Erzbischof Gänswein zu Franziskus und den Deutschen

"Nur jubeln ist zu wenig"

Der Präfekt des Päpstlichen Hauses, Erzbischof Georg Gänswein, spricht mit domradio.de-Redakteur Jan Hendrik Stens in Mannheim über Erwartungen an Papst Franziskus und die deutsche Kirche.

Erzbischof Gänswein (DR)
Erzbischof Gänswein / ( DR )

domradio.de: Was ist das für ein frischer Wind, der durch Papst Franziskus momentan durch die Weltkirche weht?

Erzbischof Gänswein: Wenn ich dem eine Überschrift geben möchte, würde ich sagen, es ist ein neuer missionarischer Schwung. Dieser Schwung hat all die erfasst, die sich davon erfassen lassen, sei es in Rom, sei es im Vatikan, sei es auch darüber hinaus.

domradio.de: In Deutschland ist man auch von Franziskus begeistert, allerdings stellt man hier im Unterschied zu anderen Ländern fest, dass jetzt der Gottesdienstbesuch nicht stärker wird, vor den Beichtstühlen nicht wie in Italien die Menschen Schlange stehen. Woran liegt das, haben die Deutschen eine andere Form der Begeisterung?

Erzbischof Gänswein: Wenn Begeisterung sich nicht in die Glaubenspraxis hinein verwirklicht, dann ist das wie ein Strohfeuer, das keine Glut entfacht. Es ist wichtig, das Neue, das Schwungvolle und Erfreuliche, das mit Franziskus jetzt da ist, hineinzunehmen und sich auch anstecken zu lassen im eigenen Glaubensleben. Nur jubeln ist zu wenig. Es müssen schon auch konkretere Fakten kommen.

domradio.de: Sie haben einmal gesagt, dass sie verwundert sind, dass sich Benedikt XVI. und Franziskus so gut verstehen, obwohl sie so unterschiedliche Charaktere sind.

Erzbischof Gänswein: Das war eine Verwunderung am Anfang. Weil zunächst auffällt, dass doch das Temperament, der Charakter, die Persönlichkeiten und die Art und Weise des Sprechens und des Begegnens sehr unterschiedlich sind. Und Unterschiede bringen es leider mit sich, dass man das dann gegeneinander liest. Ich muss es komplementär lesen, es gibt Personen, die sehr unterschiedlich sind und sich sehr gut verstehen, und so ist es auch hier gewesen.

domradio.de: Franziskus nimmt ja sehr stark Stellung in weltlichen Fragen zu Frieden und Gerechtigkeit. Er mischt sich unwahrscheinlich stark ein. Wie informiert er sich?

Erzbischof Gänswein: Es ist ein Informationsnetz. Es gibt amtliche Informationsquellen, die Nuntien, das Staatssekretariat. Es sind die verschiedene Quellen, die auch über die Bischöfe in den Vatikan hineinströmen, und dieser Informationssee ist schon sehr wichtig, um einfach Klarheit zu haben, was wirklich vor Ort los ist in der Politik, in der Seelsorge in den verschiedenen Diözesen und Ländern. Es ist eine sehr gute Informationspolitik da, die hilft, konkret zu sehen, wo ein Problem ist, das angepackt werden muss.

domradio.de: Sie haben gesagt, die Bewährungsproben für Franziskus stünden noch aus. Was meinten sie damit?

Erzbischof Gänswein: Aus Deutschland kommt eine ganze Reihe von Druckmitteln. Ob die genauso als Druckmittel in Rom empfunden werden, das kann ich nicht beurteilen. Man muss auch sehen, für uns Deutsche ist Deutschland das wichtigste Land für den Vatikan. Für den Vatikan ist Deutschland ein wichtiges Land von vielen wichtigen Ländern. Und zur Zeit brennt es politisch und seelsorglich in anderen Ländern viel, viel mehr. Und es ist drängender, die Aufmerksamkeit dorthin zu legen. Was nicht heißt, dass man die Deutschen Anliegen nur zweitrangig behandelt.

domradio.de: Das bedeutet, Franzikus wird vielleicht die ein oder andere Erwartung in Deutschland enttäuschen?

Erzbischof Gänswein: Es ist immer so bei Erwartungen, man muss sich fragen, ob sie realistisch sind. Hängt man vielleicht ganz bewusst den Erwartungsspiegel hoch, damit ein gewisser Druck erzeugt wird, der dazu helfen soll, das Ziel durchzusetzten?

domradio.de: Letzte Frage: Bringen Sie ein Fastenopfer?

Erzbischof Gänswein: Die österliche Bußzeit ist eine Zeit der Reinigung des Herzens. Aber der Mensch lebt nicht nur von der Seele allein. Ich versuche auf Alkohol und Süßes zu verzichten, weil ich beides gerne mag. In Bezug auf das Geistliche versuche ich, mehr stille Zeit dem Herrn zu widmen. Auch dann, wenn der Schreibtisch übervoll ist mit Arbeit. Es geht darum, die Mitte, das Eigentliche zu sehen und das Wesentliche vom Unwesentliche zu scheiden. Dabei soll die Fastenzeit helfen.

Das Interview führte Jan Hendrik Stens.


Quelle:
DR