Autor Prinz über „demokratisierte“ Zugänge zu Jesus

Immer wieder Emmaus

„Wir werden immer wieder den Weg der Emmaus-Jünger gehen“, sagt der Autor Alois Prinz im domradio.de-Interview. Mit seiner Jesus-Biografie will er Bibel-Erfahrungen „demokratisieren“.

Die Jünger treffen den auferstandenen Jesus / © Joker Island/ wikimedia commons
Die Jünger treffen den auferstandenen Jesus / © Joker Island/ wikimedia commons

domradio.de: Es gibt schon so viele Biografien über Jesus, was gibt es denn Neues zu erzählen?

Alois Prinz: Ich habe mir auch einen Überblick verschafft und es sind schon gewaltige Berge. Ich wollte die Sache aber etwas anders angehen. Ich wollte für Leute schreiben, die nicht unbedingt in der Religion, in der Kirche zu Hause sind und vor allen Dingen kann man die meisten Bücher nur verstehen, wenn man ein paar Semester Theologie studiert hat und die sind meist überfrachtet mit Fachbegriffen. Ich wollte eine Biografie schreiben, die von allen Leuten zugänglich ist. Vor allem wollte ich eine Geschichte Jesu erzählen, die deutlich macht, dass das, was da in der Bibel steht, Alltagserfahrungen sind, wo jeder einen Zugang finden kann. Deswegen habe ich auch versucht - hauptsächlich über Kunst und Literatur - das so deutlich zu machen, dass jeder spürt, es geht mich an.
 

domradio.de: Inwiefern meinen Sie das mit Alltagserfahrungen?

Alois Prinz: Normalerweise trennt man das ab und sagt, hier ist der Alltag und Religion ist eine andere Sache, da muss man glauben, da muss man quasi eine andere Welt betreten. Ich glaube einfach, dass das, was wir erleben, tagtäglich im Umgang mit Menschen, mit Menschen, die wir lieben, mit Menschen, die wir verlieren, Tod und Sterblichkeit und unserer Sehnsucht danach, dass es einmal weitergehen könnte, dass das Dinge sind, die uns täglich betreffen. Ich möchte eigentlich nur die Erfahrung, wie sie in der Bibel steht "demokratisieren" und eine gewisse Empfindlichkeit schaffen dafür, dass das, was da geschrieben wird, uns alle betrifft und dass das jeden angeht.

domradio.de: Sie betonen mehrfach in dem Buch, dass Jesus auch ein Ärgernis war, eine große Herausforderung für die Menschen seiner Zeit. Nach seiner Kreuzigung waren viele enttäuscht und hoffnungslos. Dann erscheint er den Emmaus-Jüngern und neue Zuversicht ist möglich. Wodurch?

Alois Prinz: Die Geschichte von den Emmaus-Jüngern, wie sie bei Lukas geschildert wird, ist ja wunderbar. Sie schildert genau die Situation damals, man darf sich da keinen Illusionen hingeben. Es war so, dass sogar die engsten Vertrauten von Jesus enttäuscht waren, sie haben sich ganz andere Vorstellungen gemacht, sie dachten, das ist ein Prophet, das ist ein Revolutionär, der sie von der römischen Herrschaft befreit. Das alles war er nicht und dann kam es öfter in der Bibel vor, dass Jesus immer wieder sagt „Ärgert Euch nicht“, weil er anscheinend dauernd die Leute geärgert hat, weil er nicht ihren Vorstellungen entsprach. So war es auch bei den Emmaus-Jüngern, alle sind nach dem Tode Jesu enttäuscht und dann begleitet er sie nach Emmaus, er ist plötzlich da und sie erkennen ihn immer noch nicht und denken immer noch, er ist ein Prophet und dann gehen sie gemeinsam in einen Gasthof und er bricht das Brot und plötzlich heißt es: Wir erkennen ihn und im gleichen Moment verschwindet er. Das heißt, wenn Sie das, was er gesagt hat, wirklich in Fleisch und Blut übergeht und wenn Sie das verstehen und das Ihr Existenzrecht betrifft, dann brauchen Sie den sichtbaren Jesus nicht mehr, dann ist er da und lebt weiter, auch wenn er nicht mehr greifbar und sichtbar ist. Das ist ein Umschwung, der immer wieder in der Bibel beschrieben wird und der auch heute immer noch genau so gilt. Wir werden immer wieder den Weg der Emmaus-Jünger gehen.

domradio.de: Begreifen Sie auch so die Auferstehung Jesu?

