Kirchentag begrüßt frühere Bischöfin mit stehenden Ovationen - Bibelarbeit hier nachhören

Als ob nichts gewesen wäre

Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, hat ihre Kritik am Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr bekräftigt. "Ich wünsche mir weiterhin mehr Fantasie für den Frieden", sagte die frühere hannoversche Landesbischöfin am Donnerstag beim 2. Ökumenischen Kirchentag in München. Zu ihrer Bibelarbeit kamen rund 6.000 Menschen in eine dicht gefüllte Messehalle.

 (DR)

Es war der erste Auftritt der 51-jährigen evangelischen Theologin vor einem großen Publikum seit ihrem Rücktritt von allen kirchlichen Leitungsämtern Ende Februar. Damals zog Käßmann die Konsequenzen aus einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss. Die Kirchentagsbesucher begrüßten sie mit stehenden Ovationen. Der evangelische Präsident des Ökumenischen Kirchentages, der Medizinprofessor Eckhard Nagel, dankte Käßmann zu Beginn der Bibelarbeit für ihre Bereitschaft, am Christentreffen mitzuwirken.

Ein besonderer Moment
«Wir alle spüren, dass das ein besonderer Moment ist», sagte Nagel unter dem Applaus des Publikums. Käßmann sei ein «Vorbild für viele und ein Bild für Vertrauen». Käßmann, die im schwarzen Kleid und weißem Blazer gekommen war, zeigte sich auf dem Podium mit einem Lächeln, aber zugleich sichtlich bewegt: «Vielen Dank für das herzliche Willkommen, das tut mir gut.»

In der Bibelarbeit nahm sie auf ihren Rücktritt indirekt Bezug, indem sie formulierte: «Depression kann den Himmel verdunkeln oder auch der Tod eines Menschen. Der Verlust des Arbeitsplatzes. Eine verlorene Liebe. Eine rote Ampel ...» Käßmann hatte bei ihrer Autofahrt in Hannover beim Rechtsabbiegen eine rote Ampel überfahren und war danach von Polizisten gestoppt worden.

"Ich lasse mich gern lächerlich machen"
Zur Afghanistan-Debatte sagte sie, der Krieg am Hindukusch habe bisher mehrere tausend Opfer unter der Zivilbevölkerung gefordert. Käßmann nannte einige der 91 afghanischen Opfer, die beim Angriff auf einen Tanklastzug Anfang September bei Kunduz ums Leben gekommen waren, beim Namen. Zugleich nannte sie die Namen mehrerer getöteter Bundeswehrsoldaten.

«Ich lasse mich gern lächerlich machen, wenn Menschen mir sagen, ich sollte mich mit Taliban in ein Zelt setzen und bei Kerzenlicht beten», sagte Käßmann unter dem Beifall der Zuhörer. In der dortigen Kultur sei das durchaus eine Form, Frieden zu schließen, jedenfalls wesentlich eher als das Bombardement von Tanklastzügen. Es entspreche auch der christlichen Kultur. «Ich lasse mir auch gern Naivität vorwerfen. Lieber bin ich naiv, als dass ich mich Geist, Logik und Praxis von Waffenhandel und Krieg heute beuge.»

"Nein, es ist nicht alles gut"
Käßmann hatte Anfang Januar als EKD-Ratsvorsitzende für den Satz «Nichts ist gut in Afghanistan» in einer Predigt heftige Kritik geerntet. Der damalige Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), hatte erklärt, es sei naiv, in Afghanistan mit Gebeten und Kerzen Frieden schaffen zu wollen wie vor 20 Jahren die DDR-Opposition.

In ihrer Bibelarbeit über die Arche Noah und das Symbol des Regenbogens variierte Käßmann ihre umstrittenen Aussagen: «Nein, es ist nicht alles gut. Nicht in der Kirche, dem Land, der Welt, in Klimafragen, in Afghanistan.»