Papst und Primas schlagen neues Kapitel auf

Hoffnungsträger unter sich

Papst Franziskus und Anglikaner-Primas Justin Welby treffen sich zum ersten Mal - zwei Amtsträger, die es geschafft haben, Hoffnungen in einer Zeit zu wecken, in der ihre traditionsreichen Kirchen von vielen schon als Auslaufmodelle gehandelt werden.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 Papst Franziskus und Prima Welby (dpa)
Papst Franziskus und Prima Welby / ( dpa )

Dabei dürfte die beiden Steuermänner bei aller Unterschiedlichkeit der Biografie  wesentlich mehr verbinden, als dass sie ihr Amt in derselben Woche im März angetreten und eine Vorliebe für öffentliche Verkehrsmittel haben. Man wird sich bei dem Treffen am Freitag (14.06.2013) zunächst wohl vor allem freundlich beschnuppern, und die Rolle der Finanzmärkte soll ein Thema sein, wie der Vatikan im Vorfeld mitteilte. Doch es könnte auch schon in Teilen die Frage beantwortet werden, wie sich Franziskus und der anglikanische Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, künftig in der katholisch-anglikanischen Verständigung positionieren. Und vielleicht reicht das Vertrauen ja auch bereits dafür, dass sich die beiden über jene Baustellen austauschen, mit denen sie innerhalb ihrer eigenen Gemeinschaft zu kämpfen haben.

Nach dem Bruch des englischen Königs mit Rom und der Errichtung einer englischen Staatskirche im Jahr 1534 herrschte über Jahrhunderte Eiszeit - bis zum ökumenischen Tauwetter der 1960er Jahre. Über ein halbes Jahrtausend reiste kein einziger Erzbischof von Canterbury ins "papistische" Rom - geschweige denn umgekehrt. Der letzte Primas von England, der die römische Kurie besuchte, war Thomas Arundel: 1397, noch lange vor der Reformation.

Doch die relative theologische Nähe des Anglikanismus zum Katholizismus sorgte dafür, dass nach 1960 binnen weniger Jahrzehnte sogar schon von der Möglichkeit einer künftigen Rückkehr zur vollen Kirchengemeinschaft die Rede war. Solchen Hoffnungen verpasste Anfang der 90er Jahre die anglikanische Zulassung von Frauen zum Priesteramt einen starken Dämpfer. Seitdem hat jede neue Liberalisierung in Fragen der Kirchendisziplin dieses Ziel wieder weiter entfernt. Seit 2009 gibt es - bei aller gut funktionierenden Ökumene zwischen Rom und Canterbury - sogar katholische Strukturen für übertrittswillige Anglikaner.

Welby: klare, kompetente Worte

Gleichwohl pflegten Welbys Vorgänger Rowan Williams (2002-2012) und der emeritierte Papst Benedikt XVI. (2005-2013) eine Art intellektueller Freundschaft. Beide großen Denker liebten den eher unemotionalen, akademischen Diskurs. Beide fühlten sich einer Überwindung der vielfältigen Kirchenspaltungen verpflichtet. Und beide hatten stark mit den Zentrifugalkräften des Säkularismus und mit Streitigkeiten innerhalb der eigenen Kirchengemeinschaft zu kämpfen. Jede ihrer Gesten, jede ihrer Äußerungen in Richtung der kirchlichen Linken oder Rechten wurde argwöhnisch beäugt und kommentiert.

Ihre beiden Nachfolger verkörpern jeweils einen neuen Typus. Welby (57), Ehrenoberhaupt von rund 77 Millionen Anglikanern weltweit, besticht durch klare, kompetente Worte zu wirtschaftsethischen Fragen - war er doch vor seiner überraschenden Wahl im November lange Zeit Finanzmanager im Öl-Geschäft. Zudem ist er von entwaffnender und beeindruckender menschlicher Offenheit, joggt in kurzen Hosen an der Themse und bestellt persönlich indische Fertiggerichte vom Schnellimbiss in seinen Amtssitz.

Eine andere Art christlicher Sozialverkündigung

Papst Franziskus (76), Oberhaupt von weltweit 1,2 Milliarden Katholiken, hat seit seiner Wahl Begeisterung hervorgerufen. Aus vielen seiner Gesten und Worte spricht der Wille zu einem neuen Stil im Vatikan; der Wille zu materieller Bescheidenheit, ja gewählter Armut. Dahinter steht allerdings auch ein harter Kern, sprich eine unbedingte Entschlossenheit zum Vorleben der christlichen Botschaft und eine ethisch konservative Gesinnung. Mit Spannung bleibt abzuwarten, was das für eine interkonfessionelle Verständigung angesichts von geplanter "Homo-Ehe" in Großbritannien oder die Bischofsweihe für Frauen und Homosexuellen bedeuten wird.

Noch ist es zu früh, Vorhersagen über die Zukunft des anglikanisch-katholischen Verhältnisses treffen zu wollen. Sicher ist, dass in punkto Bereitschaft zur Ökumene und persönlicher Sympathiewerte beide neuen Kirchenführer über einen großen Vertrauensvorschuss verfügen können. Primas Welby und Papst Franziskus: Hoffnungsträger für eine andere Art christlicher Sozialverkündigung.


Quelle:
KNA