Alois Prinz: So begreife ich sie. Ich glaube, das ist ein existenzielles Erlebnis. Etwas, was Jesus immer wieder angekündigt hat. Er hat ja Zeit seines Lebens, was er gesagt und getan hat, immer wieder darauf hingewiesen, dass das Leben zwar ein Anfang und ein Ende hat, aber dass es etwas gibt, was darüber hinaus geht, ein großes Ganzes indem wir aufgehoben sind, das hat er immer schon gesagt, nur hat das keiner verstanden oder nicht so verstanden. Wirkliches Verstehen und Erkennen, so wie es in der Bibel verstanden wird, das heißt, dass die Existenz verändert wird. Im Grunde genommen war das genau das Ergebnis und Erlebnis der Jünger nach dem Tod Jesus, dass sie verstanden und erkannt haben, was er gesagt hat und das ist eine Botschaft, die bedeutet, dass der Tod nicht das letzte Wort ist und dass etwas darüber hinausgeht und dass wir umfangen sind von einer göttlichen Wirklichkeit, die Liebe bedeutet und die uns die Sicherheit oder den Glauben gibt, dass eben der Tod nicht das letzte Wort hat.

domradio.de: Sie schreiben auch von einer Tiefe der Liebe, die über alle Vorstellungen hinausgeht. Wie viel Wissenschaft, wie viel Glaube steckt in Ihrer Jesus-Biografie?

Alois Prinz: In meiner Jesus-Biografie steckt viel Wissenschaft, ich bin keiner, der da naiv drangegangen ist. Ich muss mich natürlich mit der Forschung beschäftigen, was man über den historischen Jesus sagen kann. Das ist mir sehr wichtig. Ich möchte aber diese zwei Dinge, die aber normalerweise immer in Konkurrenz zueinander treten, in Verbindung bringen. Ich möchte sehr wohl sagen, wie Jesus damals gelebt hat, wie die Zeitumstände waren, was die politischen Umstände waren, was man sagen kann, wie Jesus von Nazareth beispielsweise aufgewachsen ist, aber gleichzeitig möchte ich darüber hinaus auch deutlich machen, was er gesagt hat und wie man das, was er gesagt hat, nicht nur in seiner Zeit verstehen muss, sondern darüber hinaus für alle Zeiten gültig ist. Ich bin jetzt keiner, von dem ich sagen würde, ich bin ein absolut gläubiger Mensch, aber ich bin ein Suchender und wie es in der Bibel heißt „mit brennendem Herzen“ und deswegen ist  für mich ein Anliegen gewesen, diesen Dingen nachzuspüren.

domradio.de: Das ist jetzt bestimmt nicht einfach, aber wie würden Sie die Osterbotschaft in Worte fassen?

Alois Prinz: Es ist ganz einfach: Gott ist die Liebe. Das heißt, dass wir auch zu Lebzeiten aus einem Vertrauen leben können, das übermächtig ist und dass wir uns gar nicht vorstellen können und dass Vertrauen auch heißt, dass wir nach dem Tod auch nicht ins Nichts fallen, sondern wie es so schön heißt, in die Hände Gottes fallen und dass von dort aus immer uns darauf verlassen können, dass wir von etwas umgeben sind, dass uns nicht übel will, uns nicht täuschen will, sondern dass uns gut sein will und dieses Vertrauen ist etwas, was die Botschaft zu Ostern uns mitteilen will.

Das Interview führte Heike Sicconi (domradio.de).
 


Quelle:
DR