Radio Vatikan über die Außenpolitik des Papstes

Worte, die gehört werden

Im Syrien-Konflikt erhebt der Papst als weltpolitischer Akteur die Stimme. Der Konflikt enthalte "alle Zutaten, um in einem Weltkrieg zu explodieren". Anne Preckel (Radio Vatikan) sieht neue außenpolitische Akzente im Vatikan, aber keine Revolution.

Papst Franziskus (dpa)
Papst Franziskus / ( dpa )

domradio.de: Die Äußerungen des Papstes zum Syrien-Konflikt, die Wahl des neuen Kardinalstaatssekretärs Erzbischof Parolin. Da schreibt die römische Tageszeitung "La Repubblica" über den Beginn einer Revolution im Vatikan. Sehen Sie das auch so?

Preckel: Naja, Revolution ist vielleicht ein sehr starkes Wort. Ich würde sagen, man müsste noch etwas abwarten, was da noch passiert. Der Friedensapell ist natürlich ein ganz konkreter griffiger Aufruf des Papstes in Bezug auf die Syrienkrise, der auch jetzt schon eine sehr große Resonanz erfahren hat. Sie haben die Ernennung des Staatssekretärs genannt. Sie war ja schon lange erwartet worden. Franziskus hat sich da etwas Zeit gelassen. Das ist auch schwer jetzt schon zu sagen, was diese wichtige Personalentscheidung für Vatikan und Weltkirche bedeutet. Tatsache ist, dass Pietro Parolin ein anderes Profil hat als Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, der ja Mitte Oktober den Platz räumen wird. Er ist mit 58 noch recht jung für den Posten, verfügt aber über breite diplomatische Erfahrungen sowohl in der Weltkirche als auch über Erfahrungen in der Kurie. Kardinal Tauran bescheinigt ihm außergewöhnliches Verhandlungsgeschick bei Missionen in China, Vietnam und dem Nahen Osten. Auch in Südamerika, in Venezuela, wo er bisher Nuntius war, soll er bei der Annäherung von Kirche und Staat diplomatische Meisterarbeit geleistet haben. Also ein Karrierediplomat mit polyglottem Profil. Was das jetzt außenpolitisch für den Vatikan bedeutet, ist abzuwarten, aber das hört sich ganz positiv an. Er verfügt, wie gesagt, auch über Erfahrungen im Vatikan, ist Experte im Kirchenrecht, war Untersekretär im Staatssekretariat. Er dürfte also auch bei der Kurienreform nicht sprachlos bleiben.

domradio.de: Schauen wir noch einmal auf das Friedensgebet am kommenden Samstag. Papst Franziskus hat dazu aufgerufen, Katholiken in aller Welt sollen gegen den Krieg fasten und beten. Das erinnert an Johannes Paul II. Der hatte zu einem solchen Tag 2003 aufgerufen, gegen die US-Angriffe auf den Irak. Bedeutet das denn vielleicht: Die Ausrichtung des Vatikan wird wieder politischer?

Preckel: Wenn die Kirche für Anliegen aller eintritt, besonders für die der Benachteiligten, dann ist das natürlich ganz grundsätzlich auch politisch. Papst Franziskus hat mit dem Appell für den Frieden in Syrien am Sonntag in gewisser Weise den Ruf der Päpste fortgesetzt. Sie haben Johannes Paul erwähnt. Er hatte gegen den Krieg im Kosovo 1999 aufgerufen, gegen den Krieg im Irak 2003. Da sprach er von der Pflicht dagegen zu sprechen und rief auch einen Tag des Fastens und Betens aus Wir können auch an die Radiobotschaft von Pius XII. bei Radio Vatikan 1933 denken, wo der Papst unterstrich "Nichts ist verloren mit dem Frieden". Oder Papst Paul VI. - sein berühmter Satz 1965 vor der UNO-Vollversammlung "Nie wieder Krieg!", den Franziskus ja am Sonntag auch aufgegriffen hat. Also das hat Kontinuität. Aufhorchen lässt, dass der Papst am Sonntag, ausgehend von der Friedensenzyklika Pacem in Terris von Johannes XXIII., dazu aufgerufen hat, ein ganzes Netz des Friedens zu bilden, das über Religions- und Kulturgrenzen hinausreicht. Er sagt ja, der Schrei nach Frieden möge laut aufsteigen. Also von unten. Ganz konkret an jeden hat er sich da gewandt. Und das ist schon ein Akzent, der ansprechend ist. Und er hat sich auch nicht nur an Christen gewandt, er hat sich auch an Nichtchristen, andere Religionen gewandt, um den Krieg zu unterbinden.

domradio.de: Und genau das wird wahrgenommen von den syrischen Muslimen. Was kann denn so ein Friedensgebet ganz konkret politisch bewegen?

Preckel: Das ist eine schwierige Frage. In der Tat hat der Appell große Resonanz in der muslimischen Welt erfahren. Syriens Großmufti hat den Wunsch geäußert, am Friedensgebet auf dem Petersplatz teilzunehmen. Er hat seine Gemeinschaft in Damaskus dazu aufgerufen, dass dann auch aufzugreifen und dann für den Frieden in Syrien zu beten. Und das wird auch sicher passieren. Ob in Syrien, Jordanien, Israel, Ägypten. Dort werden sicherlich auch Muslime guten Willens diesen Appell des Papstes aufgreifen und beten und fasten. Fasten spielt ja auch im Islam eine wesentliche Rolle. Andererseits muss man sagen: Ein Gebetsaufruf ist freilich keine Friedensmission der Vereinten Nationen. Es ist auch nicht mit einem militärischen Eingriff zu vergleichen. Das ist sozusagen kein Aktionismus, sondern es ist eher ein Atemholen, eine Bedenkpause. Aber die Stimmung, die da flächendeckend erzeugt werden kann, über diese ganzen Gebetsinitiativen, in den einzelnen Gemeinschaften und Ländern, das könnte, denke ich, einen günstigen Boden bereiten, auch für z.B. die Genf 2 -Konferenz oder andere Bemühungen für realen Frieden dann auch in Syrien.

Das Interview führte Verena Tröster

 


Quelle:
DR