Ingo Brüggenjürgen zieht in Rom Bilanz

Viele Höhepunkte

Zehn Tage war domradio.de-Chefredakteur in Rom und berichtete über Konklave und den neuen Papst. Im Kommentar-Interview zieht er eine durchweg positive Bilanz.

Ingo Brüggenjürgen im Vatikan (DR)
Ingo Brüggenjürgen im Vatikan / ( DR )

domradio.de: Bei all den vielen Eindrücken - was waren denn die Momente, die besonders im Gedächtnis bleiben werden?

Brüggenjürgen: Also es waren viele Höhepunkte, die sich hier aneinandergereiht haben. Aber für mich war ein erster Höhepunkt schon der Einzug ins Konklave, wo die verschiedenen Kardinäle ganz feierlich in die Sixtinische Kapelle einzogen. Da hatte ich ein bisschen ein mulmiges Gefühl und hab gedacht: Oh Gott, was denn dabei rauskommt. - Was dabei raus kommt sah man später, nämlich als der Schornstein immer wieder im Blick war. Ich selber war an dem Tag den ganzen Nachmittag auf dem Petersplatz um das zu beobachten. Es war schrecklich unangenehm und kalt und ich war kurz davor nach Hause zu gehen - nach dem Motto, das wird hier sowieso nichts mehr - und als dann wirklich der weiße Rauch kam  und die Glocken erklangen - ein unbeschreibliches Gefühl, weil es wurde von der Masse getragen. Außer Schornstein und Glockenklang gab es nichts, aber es erreichte irgendwie eine Grundstimmung, die ich in meinem Leben nicht mehr vergessen werde.

domradio.de: Eigentlich gilt Papst Franziskus nicht als ambitionierter Kleriker. Er wollte angeblich gar nicht Papst werden. Jetzt hat man aber den Eindruck, er füllt sein Amt mit viel Freude aus. Stimmt dieser Eindruck, den wir so über die Fernsehbilder bekommen?

Brüggenjürgen: Also mein Eindruck ist auch auf jeden Fall, dass sich hier nicht einer ins Amt gedrängt hat. Es ist ähnlich wie bei seinem Vorgänger Benedikt XVI., Joseph Ratzinger, der das Amt auch nicht unbedingt wollte, aber als es dann auf ihn zulief, das Amt angenommen hat. So erscheint es mir jetzt hier auch bei Bergoglio. Er sagt, das ist jetzt einfach immer mehr auf ihn zugelaufen. Und ich fand es sehr schön, wie er die Geschichte erzählt hat, beim Treffen mit den Journalisten, wo er deutlich gemacht hat: Ich saß da in der Sixtinischen Kapelle und dann wurde es langsam bedrohlich, sprich ich kriegte immer mehr Stimmen, und dann nahm mich mein Nachbar an die Seite und sagte: Vergiss die Armen nicht! Und in dem Augenblick ist mir deutlich geworden, ich muss mich Franziskus nennen. Franziskus weil das derjenige war, der sich ohne Wenn und Aber für die Armen, für die, die am Rande stehen, eingesetzt hat. Franziskus weil das derjenige gewesen ist, der einen Sonnengesang geschrieben hat und sich für die Schöpfung eingesetzt hat - das ist heute notwendiger denn je. Und Franziskus, der ein Mann des Friedens war. Und wenn ich mir die ganzen Kriege anschaue, ist das wichtig. Also dieser Mann wollte es nicht, aber hat dann ein Programm daraus gemacht - ein sehr zukunftsweisendes Programm.

domradio.de: Du hast in diesen Tagen auch viel mit Bischöfen und Kardinälen gesprochen - Kardinal Meisner, Kardinal Woelki oder mit dem Präfekten der Glaubenskongregation im Vatikan. Hat sich denn die Freude des Papstes auf sie auch übertragen?

