Papst Franziskus hat sich zu Geld, Frauen und Ökumene geäußert

"Kardinälinnen sind nicht das Thema des Papstes"

Papst Franziskus hat "La Stampa" ein Interview gegeben, in dem er über Kapitalismus, Ökumene und die Rolle der Frau spricht. Pater Bernd Hagenkord, Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, mit einer Einordnung im domradio.de-Interview.

Pater Bernd Hagenkord (rv)
Pater Bernd Hagenkord / ( rv )

domradio.de: Eindeutig bekennt sich Papst Franziskus in dem Interview zur Ökumene. Wörtlich sagt er: "Für mich hat die Ökumene Priorität." Was heißt das jetzt?

Hagenkord: Es ist ja erstmal die Frage des Journalisten gewesen, was er für wichtig erachtet. Und dann fasst er so ein bisschen das zusammen, was man in den letzten Monaten sehen konnte hier in Rom. Also, die Begegnungen, die Texte, die Ansprachen usw. Er will sein Amt als Amt der Einheit verstanden wissen. Das war ja auch ein bisschen das Amtsverständnis von Benedikt. Aber er macht es eben ein bisschen anders, er versucht es über Brüderlichkeit, über Begegnungen usw., nicht so sehr über theologische Statements. Er versucht, die Nähe zu den anderen christlichen Kirchen ganz physisch herzustellen, um auf diese Art und Weise zusammenzuwachsen. Das wird jetzt nicht von heute auf morgenpassieren, dass wir plötzlich eine christliche Kirche sind, aber da ist auch viel Aufbruch und sehr viel positive Energie. Das merkt man auch, wenn man mit denen spricht, die andere christliche Kirchen repräsentieren.

domradio.de: Was unter ihm wohl überhaupt gar nicht passieren wird: er hat allen eine Absage erteilt, die darauf gehofft hatten, dass es bald Frauenkardinäle geben könnte. Und er kritisiert den Kapitalismus. Inwiefern?

Hagenkord: Einmal ist das ja so ein bisschen die Spannung, die sehr viele seine Äußerungen hervorbringen. Er spricht etwas an und dann versucht man, das so in bekannte Diskurse hineinzuordnen, in bekannte Debatten. Also, wenn er für mehr Rechten für die Frau spricht, dann sprechen alle, vor allem in Zentraleuropa, dann darüber, es müsse jetzt auch Priesterinnen, Kardinälinnen geben usw. Und er sagt ja, nein, nein, wir müssen ganz anders denken. Wenn wir über Kardinälinnen sprechen, dann ist das im Prinzip eine Klerikalisierung. Und das will er ja gar nicht. Er möchte schon was anderes, was neueres bekommen. Ähnlich ist das ja auch mit der Kapitalismus-Debatte. Also, er kritisiert etwas, oder wie er es im Interview mit "La Stampa" sagt, das ist ein Schnappschuss, das ist keine tiefe Analyse. Und dann wird das in bereits bestehende Unterhaltungen und Auseinandersetzungen sozusagen eingefaltet, das ist aber was anderes, er will was anderes. Er möchte aufrütteln, wachrütteln, und neue Wege beschreiten können. Das Ganze ist also, um es mit seinen Lieblingsworten zu sagen, gehen, aufbrechen, aus sich herausgehen. Das ist weniger eine stringente Analyse, das wird es auch gar nicht sein.

domradio.de: Gehen wir doch mal ein bisschen weg vom Inhalt des Interviews. Franziskus betont Kollegialität unter den Bischöfen und wünscht Dezentralisierung. Jetzt, durch seine Medienpräsenz, scheint er im Moment eher das Gegenteil zu bewirken. Wie sehen Sie das?

Hagenkord: Ich glaube, man muss ein bisschen nachvollziehen, wie er seine Bewegungen, die er in die Kirche reinbringen will, wie er das versteht. Also, er will schon, dass wir auch was machen, nicht nur auf ihn gucken. Dadurch, dass er so anders ist als Papst als wir das vielleicht gewohnt sind, und auch durch die Taktzahl, die er vorlegt, ist das natürlich medial total spannend. Aber das wird ja auch nachlassen. Spätestens im nächsten Jahr wird das nicht mehr alles so schnell wahrgenommen werden. Und dann kommt es eben darauf an, dass der Rest der Kirche auch mitzieht, und das aufgreift. Und ich glaube, da wird es dann auch erst richtig spannend, wenn das aufgegriffen wird. Nur hören und es toll finden ist eine Sache, aber es dann umsetzen und die Kirche sich auch verändern lassen, da wird es dann richtig spannend. Und da wird es dann auch entscheidend sein, ob wir uns auf diese Dezentralisierung überhaupt einlassen. Denn die bedeutet ja auch, dass wir viel mehr Verantwortung übernehmen.

domradio.de: Nachlassen wird eventuell auch der Hype um Papst Franziskus. Er ist jetzt vom Time Magazine zum "Mann des Jahres 2013" gewählt wurden. Das ist Präsident Obama auch gewesen. Droht da jetzt in Ihren Augen der Obama-Effekt? Wird es ihm ähnlich gehen und er in seiner Popularität abstürzen?

Hagenkord: Jeder Medienwissenschaftler kann ja sagen, dass so Hypes eigene Zyklen haben. Die steigen und die fallen und pendeln sich dann nachher ein usw. Das wird auch bei Papst Franziskus so sein. Das ist einfach so, weil die Mediengesellschaft so funktioniert. Das ist auch nichts Schlimmes, ich finde das was völlig Normales. Ob jetzt ein Obama-Effekt eintritt, das hängt ein bisschen damit zusammen, ob die Erwartungen zu hoch sind. Das ist ja eines der Probleme, mit dem Obama hat kämpfen müssen. Also wenn wir jetzt unglaubliche Ansprüche stellen, das und das muss jetzt sofort passieren, dann kann es sein, dass da ein bisschen Enttäuschung stattfindet. Es kann auch sein, dass die Dinge, die er anspricht, diese Reform-Debatte, die ja im Augenblick noch sehr abstrakt ist, dass das nicht von heute auf morgen passiert. Das ist also medial ganz schwer vermittelbar, wenn etwas länger dauert als ein halbes Jahr, dann gilt das schon fast als Scheitern. Aber in der Kirche müssen die Dinge etwas länger in Anspruch genommen werden. Wir sind eine Weltkirche, wir leben in verschiedenen Kulturen und Sprachen, das kann ruhig ein paar Tage länger dauern. Also, ich glaube, wenn jemand schreit: Obama-Effekt! Obama-Effekt!, ich glaube, wir brauchen einfach ein bisschen Zeit und ein bisschen Geduld.

Das Gespräch führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR