Zitate aus dem Interview mit Papst Franziskus

"Ich bin ein Sünder"

Papst Franziskus hat mit einem Interview für Jesuiten-Zeitschriften weltweit für Aufsehen gesorgt. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert wichtige Aussagen zu seinem Selbstverständnis und den Aufgaben der Kirche.

Papst Franziskus (dpa)
Papst Franziskus / ( dpa )

"Ich bin ein Sünder. Das ist die richtigste Definition. Und es ist keine Redensart, kein literarisches Genus. Ich bin ein Sünder."

"Ich sehe mich nicht als einsamer Priester: Ich brauche Gemeinschaft.

Und das wird aus der Tatsache verständlich, dass ich hier in Santa Marta wohne: (...) Ich habe mich entschieden, hier, im Zimmer 201, zu wohnen, weil ich, als ich die päpstliche Wohnung in Besitz nahm, in mir ein deutliches ,Nein' spürte. Das päpstliche Appartement im Apostolischen Palast ist nicht luxuriös. Es ist alt, geschmackvoll eingerichtet und groß, nicht luxuriös. Aber letztendlich gleicht es einem umgekehrten Trichter. (...) Man tritt tropfenweise ein. Das ist nichts für mich. Ohne Menschen kann ich nicht leben. Ich muss mein Leben zusammen mit anderen leben."

"Mein Führungsstil als Jesuit hatte anfangs viele Mängel. (...) Eine ganze Jesuitengeneration war ausgefallen. Deshalb wurde ich schon in sehr jungen Jahren zum Provinzial ernannt. Ich war erst 36 Jahre alt

- eine Verrücktheit! Ich (...) traf meine Entscheidungen auf sehr schroffe und persönliche Weise."

"Wenn ich einer Person eine Sache anvertraue, habe ich totales Vertrauen zu dieser Person. Sie muss wirklich einen sehr schweren Fehler begehen, damit ich sie aufgebe."

"Meine autoritäre und schnelle Art, Entscheidungen zu treffen, hat mir ernste Probleme und die Beschuldigung eingebracht, ultrakonservativ zu sein. (...) Nun bin ich sicher nicht wie die selige Imelda gewesen, aber ich bin nie einer von den ,Rechten'

gewesen. Es war meine autoritäre Art, die Entscheidungen zu treffen, die Probleme verursachte."

"Ich glaube jedoch, dass die Konsultation sehr wichtig ist. Die Konsistorien und die Synoden sind zum Beispiel wichtige Orte, um diese Konsultation wahrhaftig und aktiv durchzuführen. Man sollte sie in der Form allerdings weniger starr gestalten. Ich wünsche mir wirkliche, keine formellen Konsultationen."

"Ich sehe die Heiligkeit im geduldigen Volk Gottes: Eine Frau, die ihre Kinder großzieht, ein Mann, der arbeitet, um Brot nach Hause zu bringen, die Kranken, die alten Priester, die so viele Verletzungen haben, aber auch ein Lächeln, weil sie dem Herrn gedient haben, die Schwestern, die so viel arbeiten und eine verborgene Heiligkeit leben. Das ist für mich die allgemeine Heiligkeit. (...) Das war die Heiligkeit meiner Eltern, meines Vaters, meiner Mutter, meiner Großmutter Rosa, die mir so viel Gutes getan hat."

(Zum Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI.) "Papst Benedikt hat einen Akt der Heiligkeit vollbracht, einen Akt der Größe, der Demut. Er ist ein Mann Gottes."

"Die Diener der Kirche müssen vor allem Diener der Barmherzigkeit sein. Der Beichtvater zum Beispiel ist immer in Gefahr, zu streng oder zu lax zu sein. Keiner von beiden ist barmherzig, denn keiner nimmt sich wirklich des Menschen an."

"Die organisatorischen und strukturellen Reformen sind sekundär, sie kommen danach. Die erste Reform muss die der Einstellung sein. Die Diener des Evangeliums müssen in der Lage sein, die Herzen der Menschen zu erwärmen, in der Nacht mit ihnen zu gehen. (...) Das Volk Gottes will Hirten und nicht Funktionäre oder Staatskleriker."

"Die Bischöfe speziell müssen Menschen sein, die geduldig die Schritte Gottes mit Seinem Volk unterstützen können, so dass niemand zurückbleibt. Sie müssen die Herde auch begleiten können, die weiß, wie man neue Wege geht."

"In Buenos Aires habe ich Briefe von homosexuellen Personen erhalten, die 'soziale Wunden' sind; denn sie fühlten sich immer von der Kirche verurteilt. Aber das will die Kirche nicht. (...) Die Religion hat das Recht, die eigene Überzeugung im Dienst am Menschen auszudrücken, aber Gott hat sie in der Schöpfung frei gemacht: Es darf keine spirituelle Einmischung in das persönliche Leben geben. Einmal hat mich jemand provozierend gefragt, ob ich Homosexualität billige. Ich habe ihm mit einer anderen Frage geantwortet: 'Sag mir: Wenn Gott eine homosexuelle Person sieht, schaut er die Tatsache mit Liebe an oder verurteilt er sie und weist sie zurück?' Man muss immer die Person anschauen."

"Der Beichtstuhl ist kein Folterinstrument, sondern der Ort der Barmherzigkeit, in dem der Herr uns anregt, das Bestmögliche zu tun."

"Wir können uns nicht nur mit der Frage um die Abtreibung befassen, mit homosexuellen Ehen, mit Verhütungsmethoden. Das geht nicht. Ich habe nicht viel über diese Sachen gesprochen. Das wurde mir vorgeworfen. Aber wenn man davon spricht, muss man den Kontext beachten. Man kennt ja übrigens die Ansichten der Kirche, und ich bin ein Sohn der Kirche. Aber man muss nicht endlos davon sprechen."

"Die römischen Dikasterien (Kongregationen, Räte und die anderen

Ämter) stehen im Dienst des Papstes und der Bischöfe. Sie müssen den Ortskirchen helfen oder den Bischofskonferenzen. Es sind Einrichtungen des Dienstes. In Einzelfällen, wenn man sie nicht richtig versteht, laufen sie Gefahr, Zensurstellen zu werden."

"An der Gesellschaft Jesu haben mich drei Dinge berührt: der Sendungscharakter, die Gemeinschaft und die Disziplin. Das mutet seltsam an, weil ich von Geburt an ein undisziplinierter Mensch bin."

"Die Räume einer einschneidenden weiblichen Präsenz in der Kirche müssen weiter werden. Ich fürchte mich aber vor einer 'Männlichkeit im Rock', denn die Frau hat eine andere Struktur als der Mann. (...) Die Frauen stellen tiefe Fragen, denen wir uns stellen müssen. Die Kirche kann nicht sie selbst sein ohne Frauen und deren Rolle. Die Frau ist für die Kirche unabdingbar. Maria - eine Frau - ist wichtiger als die Bischöfe. (...) Man muss daher die Vorstellung der Frau in der Kirche vertiefen. Man muss noch mehr über eine gründliche Theologie der Frau arbeiten. (...) Der weibliche Genius ist nötig an den Stellen, wo wichtige Entscheidungen getroffen werden."

"Es gibt zweitrangige kirchliche Normen und Vorschriften, die früher einmal effizient waren, die aber jetzt ihren Wert und ihre Bedeutung verloren haben. Die Sicht der Kirche als Monolith, der ohne jeden Abstrich verteidigt werden muss, ist ein Irrtum."

"Ich bete jeden Morgen das Offizium. Ich bete gern mit den Psalmen.

Dann feiere ich die Messe. Ich bete den Rosenkranz. Was ich aber vorziehe, ist die abendliche Anbetung - auch wenn ich zerstreut bin oder an Anderes denke oder sogar beim Beten einschlafe. Also abends von sieben bis acht bin ich vor dem Allerheiligsten für eine Stunde der Anbetung. Aber ich bete auch im Geist, wenn ich beim Zahnarzt warte oder bei anderen Gelegenheiten am Tag."

"Das Zweite Vatikanum war eine neue Lektüre des Evangeliums im Licht der zeitgenössischen Kultur. Es hat eine Bewegung der Erneuerung ausgelöst, die aus dem Evangelium selbst kommt. Die Früchte waren enorm. Es reicht, an die Liturgie zu erinnern. (...) Aber eines ist

klar: Die Dynamik der aktualisierten Lektüre des Evangeliums von heute, die dem Konzil eigen ist, ist absolut unumkehrbar."

"Wenn jemand behauptet, er sei Gott mit absoluter Sicherheit begegnet und nicht berührt ist von einem Schatten der Unsicherheit, dann läuft etwas schief. (...) Wenn einer Antworten auf alle Fragen hat, dann ist das der Beweis dafür, dass Gott nicht mit ihm ist. (...) Die großen Führer des Gottesvolkes wie Moses haben immer Platz für den Zweifel gelassen."

"Ich habe viele Autoren geliebt, die sehr unterschiedlich sind.

Dostojewskij und Hölderlin liebe ich sehr. Von Hölderlin möchte ich das Gedicht zum Geburtstag seiner Großmutter erwähnen, das eine große Schönheit besitzt. Es ist für mich auch spirituell sehr schön."

"Unter den Malern bewundere ich Caravaggio. Seine Bilder sprechen zu mir. Aber auch Chagall mit seiner weißen Kreuzigung (...) Bei der Musik liebe ich Mozart - natürlich. Das "Et incarnatus est' aus der Messe in C-Moll ist unübertrefflich: Es trägt dich zu Gott. (...) Es gefällt mir, Beethoven zu hören, er ist prometheisch. Der am meisten an Prometheus herankommt, ist Furtwängler. Und dann die Passionen von Bach. Das Stück von Bach, das ich so liebe, ist das "Erbarme Dich', das Weinen Petri in der Matthäus-Passion. Es ist so sublim! Auf einer anderen Ebene liebe ich dann - nicht auf die gleiche innerliche Weise

- Wagner. Es gefällt mir, ihn zu hören, aber nicht immer."

"'La strada' von Fellini ist vermutlich der Film, den ich am meisten geliebt habe. Ich identifiziere mich mit diesem Film, in dem es einen impliziten Bezug zum heiligen Franz von Assisi gibt."

 

 

Papst Franziskus (dpa)
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