Von Anfang an begleiteten Päpste die Einigung des Kontinents

Überzeugte Europäer

Wenn am Dienstag mit Franziskus erstmals ein nichteuropäischer Papst vor dem EU-Parlament in Straßburg sprechen wird, lohnt ein Blick auf seine Vorgänger und ihr Verhältnis zum Jahrhunderprojekt Europäische Einheit.

Autor/in:
Christoph Schmidt
1988: Papst Johannes Paul II. spricht vor dem Europarat (KNA)
1988: Papst Johannes Paul II. spricht vor dem Europarat / ( KNA )

Sein Name fiel in den vergangenen Tagen immer wieder: Papst Johannes Paul II. (1978-2005) gilt vielen als wichtigster Impulsgeber auf dem Weg zum Mauerfall vor 25 Jahren und Mentor für den europäischen Einigungsprozess. Aber auch seine Vorgänger unterstützten das Jahrhundertprojekt von Anfang an. Schon Benedikt XV. (1914-1922) mahnte nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs zur Versöhnung im Sinne der europäischen Idee. Pius XII. (1939-1958) rief zur Einheit nach einem noch größeren Gemetzel auf. Am Dienstag wird mit Franziskus erstmals ein nichteuropäischer Papst vor dem EU-Parlament in Straßburg sprechen.

Europa und die Päpste: Über Jahrhunderte dominierte ihr Anspruch auf weltliche Macht die Geschichte des Alten Kontinents und blieb Rom so etwas wie dessen eigentliche Hauptstadt. Kaum eine andere Institution hat die abendländische Kultur so geprägt wie die katholische Kirche.

Doch im Zeitalter von Nationalstaaten und Säkularisierung sank der päpstliche Einfluss rasant. Erst der Beginn überstaatlicher Strukturen nach dem Zweiten Weltkrieg schien auch dem universal ausgerichteten Katholizismus neue politische Ansätze und den Päpsten wieder eine größere moralische Autorität in europäischen Fragen zu bieten - als alte Experten sozusagen.

Schon drei Jahre nach Kriegsende skizzierte Pius XII. den Gedanken einer "Europäischen Union". Es waren dann vor allem katholische Politiker wie Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Außenminister Robert Schuman, die in den 1950er Jahren zunächst auf wirtschaftlichem Gebiet den Abbau von Grenzen angingen. Die Folge war im Jahr der Wahl Johannes' XXIII. (1958-1963) die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. In seiner Friedensenzyklia "Pacem in terris" betonte der Papst den engen Zusammenhang zwischen ökonomischer Verflechtung und dem Verzicht auf Krieg und Gewalt.

Den Ausbau hin zur Europäischen Gemeinschaft (ab 1967) und Brüssels Einfluss auf immer weitere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens begleitete Paul VI. (1963-1978) mit konkreten politischen Appellen. Als Ziele formulierte er etwa Vollbeschäftigung, materielle Gerechtigkeit im Sinne der Katholischen Soziallehre, den Schutz christlicher Bildung und Erziehung. Die Einrichtung einer Nuntiatur in Brüssel betonte den Anspruch des Heiligen Stuhls, in Europa mitzureden. Dass er anerkannt wurde, zeigte unter anderem die Einladung einer päpstlichen Delegation zur KSZE-Konferenz 1973 bis 1975.

Mit der Wahl eines Papstes aus Polen gewann die unter Paul VI. begonnene neue vatikanische Ostpolitik dann ungeahnte Dynamik. Immer wieder pochte Johannes Paul II. darauf, dass die europäische Idee nicht am Eisernen Vorhang ende, sondern von Portugal bis an den Ural ausstrahlen müsse. Kaum ein europäisches Land ließ der "Reisepapst" bis 1989 aus. Gleichzeitig predigte er vehement gegen die fortschreitende Säkularisierung in Europa, für den Lebensschutz und das christliche Familienbild. Beide Aspekte - der politische wie der ethische - standen 1988 im Zentrum seiner Rede vor dem EU-Parlament, weniger als ein Jahr vor dem Zusammenbruch des Ostblocks. Dass die europäische Verfassung 2004, kurz vor seinem Tod, jeden Bezug auf die christlichen Wurzeln des Kontinents vermied, hat ihn schwer getroffen.

Die Verdrängung des Religiösen aus dem Leben der Europäer wurde auch einer der zentralen Kritikpunkte von Papst Benedikt XVI. (2005-2013). Er wollte zeigen, dass die säkularen Werte der Aufklärung wie Freiheit und Menschenrechte letztlich aus dem Evangelium stammten und nicht ohne Gott auskämen. Auch ihn luden die EU-Parlamentarier ein, doch wahrnehmen konnte er die Gelegenheit nicht mehr.

Nun aber Franziskus, der Argentinier. Europas Weg aus der Katastrophe und den Kalten Krieg hat er nur von ferne erlebt. Ob und welche Vision er in Straßburg für die alternde Mutter der Weltmission entwickelt, dürfte spannend werden. Der alleinige Bezug auf die Nächstenliebe und Barmherzigkeit mit den Armen wird vielen angesichts einer europäischen Identitätskrise wohl nicht reichen.


Quelle:
KNA