Bundeskanzlerin trifft überraschend Franziskus

Merkels dritter Papst

Bundeskanzlerin Angela Merkel war lange nicht im Vatikan. Die ganzen knapp acht Jahre des Pontifikats von Benedikt XVI. hat sie den Boden des päpstlichen Staates nicht betreten. Doch in diesem Jahr ist alles anders.

Autor/in:
Volker Resing
Merkel bei Franziskus' Amtseinführung / © Bundesregierung/Bergmann
Merkel bei Franziskus' Amtseinführung / © Bundesregierung/Bergmann

Zur Amtseinführung von Papst Franziskus am 19. März kam sie in den Petersdom. Und jetzt, nur zwei Monate später, will sie gleich noch einmal Mal nach Rom reisen. Für den Samstag vor Pfingsten ist eine 45-minütige Privataudienz mit dem neuen Kirchenoberhaupt vorgesehen, wie ein Regierungssprecher am Freitag in Berlin mitteilte.

Eine Überraschung ist dieser Antrittsbesuch aus mehreren Gründen. Bislang hat sich die vatikanische Diplomatie meist verschlossen gezeigt, wenn ein Regierungschef in einem Wahljahr den Papst treffen wollte. Das sieht Franziskus offenbar nicht so eng. In Deutschland sind am 22. September Bundestagswahlen.

Keine gemeinsame Sprache mit Benedikt

Merkel und die Päpste - das war nicht immer ganz einfach. Bei ihrem ersten Besuch im Vatikan 2003 kam sie noch mit schwarzem Schleier und traf im Apostolischen Palast einen schon sichtlich geschwächten Papst Johannes Paul II. Thema war der Irakkrieg. Die Ansichten gingen auseinander. Der polnische Pontifex hatte sich um Frieden bemüht und sich gegen den US-Präsidenten gestellt. Merkel hingegen hatte Georg W. Bushs Vorgehen in transatlantischer Verbundenheit verteidigt. Es war die Zeit, als Grünen-Außenminister Joschka Fischer im Vatikan mit mehr Sympathie empfangen wurde als die christdemokratische Oppositionsführerin.
Damals lernte sie auch den Kurienkardinal Joseph Ratzinger kennen.

Sie sprachen über das Christliche in der Politik und wie es um die C-Partei CDU bestellt sei. Gegenseitiger Respekt ist damals gewachsen, eine besondere Nähe wohl nicht. Als Ratzinger Papst wurde, war Merkel noch nicht Bundeskanzlerin. Sieben Monate nach seiner Wahl stieg Merkel in das höchste Regierungsamt auf. Die beiden mächtigsten Deutschen haben in der Welt fast acht Jahre lang ein ungleiches Paar abgegeben. Doch der bayerische Katholik und die ostdeutsche Protestantin sind sich in ihrer rationalen Strenge und persönlichen Uneitelkeit möglicherweise ähnlicher, als man denkt. In der Öffentlichkeit allerdings fanden sie nicht recht zusammen, fanden keine gemeinsame Sprache.

Gefallen an Franziskus

Die deutsche Regierungschefin traf den deutschen Papst im Amt drei Mal, doch nie im Vatikan. 2006 besuchte sie Benedikt XVI. an seinem Sommersitz in Castel Gandolfo. Zweimal begegneten sich beide bei den Deutschlandreisen des Papstes. Eine Äußerung Merkels am Rande einer Pressekonferenz 2009 belastete das Verhältnis stark. Damals kritisierte die Kanzlerin den Papst für den ihrer Meinung nach zögerlichen Umgang mit den antisemitischen Äußerungen des Traditionalisten-Bischofs Richard Williamson. Es gehöre zur deutschen Staatsraison, dass eine Leugnung des Holocaust nicht unkommentiert im Raum stehen könne. Sie verlange vom Vatikan eine "sehr eindeutige" Erklärung.
Beim neuen Papst scheint das Vergangene nun vergessen. Merkel gratulierte als erste von elf Regierungschefs am Tag der Amtseinführung unter der Kuppel des Petersdoms dem neuen Papst.

Bewegt zeigte sie sich später von den Erlebnissen im Vatikan. Sie lobte die verständliche Sprache von Franziskus, seine Art, sich den Menschen zuzuwenden. Es scheint geradezu das Unrömische an dem lateinamerikanischen Pontifex zu sein, das der Protestantin Merkel besonders gefällt. Der römische Prunk sei ihr suspekt, soll sie einmal gesagt haben. Womöglich lädt sie Franziskus nun nach Berlin ein. Ob Merkel ihn dann allerdings noch als Bundeskanzlerin begrüßen kann, hängt von den Wahlen im September ab.


Quelle:
KNA