Seit 100 Tagen ist Papst Franziskus im Amt

Frischer Wind und gespannte Erwartungen

Seit 100 Tagen ist vieles anders im Vatikan. Papst Franziskus hat frischen Wind und vor allem einen neuen Stil in die römische Kirchenzentrale gebracht: neue Formen der Kommunikation und Begegnung sowie eine neue Einfachheit und Bescheidenheit.

Kardinal Bergoglio wurde am 13. März 2013 vom Konklave zum neuen Papst gewählt.  (KNA)
Kardinal Bergoglio wurde am 13. März 2013 vom Konklave zum neuen Papst gewählt. / ( KNA )

Der argentinische Kardinal Jorge Mario Bergoglio, der Mitte März überraschend und nach kurzem Konklave gewählt wurde, geht mit Charisma und gewinnender Herzlichkeit auf die Menschen zu. Er bewegt die Massen und gewinnt Herzen, findet in seinen Ansprachen den richtigen Ton. Pilger und Besucher strömen zu seinen Audienzen und Gottesdiensten. Allerdings fragen manche nach 100 Tagen nach dem genauem Kurs, Profil und Programm des neuen Pontifikats - und wann die fälligen Reformen und Personalveränderungen beginnen.

Sicher waren manche erste Erwartungen an das neue Kirchenoberhaupt überzogen. Nach dem 13. März meinte man, der 76-Jährige werde rasch eine radikale Reform der Kurie samt einer Neuausrichtung der Kirche auf den Weg bringen. Franziskus hat unterdessen deutlich gemacht, dass er sich in Kontinuität zu seinem Vorgänger und zum kirchlichen Lehramt sieht; dass er seine Reformen behutsam und mit Geduld angehen will. Er hat seine ersten Wochen zu vielen Gesprächen mit Kurienleitern und Experten genutzt, um sich zunächst einen Überblick über die ihm neue Welt der Kurie zu verschaffen.

Freilich gibt es bereits einige klare Signale: Mehrfach hat Franziskus seine Rolle als Bischof von Rom sowie die Kollegialität im Episkopat und die hohe Bedeutung der Bischofssynode betont. Und er hat eine Arbeitsgruppe von acht Kardinälen aus allen Kontinenten berufen, die ihn in der Kirchenleitung beraten und bei der Kurienreform unterstützen soll.

Das bedeutet freilich, dass strukturelle Veränderungen erst nach der ersten Sitzung dieser Gruppe Anfang Oktober zu erwarten sind. Und dass man auch auf einen neuen Kardinalstaatssekretär wird warten müssen - der maßgeblich die Veränderungen umsetzen und den Apparat neu justieren muss.

Deutlich ist unterdessen die pastorale Ausrichtung des neuen Pontifikats. Franziskus ist kein Ausnahme-Theologe wie Benedikt XVI.; er wird vermutlich nicht wie dieser auf höchstem intellektuellen Niveau die geistige Auseinandersetzung von Glaube und Zeitgeist vorantreiben. Er bringt - trotz seiner Erfahrungen während der argentinischen Diktatur - wohl nicht das politische Gespür des Polen Johannes Paul II. (1978-2005) mit, der maßgeblich zur Wende 1989/90 beitrug. Und auch nicht das Organisationstalent des Diplomaten Paul VI. (1963-1978), der die Kurie im Detail kannte - und reformierte.

Franziskus erscheint vielmehr wie der "Hirte" - den etliche Kardinäle vor dem Konklave als die neue Leitfigur gefordert hatten.

Der neue Papst beeindruckt mit seinem Charisma, seiner Authentizität. Er wohnt weiter gemeinsam mit 50 Kurienprälaten im Gästehaus Santa Marta; offenbar hat er Angst vor Einsamkeit im Apostolischen Palast. Seine knappen, mitunter zugespitzten Botschaften zu christlichen Alltagsleben wirken glaubwürdig. Nicht wenige fühlen sich an den seligen Johannes XXIII. (1958-1963) erinnert.

Wie dieser dürfte er die Option für die Armen, den Einsatz für soziale Gerechtigkeit zu einem starken Thema seines Pontifikats machen. Weitere Akzente könnte er in der Ökumene sowie im interreligiösen Dialog setzen - auch wenn der angekündigte Nahost-Gipfel von Christen, Juden und Muslimen bislang nur eine Idee und noch kein konkreter Plan ist. Aus Franziskus' bisherigen "politischen" Ansprachen kann man auf eine Fortsetzung der klassischen Vatikan-Linie folgern: Einsatz für Frieden durch Dialog, für Gerechtigkeit, für Solidarität. Aber auch die Bewahrung der Schöpfung und Förderung einer menschlichen Ökologie dürften seine Themen werden.

Diese Konturen wird Franziskus freilich noch schärfen müssen. Und sicher wird der Italo-Argentinier, der den schnellen Sprachwitz liebt, seine Formulierungen künftig noch sorgfältiger bedenken. Denn als Papst steht er stets im Rampenlicht. Ein rasch dahingesprochener Satz wirkt mitunter anders, wenn er schriftlich und ohne Kontext publik wird.

Nach 100 Tagen ist es noch zu früh, einen genauen Kurs auszumachen. Bald beginnt die lange Sommerpause, die Franziskus nicht in den Alpen oder in Castel Gandolfo, sondern in Santa Marta verbringen will. Im Herbst wird man wohl mehr Klarheit über sein Programm und seine Regierungsmannschaft haben.

 


Quelle:
KNA