Der deutsche Jesuiten-Provinzial über den neuen Papst

"Jesuiten sehen sich als Diener"

Er ist der erste Jesuit auf dem Heiligen Stuhl ‑ Papst Franziskus. Der Provinzial der deutschen Provinz Pater Stefan Kiechle im domradio.de-Interview.

Pater Stefan Kiechle (KNA)
Pater Stefan Kiechle / ( KNA )

domradio.de: Der neue Papst ist Jesuit .
Stefan Kiechle: Ich war sehr überrascht, weil es das in der Geschichte noch nie gab und weil wir Jesuiten von unserem Auftrag her solche Ämter sicher nicht anstreben und nicht wollen und es schon sehr ungewöhnlich ist.

domradio.de: Haben Sie denn gefeiert, als die Entscheidung bekanntgegeben wurde?
Kiechle: Nein, gefeiert haben wir nicht. Wir haben uns gefreut, und fünf Minuten nach der Bekanntgabe klingelte schon das Telefon, und dann waren wir damit beschäftigt.

domradio.de: Wie haben denn Ihre Ordensbrüder sonst reagiert? Sie haben dann die Anfragen beantwortet, aber was haben Sie sonst noch getan?
Kiechle: Zunächst einmal waren wir wirklich alle sehr überrascht, und natürlich stellt sich für uns wie für alle Christen die Frage: Wer ist dieser Papst und wie wird er diese Aufgabe erfüllen? Und darüber haben wir uns ausgetauscht.

domradio.de: Ein Jesuit als Papst – in welcher Art und Weise könnte sich das jetzt auf Franziskus‘ Pontifikat auswirken?
Kiechle: Zunächst einmal ist der jetzige Papst ja schon 20 Jahre Bischof gewesen, und so lange ist er ja praktisch schon ausgeschieden aus dem Orden und ist eigenverantwortlich und hat da seine eigene Aufgabe. Die Prägung kommt eher von seiner Ausbildung her, die er vor Jahrzehnten vom Orden bekommen hat, und da spielen etwa unsere Spiritualität, unser Geist sicher eine Rolle, und das hat ihn sicher geprägt.

domradio.de: Interessanterweise hat der neue Papst sich ja jetzt nicht nach seinem eigenen Ordensgründer benannt, also nicht nach Ignatius von Loyola, sondern nach dem Ordensgründer der Franziskaner, dem Heiligen Franziskus. Erwartet uns da jetzt ein jesuitischer Papst mit franziskanischem Programm?
Kiechle: Das kann man vielleicht so sagen, und das hängt sicher auch damit zusammen, dass der Heilige Ignatius selbst im 16. Jahrhundert stark von Franziskus inspiriert war, also da gibt es eine innere Nähe zwischen diesen beiden großen Heiligen der Kirche. 

domradio.de: Der Vatikansprecher Lombardi hat gesagt: Jesuiten sehen sich als Diener, nicht als Autoritäten in der Kirche. Muss man denn jetzt befürchten, dass sich der neue Papst eventuell nicht durchsetzen kann?
Kiechle: Das glaube ich nicht, denn auch im Orden haben wir natürlich Autoritäten, es gibt Führung, wir sind sogar ein recht hierarchischer Orden. Der neue Papst war immerhin auch Provinzial der argentinischen Provinz, er war lange Erzbischof. Wenn Lombardi sagt, dass wir Diener seien, dann meint er, dass wir uns in der Regel natürlich von jemandem senden lassen und dann im Auftrag der Kirche irgendwo arbeiten und das als Dienst verstehen. Wir streben also Führungsämter nicht an, aber wenn sie uns sozusagen von höherer Stelle aufgetragen werden, dann nehmen wir sie auch an.

domradio.de: Was bedeutet das denn jetzt für die Jesuiten der deutschen Provinz, dass der Heilige Vater ein Jesuit ist?
Erzbischof Kiechle: Zunächst einmal ändert sich da nicht sehr viel – wir haben ja ein eigenes Papstgelübde, lassen uns vom Papst senden. Und da wird sicher das Verhältnis unseres Ordens weltweit mit dem Papst und dem Papsttum, mit dem Heiligen Stuhl sich vielleicht noch einmal neu justieren müssen. Was das bedeutet, kann man aber jetzt noch überhaupt nicht absehen.