Brüggenjürgen: Oh ja! Das war am Anfang so, dass die eigentlich auch nicht so richtig wussten, wo die Reise hingehen sollte. Man kann nicht sagen, dass die Kardinäle von Anfang an das Votum des Heiligen Geistes erkannt haben. Das hat auch Kardinal Meisner sehr deutlich gemacht, indem er gesagt hat: Also beim ersten Mal, da  wussten wir ja noch überhaupt nicht, wo das so hin ging. Aber es wurde dann doch schon, das hat Kardinal Woelki deutlich gemacht, am Morgen sehr deutlich, dass sich da Bergoglio immer mehr herausschälte. Und dann wurde diese Begeisterung glaube ich schon unter den Kardinälen in der Sixtinischen Kapelle erzeugt. Und spätestens, als er dann in weiß aus der Kammer der Tränen rauskam, der Kammer, wo er sich umgezogen hat, und sich nicht auf den Stuhl gesetzt hat, sondern allen auf Augenhöhe begegnet ist, haben die Kardinäle diese Begeisterung schon gespürt und gemerkt, da haben wir mit Hilfe des Heiligen Geistes genau den richtigen gefunden und diese Freude hat sich eigentlich dann von den Kardinälen, über die Bischöfe, auf das Personal, ja eigentlich auf die ganze Gläubigenschar, die gestern hier die große Einführung auf dem Petersplatz gefeiert hat, übertragen.

domradio.de: Wie geht es denn jetzt für den neuen Papst weiter? Was steht denn heute auf dem Programm?

Brüggenjürgen: Der Papst hat ein anstrengendes Programm. Das gilt für die ganzen nächsten Tage. Natürlich sind eine ganze Reihe von Pflichtterminen, die es zu absolvieren gibt für einen Heiligen Vater. Viele wollen jetzt mit ihm ganz schnell sprechen. Viele seiner engsten Mitarbeiter müssen auch schnell mit ihm sprechen. Heute hat man auf die normale Mittwochsaudienz verzichtet, weil ja gestern dieser große Gottesdienst mit mehreren hunderttausend Menschen gefeiert wurde. Heute um 11 Uhr wird es ein Treffen geben mit den verschiedenen Vertretern der religiösen Gruppen - viele Religionsvertreter waren hier in Rom, waren gestern schon hier und werden heute die Gelegenheit nutzen dem Papst ein bisschen näher zu kommen. Das steht also heute auf dem Programm. Dann viele andere Begegnungen und am Samstag dann das Treffen mit seinem Vorgänger im Amt - in Castel Gandolfo - Papst Benedikt XVI. Man muss ja genauer sagen, dem emeritierten Papst. Das wird auch nochmal ganz spannend sein, ob wir da Bilder von zu sehen bekommen oder ob das ein Treffen im Verborgenen sein wird, wie Benedikt das angekündigt hat.

domradio.de: Nochmal abschließend. Was ist nach diesen ersten Tagen Dein Fazit?

Brüggenjürgen: Ja, das ist schwierig. Also ich glaube die Kardinäle haben das mit Hilfe des Heiligen Geistes sehr gut gemacht! Es ist ein Mann gefunden worden, der im richtigen Augenblick auf dem Stuhl Petri Platz nimmt. Der gerade mit seinem Programmnamen ein deutliches Zeichen gesetzt hat, hinter das er auch nicht mehr zurückkommt und der wahrscheinlich prophetische Zeichne geben kann. Wir müssen allerdings auch aufpassen, dass wir ihn jetzt nicht mit Erwartungen überfrachten. Wenn ich gelesen habe, was jedermann von diesem Heiligen Vater alles erwartet, von den verschiedensten Verbänden, Einrichtungen aus der Politik - jeder hat so seine Erwartungen, was ein Papst alles machen muss, das geht überhaupt nicht. Und von daher würde ich auch sagen, wir müssen alle ein bisschen diesen Erwartungshorizont reduzieren, damit er überhaupt einigen Sachen gerecht werden kann. Für mich wäre es schon ein sehr schönes Signal, wenn wir wegkommen von Schornstein und roten Schuhen und wenn wir uns auf die Glaubensinhalte konzentrieren, die Papst Franziskus vermitteln will. Er hat gesagt um Christusnachfolge muss es gehen. Darum passt auch Franziskus so gut - das war jemand, der sich der Christusnachfolge ganz und gar verschrieben hat und dadurch eben viele Menschen auf den Weg gebracht hat - auf den Weg des Glaubens und der Frohen Botschaft. Wenn das Franziskus gelingt, dann wäre das für dieses 21. Jahrhundert ein sehr schönes Signal.