonntag, an der ich hoffentlich auch teilnehmen kann. Da ist schon zu sehen, wie umfangreich die Vorbereitungen sind. Es wird enorm viele Straßensperrungen geben. Daran kann man schon ein bisschen ermessen, wie umfangreich gerade auch die Sicherheitskräfte im Hintergrund jetzt schon arbeiten.

domradio.de: Sie haben gerade die Sicherheitsvorkehrungen schon angesprochen. Der Besuch des Papstes im Heiligen Land ist ja nicht unumstritten. Es hat im Vorfeld mehrere Fälle von Vandalismus gegeben, es sind beispielsweise Pilger mit Steinen beworfen worden, christliche Einrichtungen sind mit Grafitti beschmiert worden und es gab auch christliche Vertreter, die gesagt haben, wir fühlen uns nicht mehr sicher im Heiligen Land. Können Sie dieses Gefühl von Unsicherheit bestätigen?

Mussinghoff: Ich persönlich fühle mich nicht unsicher. Natürlich sind mir auch diese Vorfälle bekannt, sie haben sich ja auch gegen zwei der Einrichtungen unseres Vereins vom Heiligen Lande gerichtet. Einmal in Tabgha am See Genezareth und dann in der Dormitio-Abtei in Jerusalem auf dem Zionsberg. Das sind Phänomene, bei denen ich nicht ganz sicher bin, ob sie wirklich im direkten Zusammenhang mit dem Papstbesuch stehen. Ich habe schon eher den Eindruck, dass es sich da um ein größerflächiges Phänomen handelt. Der Terrorismusbericht der US-Regierung spricht von 399 Vorfällen, die auch als terroristisch eingestuft werden - von Schmierereien, die jetzt niemandem direkt geschadet haben bis hin zu Handgreiflichkeiten gegenüber Personen, die sich gegen Angehörige der palästinensischen Minderheit in Israel richten und zwar egal welcher Religionszugehörigkeit, ob es Muslime oder Christen und auch gegen deren Gotteshäuser. Das ist natürlich schon eine deutliche Problemanzeige, dass wir es hier mit einer neuen Form von Gewalt zu tun haben, die eben auch von den Amerikanern als terroristisch eingestuft wird.

Das kann natürlich schon sein, dass die entsprechenden Kräfte jetzt die Zeit vor dem Papstbesuch benutzen, um noch einmal besondere Stellen auch zu treffen, die der Papst dann auch besuchen wird, wie etwa das Notre Dame Center, das vor einigen Tagen mit Schmierereien überzogen wurde. Ich glaube aber, da geht es jetzt nur um die gestärkte Medienpräsenz, die sie damit erzielen können und nicht um irgendwelche Aversionen gegen den Papstbesuch selbst.

domradio.de: Wer steckt denn hinter diesem Vandalismus? Was vermuten Sie?

Mussinghoff: Das ist eine gute Frage. Die Spekulationen gehen vom Spektrum der Nationalreligiösenkräfte aus den Siedlungen im Westjordanland bis hin zum orthodox-religiösem Spektrum. Ein Teil der Jugendlichen, die in Tabgha für diese Vorfälle verantwortlich waren, war ja als orthodoxe Gläubige in schwarzen und weißen Kleidungsstücken zu erkennen. Aber ich will da jetzt nicht spekulieren - so lange da nicht etwas Handfestes auf dem Tisch liegt. Aber das ist das Spektrum, in dem sich die Spekulationen insgesamt bewegen.

domradio.de: Nun ist es ja wirklich ein sehr kurzer Besuch des Papstes. Drei Tage ist er insgesamt unterwegs, davon einen Tag in Jordanien, viel Zeit nimmt er sich auch für das Westjordanland/Bethlehem. Gibt es da auch Enttäuschung, dass der Papst eben nur so kurze Zeit in Israel verbringt?

Mussinghoff: Ja, das wurde im Vorfeld auch geäußert, gerade die Christen in Galiläa haben gesagt, wir fühlen uns vernachlässigt. Den Norden des Heiligen Landes wird der Papst ja nun gar nicht besuchen können. Er ist einen Tag in Jordanien, nicht ganz einen Tag in Bethlehem und dann etwas mehr als einen Tag in Jerusalem. Alle anderen Orte kann er nicht besuchen. Das hat sicher damit zu tun, dass bei dieser Reise das Protokoll enorm kompliziert und aufwendig ist. Er hat sehr viele Pflichttermine, wenn er einen von denen nicht wahrnehmen würde, gebe es richtig große Aufregung. So bleibt ihm wenig Zeit für Termine mit Menschen, die ihm vielleicht auch besonders am Herzen liegen. Er hat sich da schon die Freiheit herausgenommen, seine Akzente zu setzen. Er wird sich in Bethlehem mit Familien zum Mittagessen treffen, nicht bedeutende Persönlichkeiten, sondern mit einfachen normalen Menschen. Eine Familie wird auch aus dem Gaza-Streifen kommen, es werden Flüchtlinge dabei sein - gerade auch die Armen, die am meisten benachteiligten, um die es ja Papst Franziskus immer besonders geht. Aber es ist schon so, dass der Norden des Landes, wo ein Großteil der Christen eigentlich lebt, diesmal nicht von ihm besucht werden kann. Christen haben zwar die Möglichkeit nach Bethlehem zu kommen und dort an der Messe teilzunehmen, aber mit 10.000 Karten, die nur ausgegeben werden, weil der Krippenplatz eben begrenzte Ausmaße hat, kann bei weitem natürlich nicht jeder dann den Papst sehen.

domradio.de: Wie werden Sie die drei Tage erleben, wenn der Papst im Heiligen Land unterwegs sein wird?

Mussinghoff: Den Samstag, wenn er in Jordanien sein wird, ist stark noch mit Vorbereitungen belegt. Am Sonntagmorgen werde ich mich früh auf den Weg nach Bethlehem machen, um auch an der Messe dort teilzunehmen. Ich bin schon gespannt und freue mich darauf, wie ich mich insgesamt auch auf diesen Papst im Heiligen Land freue. Ich denke schon, dass er mit seiner besonderen Art der Menschenzugewandheit, der Herzlichkeit, der Freundlichkeit Akzente setzen kann. Sein besonderer Blick immer auf die Ärmsten, auf die Ausgegrenzten kann vielleicht uns allen im Heiligen Land gut tun. Darauf noch einmal hingewiesen zu werden, durchaus auch im Sinne eines kritischen Korrektivs. Um zu schauen, wenn wir uns gemeinsam um die Armen kümmern, ob dann nicht doch auch so ein Geist der Geschwisterlichkeit zwischen den Völkern und den Religionsgemeinschaften entstehen kann, der dann auch für die Zukunft etwas neu in Bewegung bringen kann.

Das Interview führte Ina Rottscheidt


Graffiti: Jesus ist ein Affe (dpa)
Graffiti: Jesus ist ein Affe / ( dpa )
Quelle:
DR