Ökumene vor dem Kirchentag - weder Eiszeit noch Frühling

Glut, Schweiß und Tränen

Über den Feuer spuckenden Krater von einst ist Gras gewachsen. Die Zeiten der glühendroten mächtigen Lavaströme sind vorerst vorbei. Nicht vom Eyjafjallajökull, Ätna oder Pinatobu ist die Rede, sondern vom "Vulkan Ökumene", einem Symbol für die Zusammenarbeit der getrennten Kirchen. Eine Bilanz.

Autor/in:
Thomas Winkel
 (DR)

Der Vulkan liegt im Herzen Europas - zwischen Rom und Wittenberg, wo die katholische und die evangelische Erdplatte aneinanderstoßen. Kurz vor dem Ökumenischen Kirchentag, der Mitte Mai in München steigt, lodert das Feuer nicht mehr. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, stellt nüchtern fest, der «große ökumenische Enthusiasmus» sei verschwunden. Immerhin: Tief im Innern des Berges herrscht beständige Glut.

Und manchmal rumort es. Etwa wenn der protestantische Theologe Friedrich Schorlemmer medienwirksam seinen Kirchentags-Boykott verkündet. Gut 100.000 Teilnehmer sind bereits angemeldet, der ehemalige DDR-Bürgerrechtler protestiert durch Abwesenheit. Er begründet das mit «römischer Anmaßung» und fest angezogener «Ökumene-Bremse».

Grollen war auch zu hören, als Margot Käßmann kurz und knapp kundtat, von Papst Benedikt XVI. erwarte sie in Sachen Ökumene «nichts». Sozusagen Nullkommanull. Da war sie noch Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Ihr kommissarischer Nachfolger Nikolaus Schneider geht dezent auf Distanz. «Meine Position ist: Wir sind in der Zeit der Bewahrung dessen, was wir erreicht haben.» Deutlicher der Kölner Kardinal Joachim Meisner: Die Ökumene stehe keineswegs auf Sparflamme und liege beim Papst «in den besten Händen».

Die beiden großen Kirchen, denen gemeinsam der Wind des Missbrauchsskandals ins Gesicht bläst, steuern weder auf eine ökumenische Eiszeit zu, noch auf einen zweiten Frühling.
«Metheologen» prophezeien: überwiegend leicht bedeckt, ohne viel Sonnenschein, aber auch ohne Blitz und Donner.

In Kommissionen und Konferenzen ringen Experten um Themen wie Abendmahl und Amt, Hierarchie und Heilige, Zweites Vatikanum und Zölibat. Zähe Arbeit, die manchen Schweißtropfen kostet. Hin und wieder kommt es zu bahnbrechenden Annäherungen wie bei der «Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre». Bei vielen Veranstaltungen arbeiten die Kirchen Hand in Hand - auch im politischen Berlin, wenn es beispielsweise um Stammzellen oder Sterbehilfe geht.

Allerdings: Zuletzt rückten protestantische Amtsträger immer mal wieder von gemeinsamen Positionen ab, etwa mit Zugeständnissen zum «Embryonenverbrauch» oder zur Sterbehilfe. Dass sich die Nachfahren Luthers von der Einheitsübersetzung der Bibel verabschiedeten, sorgte auf katholischer Seite ebenfalls für Stirnrunzeln. Fünf Jahrhunderte nach der Reformation kommt es bei ökumenisch Engagierten bisweilen zu Resignation, vereinzelt sogar zu Tränen.

Umgekehrt ernten Katholiken Kritik, weil der Vatikan in den reformatorischen Kirchen «nicht Kirchen im eigentlichen Sinn» sieht. Oft bemängelt wird zudem die fehlende Abendmahlsgemeinschaft; auch im offiziellen Programm des Münchner Kirchentags wird es keine gemeinsame Mahlfeier geben. Hintergrund des Streits: Die reformatorischen Kirchen laden auch andere Getaufte zum Abendmahl ein. Dagegen versteht die katholische Kirche die Altargemeinschaft als Ausdruck der Einheit in Glaube und Lehre. Und die sei nun mal noch nicht erreicht.

Bischof Gerhard Ludwig Müller etwa, der in der Bischofskonferenz für Ökumene zuständig ist, lehnt die von Basisgemeinden gerne propagierte «ökumenische Gastfreundschaft» beim Abendmahl ab und spricht von «Etikettenschwindel». In nicht wenigen Gemeinden freilich wird die Interkommunion bei Einzelpersonen stillschweigend toleriert, vor allem bei gemischt-konfessionellen Ehepaaren. An der Basis ist manches üblich, was offiziell «nicht geht».

Erzbischof Zollitsch sieht den Kirchentag als Chance, dass sich die Christen gemeinsam Gehör verschaffen und die Frage nach Gott wachhalten. Nicht ausgeschlossen, dass der nach wie vor aktive Vulkan nochmals ausbricht.