Kirchentag nimmt Arbeit auf - Zahlreiche Politiker erwartet

Jetzt wird angepackt

Nach Gottesdiensten zum Fest Christi Himmelfahrt nimmt der Ökumenische Kirchentag am heutigen Donnerstag seine inhaltliche Arbeit auf. Dazu werden in München auch zahlreiche Politiker erwartet. Auf dem Programm stehen Bundesbildungsministerin Annette Schavan, Innenminister Thomas de Maiziere (beide CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).

 (DR)

Für die SPD haben Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Generalsekretärin Andrea Nahles ihr Kommen zugesagt. Die Grünen sind durch ihre Vorsitzenden Cem Özdemir und Claudia Roth vertreten.

Erstmals im Arbeitsteil wird das Thema Missbrauch behandelt. Der Titel der Diskussion lautet "Nichts gesehen, nichts gehört, nichts gesagt?" Daran beteiligen sich die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Christine Bergmann, und weitere Fachleute - wie die Mitbegründerin des Opferschutzvereins "Zartbitter" in Köln, Ursula Enders.

Auftakt, der Hoffnung macht
Katholiken und Protestanten hatten am Mittwoch mit mehreren Gottesdiensten den 2. Ökumenischen Kirchentag feierlich eröffnet. Führende Geistliche und Politiker nahmen in Predigten und Grußworten Bezug auf die aktuelle Vertrauenskrise der Kirchen und verwiesen auf das Kirchentagsmotto "Damit ihr Hoffnung habt".

Die Bischöfe der gastgebenden Kirchen, der evangelische bayerische Landesbischof Johannes Friedrich und der katholische Münchner Erzbischof Reinhard Marx, hielten beim zentralen Eröffnungsgottesdienst am Mittwochabend auf der Theresienwiese eine Dialogpredigt. Friedrich sagte, die christliche Hoffnung gebe Halt in einer von Unsicherheiten geprägten Welt und überwinde menschliche Not. Erzbischof Marx hob die Aufgabe der Kirche hervor, den Menschen Sicherheit zu geben. Deshalb wiege es «umso schwerer», dass kirchliche Amtsträger die Hoffnung von Menschen enttäuscht hätten.

Grußbotschaft vom Papst
Papst Benedikt XVI. rief die Christen dazu auf, sich trotz der Missbrauchsfälle weiter in der Kirche zu engagieren. Die Fälle, die in den vergangenen Monaten bekannt geworden seien, drohten die Freude an der Kirche und die Hoffnung zu «verdunkeln», so Benedikt. Das Kirchenoberhaupt sprach in seinem von Erzbischof Marx verlesenen Grußwort davon, dass es «Unkraut» gerade auch inmitten der Kirche unter denen gebe, die Gott in besonderer Weise in seinen Dienst genommen habe. Zugleich äußerte sich Benedikt zuversichtlich, dass das Licht Gottes nicht untergegangen sei. Der Papst hält sich derzeit zu einem viertägigen Besuch in Portugal auf.

Käßmanns Comeback
Bereits einige Stunden vor Beginn des Kirchentags trat Margot Käßmann erstmals nach ihrem Rücktritt als Ratsvorsitzende EKD wieder öffentlich auf. In einer Buchhandlung im Münchner Stadtzentrum stellte sie ihr Buch «Das große Du - Das Vaterunser» vor. Vor drei Monaten hatte Käßmann nach einer Trunkenheitsfahrt am Steuer ihres Dienstwagens im Februar alle kirchlichen Leitungsämter niedergelegt.
Käßmann sagte vor rund 300 dicht gedrängten Besuchern, das Nachdenken über das Vaterunser passe gut an den Anfang eines Ökumenischen Kirchentages: «Es erinnert daran, dass uns Christen mehr gemeinsam ist als uns trennt.»

Köhlers Appell
Bundespräsident Horst Köhler appellierte in einem Grußwort an evangelische und katholische Christen, sich nicht mit einem Nachlassen des ökumenischen Schwungs abzufinden. «Dieser Ökumenische Kirchentag kommt genau zur rechten Zeit», sagte Köhler laut Redemanuskript mit Blick auf die Vertrauenskrise, der die Kirche gegenwärtig ausgesetzt sei. «Führungsversagen, Missbrauch, Misshandlung - all das hat zu einer schweren Krise geführt», sagte das Staatsoberhaupt und mahnte zu Aufklärung und Zuwendung zu den Opfern. Unter dem Eindruck des Missbrauchsskandals dürfe allerdings nicht vergessen werden, «wie viel Gutes durch gläubige Menschen getan wird».

Erfahrungen von Hoffnung teilen
Der evangelische Theologe Günter Ruddat rief in einem der drei Eröffnungsgottesdienste zu Optimismus auf. Christen sollten ihre Geschichten und Erfahrungen von Hoffnung teilen, sagte der Bochumer Professor für Praktische Theologie auf dem Marienplatz. Es gelte, «neu das Hoffen zu lernen mit vielen anderen Menschen aus Deutschland und der ganzen Welt». Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), Friedrich Weber, forderte in seiner Predigt auf dem Odeonsplatz eine Allianz des Friedens gegen den Terrorismus. Diese dürfe nicht nur auf das Christentum beschränkt sein, sondern müsse die «Gläubigen und Frommen im Islam und im Judentum ebenfalls einladen», sagte Weber, der auch braunschweigischer evangelischer Landesbischof ist.

Unter dem Leitwort «Damit ihr Hoffnung habt» finden in München bis Sonntag rund 3.000 Veranstaltungen statt. 2003 hatten Protestanten und Katholiken erstmals gemeinsam zu einem Kirchentag eingeladen, damals nach Berlin. Von den rund 125.000 angemeldeten Dauerteilnehmern in München sind nach Angaben der Veranstalter knapp 58 Prozent evangelisch und knapp 40 Prozent katholisch. 58 Prozent der Teilnehmer sind Frauen. Besonders stark vertreten sind Schüler und Studenten mit einem Anteil von 38 Prozent. Neun Sonderzüge brachten Besucher aus ganz Deutschland nach München. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte wegen einer Erkrankung seine Termine auf dem Kirchentag ab.