Bischof Müller zum Zweiten Ökumenischen Kirchentag in München

"Die Orthodoxen tun der Ökumene gut"

Am 12. Mai beginnt der Zweite Ökumenische Kirchentag in München. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach am Mittwoch mit dem Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller über seine Erwartungen an das Christentreffen. Müller leitet die Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz.

 (DR)

KNA: Herr Bischof Müller, im Licht der aktuellen Schlagzeilen wirken die Kirchen in Deutschland angezählt. Wird das den zweiten Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) in München beeinträchtigen?
Müller: Ich gehe davon aus, dass der ÖKT ein positives Bild der Kirche zeigt. Es werden viele Menschen zusammenkommen und zum Ausdruck bringen, wie das Christentum in unserem Land nach wie vor sehr verankert ist.

KNA: Sollte das gegenwärtige mediale Mega-Thema Missbrauch auch in München aufgegriffen werden?
Müller: Es ist fraglich, ob der Kirchentag dafür ein sinnvoller Rahmen sein kann. Es ist ja nicht sinnvoll, dass jeder, der irgendetwas in der Zeitung gelesen hat, davon noch einmal ein Echo bringt. Was als vermeintliche Volkes Stimme aus Leserbriefen und Internetblogs herausschallt, ist doch sehr problematisch und manches dort offerierte simple Rezept dem komplexen Thema nicht angemessen.

Bei der Diskussion um Missbrauch sollte vor allem die Stimme der Wissenschaft gehört werden. Besser wäre es also, dazu in München oder Berlin ein öffentlich zugängliches Symposium zu veranstalten. International namhafte Experten könnten dann die Materie einmal von allen Seiten differenziert beleuchten.

KNA: "Damit Ihr Hoffnung habt", lautet die große Überschrift des Christentreffens. Was erhoffen Sie sich persönlich?
Müller: Immerhin sind 50 von 80 Millionen Deutschen Christen. Wenn wir gemeinsam davon Zeugnis geben, dass das Leben des Menschen trotz aller Brüche, Einschränkungen und Leid sinnvoll ist, dass wir nicht verzagen oder zynisch werden müssen, dann hat das schon eine Kraft, die gesellschaftsprägend wirken kann.

KNA: Kardinal Kasper wird offenbar nicht kommen.
Müller: Wie ich gehört habe, hat er seine Teilnahme zurückgezogen, weil er gerade 77 Jahre alt geworden ist und nicht weiß, ob er Mitte Mai noch Präsident des Päpstlichen Einheitsrates ist. Ich bedaure diese Entscheidung, weil er ja nicht nur in diesem Amt eingeladen war. Kardinal Kasper ist einer der kompetentesten Theologen der Gegenwart. Insofern ist sein Wort immer gefragt. Ich persönlich fände es jedenfalls gut, wenn er weiter seinen Beitrag für das ökumenische Gespräch in Deutschland und weltweit leistet.

KNA: Zum Dauer-Streitthema gemeinsames Abendmahl/eucharistische
Gastfreundschaft: Die ÖKT-Veranstalter haben lange damit gerungen, wie sich sauber symbolisch zum Ausdruck bringen lässt, dass das Verbindende zwischen den christlichen Konfessionen größer ist als das Trennende, ohne etwas vorwegzunehmen, was noch nicht geht. Fündig wurde man beim orthodoxen Ritus des Brotbrechens, der Artoklasia. Was halten Sie davon?
Müller: Die Artoklasia ist keine Zwischenlösung, kein Ausweichmanöver, das vom Ziel der vollen Kirchengemeinschaft ablenkt. Der Ritus steht für sich selbst, weil man so die Gemeinschaft im Gebet ausdrücken und im Zeichen des verteilten Brotes sichtbar machen kann. Davon ist die Gemeinschaft im Sakrament zu unterscheiden...

KNA: ...die es in München nicht geben wird.

Müller: Eine Abendmahlsgemeinschaft oder Eucharistiegemeinschaft im engeren Sinne kann es nicht geben, weil sich das von den Reformatoren eingeführte Abendmahl auch inhaltlich stark von der Heiligen Messe unterscheidet. Wir Katholiken werden diese Lehre nicht übernehmen. An ihr hat sich die Spaltung der abendländischen Kirche entzündet. Insofern ist Eucharistie ein ganz zentrales Thema des ökumenischen Gesprächs. Ein paar Schritte sind wir bei der Beilegung dieser Kontroverse schon vorangekommen.

KNA: Die Kontroverse schmerzt aber besonders in Deutschland.
Müller: Das liegt daran, dass es in keinem anderen Land weltweit so viele konfessionsgemischte Ehen gibt. Eine solche Verbindung muss aber weder zu völligem Indifferentismus führen noch zu einer ständigen Reibung an konfessionellen Unterschieden, für die die Partner nichts können, weil sie da hineingewachsen sind. Auch evangelische Christen können generell an einer katholischen Messe teilnehmen und mitbeten, auch wenn ihnen in der Regel der Kommunionempfang versagt ist. Ausnahmen sind in Grenz- und Spezialfällen durchaus möglich, wie beim verstorbenen Gründer der ökumenischen Bruderschaft von Taize, Roger Schutz. Es ist aber nicht nötig, dafür ein allgemeines Gesetz zu erlassen.

KNA: Täuscht der Eindruck, dass sich durch die Beteiligung eines Dritten manche Verkrampfungen im ökumenischen Gespräch leichter lösen lassen?
Müller: In München wird erstmals dokumentiert, dass die Orthodoxie ein wichtiger ökumenischer Partner ist, nicht zu vergessen die Freikirchen, die auch in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen mitwirken. Mit der Orthodoxie kommt uns etwas ins Haus, das uns gut tut, weil es unseren beschränkten deutschen Horizont aufbricht, den wir oft für das allein Maßgebliche halten. Von ihr lernen wir auch, dass Kirchengemeinschaft und Eucharistie zwei Seiten einer Münze sind.

Interview: Christoph Renzikowski