Was in der Karwoche theologisch passiert

Am Palmsonntag wird "wild gewunken"

Orgel und Glocken verstummen und die Lichter in den Kirchen verlöschen. Am Palmsonntag beginnt für Christen die Karwoche. Domdechant Robert Kleine erklärt, warum die Karwoche für Christen so wichtig ist.

Palmzweige und Kreuze aus Palmzweigen / © Cristian Gennari (KNA)
Palmzweige und Kreuze aus Palmzweigen / © Cristian Gennari ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was feiern wir oder an was denken wir am Palmsonntag?

Monsignore Robert Kleine (Kölner Stadt- und Domdechant): Das ist quasi zweigeteilt: Mit dem Palmsonntag beginnt die wichtigste Woche des Jahres, die Karwoche. Wir hören im Gottesdienst die Passion, also die Geschichte Jesu – von dem letzten Abendmahl über die Verhaftung, die Verurteilung, seine Kreuzigung bis zur Grablegung. Das gibt es in allen Gottesdiensten.

Das Besondere ist, dass in einigen Gottesdiensten auch eine Palmweihe stattfindet. Dazu wird das Evangelium vom Einzug Jesu in Jerusalem vorgelesen. Dann werden Palmzweige oder Buchsbaumzweige gesegnet. In der Regel zieht die Gemeinde auch einen gewissen Weg vom Ort der Segnung in die Kirche hinein.

DOMRADIO.DE: Der Überlieferung nach haben die Menschen damals Jesus, als er nach Jerusalem eingezogen ist, mit Palmen begrüßt und gefeiert. Das ist der Hintergrund, richtig?

Kleine: In den Evangelien heißt es unterschiedlich, sie legten Kleider auf den Weg, als Jesus mit dem Esel nach Jerusalem einzieht, und sie rissen Zweige von den Bäumen. Wieder bei einem anderen Evangelisten heißt es, sie nahmen sich Sträucher von den Feldern. Auf jeden Fall wurde da wild gewunken und auch der Weg bereitet, indem auf den Staub Kleider und Sträucher gelegt wurden.

DOMRADIO.DE:  Jetzt haben wir hier in Deutschland keine Palmen, also auch keine richtigen Palmzweige, sondern nutzen klassischerweise stattdessen ein anderes Gewächs: den Buchsbaum. Der Dom macht da eine Ausnahme? 

Kleine: Am Dom ist es Tradition, dass es für den Erzbischof und für das Domkapitel richtige Palmenzweige gibt. Aber es sind auch ganze Körbe voll mit Buchsbaumzweigen bestellt worden.

DOMRADIO.DE:  Der Esel spielt eine ganz große Rolle. Warum ist der so fundamental wichtig am Palmsonntag?

Kleine: Jesus reitet nicht wie ein König auf einem Pferd, sondern auf einem Esel. Es ist natürlich ein Tier, das in einer gewissen Demut im Vergleich zum Pferd dasteht. Auch in vielen Krippen werden Maria und Josef auf der Flucht nach Ägypten auf einem Esel dargestellt.

Natürlich wird die Leute auch erstaunt haben, dass Jesus mit diesem Esel nach Jerusalem kam. Eben nicht als großer Herrscher, auch wenn Jesus zugerufen wird: "Hosanna, dem König, dem Sohn Davids!". Lange Zeit gab es die Tradition, dass sogar der Geistliche, der die Prozession leitet, auf einem Esel gezogen wurde, auf dem sogenannten "Palm-Esel". Im Kölner Schnütgenmuseum gibt es noch einen. Aber das machen wir am Dom schon seit Jahrzehnten, wenn nicht schon seit Jahrhunderten, nicht mehr.

DOMRADIO.DE: Warum ist dieser Palmsonntag morgen für Sie persönlich ein wichtiger Tag?

Kleine: Nach der langen Fastenzeit ist es natürlich der mentale Einstieg in diese wirklich besondere Woche. Für mich ist das immer ein besonderes Erleben.

Wir beginnen hier in Köln in der Minoritenkirche mit diesem Evangelium, in dem noch "Hosianna!" gesungen wird. Da freuen sich die Leute, da jubeln sie ihm zu, da setzen sie Hoffnung in ihn. Dann gehen wir das kurze Stück über den Wallrafplatz in den Dom und hören dort die Passion. Da wird sehr schnell klar: Jetzt ist Ende mit "Hosianna", am Ende klingen sogar die Rufe "Kreuzige ihn!". Plötzlich wird also die Erwartung, die die Menschen in Jesus gesetzt haben, nicht direkt erfüllt. Er ist nicht der Umstürzler, er vertreibt nicht die Römer. Deshalb lässt sich die Masse ganz schnell umlenken und schreit "Kreuzige ihn!".

Das lädt alle ein, bewusst durch die Karwoche zu gehen und dann sicherlich auch den Gründonnerstag, Karfreitag und die Osternacht ganz besonders mitzufeiern.

DOMRADIO.DE: Berührt Sie das nach wie vor persönlich sehr?

Kleine: Ja, zum einen das Hören des Textes und zum anderen sicherlich auch, was jetzt in der Karwoche geschieht. Das ist mit vielen Zeichen verbunden. Am Palmsonntag sind es die Zweige, die dann traditionell an die Kreuze gesteckt werden, auch zu Hause. Dann gibt es die Fußwaschung, die Stille des Gründonnerstags – keine Glocken läuten mehr, die Orgel klingt nicht – und die Kreuzverehrung am Karfreitag.

Das sind alles Dinge, die uns wirklich vom Gefühl her sehr berühren und noch einmal deutlich machen: Wir spielen nicht irgendetwas nach, was damals einmal geschah, sondern etwas, das auch heute noch Realität ist. Deshalb feiern wir mit umso mehr Freude am Ende das Osterfest.

Das Gespräch führte Martin Mölder.

Quelle:
DR