Castel Gandolfo leidet unter der Abwesenheit des Papstes

"Das kostet uns Tausende"

In diesem Jahr bleibt die prachtvolle päpstliche Sommerresidenz in Castel Gandolfo leer und Franziskus in Rom. Zu viel Luxus in Zeiten, in denen sich viele Italiener keinen Urlaub leisten können, begründete er die Entscheidung. Der Ort leidet.

Autor/in:
Christoph Schmidt
Castel Gandolfo: Sommerresidenz des Papstes / © Berthold Werner
Castel Gandolfo: Sommerresidenz des Papstes / © Berthold Werner

Gelb-weiße Vatikan-Flaggen an den adretten Häusern bauschen sich leicht im Wind. Ein angenehmes Lüftchen durchzieht die Gassen von Castel Gandolfo fast immer - viel wert mitten im italienischen Juli. Das liegt an der Höhe. 130 Meter über dem Albaner See schmiegt sich das Städtchen an den bewaldeten Wall eines riesigen Vulkankraters. Seit der Antike zieht es um diese Zeit wohlhabende Römer in die Gegend, die der stickigen Hitze ihrer Metropole entkommen wollen. Seit 400 Jahren schlossen sich ihnen fast alle Päpste an.

Ein Schock

Die Menschen hier oben haben es geahnt, als das neue Kirchenoberhaupt demonstrative Bescheidenheit zu seinem Markenzeichen erhob. Sie sind auf die Einnahmen aus dem Papsttourismus angewiesen. "Es war ein Schock für uns, dass er nicht kommt", sagt Alfredo. An den Tischen seiner Hosteria auf dem schmalen Corso della Repubblica, der direkt auf den Apostolischen Palast zuläuft, sitzt um ein Uhr mittags nur ein fragender Reporter.

Tausende werde ihn Franziskus' Abwesenheit kosten, und das mitten in der Krise, befürchtet Alfredo. "Das ist mein Beitrag zur Kurienreform." Ein bisschen Verständnis hat er schon für die Entscheidung. Trotzdem: Unter Benedikt XVI. seien allein aus Deutschland bis zu 8.000 Pilger in die Stadt geströmt, wenn er sonntags das Angelus betete oder am Mittwoch im Innenhof zur Generalaudienz empfing, behauptet der Wirt.

Auf den deutschen Papst, der hier Ende Februar seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte, konnten sich die Gandolfiner verlassen. Er kam im Juli mit der Präzision eines Uhrwerks, schrieb hier an Büchern und Enzykliken. "Hier finde ich alles: Berge, einen See - ich kann sogar das Meer sehen - und nette Leute." Das Benedikt-Zitat steht auf einer Tafel am kleinen Rathaus. Sogar einen Brief hat Bürgermeisterin Milvia Monachesi an Franziskus geschrieben, um ihm die Sommerfrische Latiums und das wirtschaftliche Wohl ihrer Mitbürger ans Herz zu legen. Die Angst gehe um, dass Franziskus nun jeden Sommer wegbleibt. "Wir müssen wohl unser Angebot vergrößern und mehr auf Natur- und Kulturtourismus setzen."

Bettina Götte, Reiseleiterin, kennt den Betrieb. Sie führt seit 26 Jahren Besucher nach Castel Gandolfo und ist gerade mit einer Gruppe aus Hessen unterwegs. Bus-Touristen wollten den Papst sehen oder zumindest das Gefühl haben, dass er gerade hinter den Mauern ist.

Fehlende europäische Perspektive?

"Sie bleiben dann rund eine Stunde in der Stadt, in der Zeit konsumieren sie. Die Leute hier kommen jetzt ins Schlingern." Aber für Franziskus habe Armut eben ganz andere Dimensionen. Der kenne die Slums und sage sich vielleicht: "Wer keinen Umsatz macht, stirbt ja noch nicht." Da fehle ihm wohl die europäische Perspektive.

Immerhin will der Papst zu Mariä Himmelfahrt am 15. August in Castel Gandolfo eine Messe feiern. Beim letzten Besuch vor einer Woche marschierte er wieder geradewegs in die Menge, schüttelte Hände und trieb seinen Sicherheitsbeamten den Schweiß in den Nacken. Wenn sie ihn mal bei sich haben, die Gandolfiner, dann zumindest ganz aus der Nähe.

Zum Schluss findet sich doch noch einer, der der päpstlichen Abstinenz etwas abgewinnen kann. Und das ist ausgerechnet Don Pietro, der Pfarrer der kleinen Barockkirche San Tommaso. Für einen Ortspfarrer falle immer irgendetwas an, wenn gleich nebenan der Papst wohnt. Fast habe ihm Franziskus in diesem Jahr "einen Gefallen" getan. "Aber den muss er mir nicht jedes Jahr tun."

In der Zwischenzeit bleibt Castel Gandolfo also, was es von September und Juli immer ist: ein hübsches Fleckchen Erde und der wohl berühmteste Name auf der "Liste der schönsten Dörfer Italiens". Mit einer prächtigen Aussicht auf den See, aber bis auf weiteres wohl mit unsicheren Aussichten in die Zukunft.


Quelle:
KNA