Über das richtige Timing für die Auferstehungsfeier

"Dies ist die Nacht"

Die österliche Auferstehungsfeier ist voller uralter Symbole. Ihre archaischen und elementaren Zeichen verfügen über eine ungeheuere Wirkung und Prägekraft. Deshalb sollte ihr Zeitpunkt wohlbedacht sein.

Autor/in:
Wolfgang Bretschneider
Pfarrer mit Osterkerze / © Harald Oppitz (KNA)
Pfarrer mit Osterkerze / © Harald Oppitz ( KNA )

In den liturgischen Texten der Osternacht kommt das Wort "Nacht" rund 30 Mal vor. Ein eindeutiges Indiz dafür, dass die Ostervigil eine Nachtfeier ist. In der offiziellen Einführung steht es unmissverständlich: "Die Feier findet in der Nacht statt; sie soll nicht vor Einbruch der Dunkelheit beginnen und nicht nach der Morgendämmerung des Sonntags enden." Über den richtigen zeitlichen Ansatz wird indes immer noch heftig debattiert. Jede Gemeinde weiß sich zu rechtfertigen. Doch welche Argumente sind wirklich überzeugend?

Streit um Zeitpunkt

Eine Vorabendmesse von Ostern mit eingestreuten Zeremonien der Ostervigil um 18.30 Uhr verfehlt ihr Ziel. Warum aber wird immer noch um den stimmigen Zeitpunkt gestritten? Weil die jetzige Ordnung erst vor 55 Jahren durch Papst Pius XII. eingeführt worden ist. Es war 1951 eine fast schon revolutionäre Entscheidung, eine Frucht der Liturgischen Bewegung. Denn bereits ab dem 14. Jahrhundert war die Ostervigil auf den Morgen des Karsamstags gewandert.

Die Gründe dafür waren zum Teil skurril. Diese Feier fand mehr oder weniger unter Ausschluss der Gemeinde statt. Ihr Aufbau: Segnung des Feuers, der Osterkerze, zwölf Lesungen (Prophetien), Weihe des Taufwassers, Ostermesse mit Vesper. Dass die Einzigartigkeit der ursprünglichen Ostervigil mit ihrer unvergleichlichen Symbolik von Nacht und Licht zerstört worden war, liegt auf der Hand. Es wundert auch nicht, dass das Bewusstsein von der österlichen Existenz bei den Gläubigen wenig ausgeprägt war.

Es brauchte vier Jahrhunderte, bis sich "die beim Hahnenschrei vom Fasten zum Fest umschlagende Ostervigil" entwickelt und gefestigt hatte. Sie hörte mit der Nacht nicht auf, sondern wurde noch eine ganze Woche gefeiert, die vom vierten bis neunten Jahrhundert auch arbeitsfrei war. Mittel- und Höhepunkt war die Osternacht - als Abschluss des einen Gottesdienstes, der am Gründonnerstag begonnen hatte, die Feier der "heiligen drei Tage".

"Mutter aller Nächte"

Alle Gottesdienste des Kirchenjahres wurzeln in ihr. Ihr Bogen spannt sich von der Schöpfung bis zur Parusie, der Wiederkunft Jesu Christi. Es gibt kein theologisches und spirituelles Thema, das nicht in ihr gründet. Deshalb hat Augustinus sie auch als die "Mutter aller Nächte" ("mater omnium vigiliarum) bezeichnet - ausgezeichnet mit den wertvollsten Symbolen und Feierformen.

Sie will die Menschen mit hineinnehmen in das heilsgeschichtliche Drama von Tod und Auferstehung. Dabei wollen die uralten Symbole der Nacht, des Lichtes, des Feuers und Wassers "sagen", was mit Worten allein nicht zu sagen ist. Es sind archaische und elementare Zeichen mit einer ungeheuren Wirkung und Prägekraft.

Dem Licht kommt sicherlich die wichtigste Bedeutung zu. Um wirklich seine Botschaft zu erfassen, braucht es den Hintergrund: die Dunkelheit, die Nacht. Auch sie ist ein Symbol von geheimnisvoller Kraft, bedrückend und faszinierend, bedrohlich und bergend. Für den Christen wird sie zur Nacht des Unheils und des Heils! Sie verbirgt und verhüllt. Deshalb ist sie "die Mutter alles Schönen, so wie alles Furchtbaren" (Karl Philip Moritz, 1881).

"Jesus Christus - Licht der Welt"

Auf grandiose Weise lässt die Osternacht die Menschen diese ambivalenten Dimensionen erfahren, existentiell, nachhaltig. Den Gläubigen wird nicht nur etwas vorgespielt; sie werden vielmehr selbst mit hineingenommen in die kosmische Heilsdramaturgie mit ihrem Mittelpunkt: "Jesus Christus - Licht der Welt".

Diese Botschaft lässt sich im liturgischen Jahr nirgends sonst so intensiv wie in der Ostervigil erfahren. Sie macht auch noch einen anderen Aspekt deutlich: Wer dem Auferstanden begegnen will, muss sich - noch zu nachtschlafender Zeit - auf den Weg machen. Was die Jünger einst erlebt hatten, bleibt auch dem Christen nicht erspart: die Enttäuschung, das Warten und Ausharren, die Ungeduld und das Zweifeln. Wer will, dass die Prägekraft und Nachhaltigkeit der Symbole sich entfalten, braucht die entsprechende Kompetenz.

Erlebnisdichte in den Stunden der Dunkelheit

Das "Tun als ob" ist der Tod jeder Liturgie. Das Osterfeuer auf einer kleinen Schale unter der Orgelempore zu entzünden, die Osterkerze in eine mit elektrischem Licht erleuchtete Kirche zu tragen, das "Exultet" und das Halleluja zu sprechen, die Gemeinde nur von vorne zu besprengen und anderes mehr kastriert die liturgische Vitalität.

Welch eine Spannung und Erlebnisdichte liegen in den Stunden der Dunkelheit, des sich ausbreitenden Lichtes und der aufgehenden Morgensonne, wo als Höhepunkt die Eucharistie gefeiert wird! Wer sich darauf einlässt, kann erleben, was Roger Schutz treffend gesagt hat: "Unsere christliche Existenz besteht darin, dass wir beständig das Ostergeheimnis leben: lauter kleine Tode, gefolgt von Ansätzen einer Auferstehung." Zur Osternacht gibt es keine Alternative!

Feier der Osternacht

Die zentrale Feier der Auferstehung des Herrn ist die Vigil, die Nachtfeier. Denn die Auferstehung geschieht in der Nacht. Die Heilige Schrift kennt keine Zeugen der Auferstehung selbst, sie berichtet von Zeugen, die in der Morgenfrühe dem Auferstandenen begegnet sind. Das Geheimnis dieser Nacht – die Auferstehung des Herrn, an der uns Christen Anteil geschenkt wird – entfaltet die Liturgie in vier Schritten:

Feier der Osternacht im Kölner Dom  / © Nicolas Ottersbach  (DR)
Feier der Osternacht im Kölner Dom / © Nicolas Ottersbach ( DR )
Quelle:
KNA