Der Bonner Superintendent zur Anti-Islam-Demonstration

"Wir schaffen Begegnungen"

In Bonn haben am Montagabend etwa 300 Menschen unter dem Namen "Bogida" gegen die "Islamisierung des Abendlandes" demonstriert. Die evangelische Kirche hat zur Gegendemonstration aufgerufen. Der Bonner Superintendent, Eckart Wüster, im domradio.de-Interview.

Bonner Gegendemo zu Pegida (dpa)
Bonner Gegendemo zu Pegida / ( dpa )

domradio.de: Warum war Ihnen der Aufruf gegen die Bogida-Demonstration so wichtig?

Wüster: Wir haben ein ganz großes Problem: Es gibt Menschen, die aus einer - für meine Begriffe verständlichen - Angst heraus, eine gesamte Gruppe diffamieren, wenn ihnen etwas Fremdes, Unbekanntes begegnet. Wenn man bedenkt, dass sich in Deutschland fünf Prozent der Bevölkerung dem Islam zugehörig fühlt, dann kann man von einer Islamisierung nicht sprechen. Trotzdem entstehen diese Ängste. Was wir aber brauchen, ist eine Stimmung, in der wir das, was tatsächlich bedrohlich ist, nämlich Formen von Gewalt, sehr wohl aktiv angehen und bekämpfen, aber gleichzeitig nicht eine ganze Gruppe diffamieren. Das ist eines der großen Probleme, das wir im Hinblick auf diese Demos wahrgenommen haben. Deshalb haben wir dazu aufgerufen, bitte differenziert hinzuschauen.

domradio.de: Ein interessanter Aspekt ist ja, dass es in Bonn ja tatsächlich Probleme mit extremistischen Muslimen gegeben hat, gerade auch wenn man nach Bad Godesberg schaut. Da sieht man im Straßenbild viele Frauen in der Burka, was zumindest für eine extremere Ausübung des Islam steht. Aber dort haben sich nur 300 Menschen gefunden, die das als bedrohlich einstufen. In Dresden dagegen 15.000. Woran liegt das, Ihrer Meinung nach?

Wüster: Ich erklär mir das so, dass Bonn natürlich seit vielen Jahren eine internationale Stadt ist. Es gibt, wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe, etwa 85 verschiedene Nationalitäten, die in Bonn auch auf der Straße zu sehen sind. Die, die gewaltbereit sind, sind davon ein minimaler Bruchteil. Dass Frauen eine Burka tragen, bedeutet ja noch nicht, dass sie deshalb gewalttätig werden. Es ist eine bestimmte Form der Auslebung des Islams. Übrigens, man muss auch mal umgekehrt fragen, wie wir uns als Christen, die vielleicht in einem arabischen Land leben, dort verhalten. Natürlich tragen wir weiterhin unseren Anzug oder das, was wir gewöhnt sind zu Hause. Also, da glaube ich einfach, dass wir eine größere Toleranz brauchen. Im Hinblick auf das, was in Bonn geschieht, bin ich auch davon überzeugt, dass wir hier an vielen Stellen die Differenzierung vornehmen. Die Gewaltexzesse sind mit nichts zu rechtfertigen. Das sage ich ganz eindeutig. Und sie müssen bekämpft werden. Mir ist in dem Fall aber relativ egal, ob die Gewalt von Muslimen, von Christen oder von Atheisten ausgeübt wird. Jede Form von Gewalt müssen wir bekämpfen.

domradio.de: In Dresden heißt es ja immer, es läuft auch ein Teil der Mitte der Bevölkerung mit. Wie ernst muss man denn die Ängste nehmen, die diese Menschen haben?

Wüster: Ich nehme die Ängste sehr ernst. Man kann sie auch nicht ausreden. Die Ängste kommen, sie sind auch vorhanden. Mir begegnet etwas, womit ich nicht umgehen kann und was mir fremd ist. Dann bekommt ein Mensch Angst. Zwei Dinge sind mir in dem Zusammenhang wichtig: Zum einen wäre es gut, wenn wir bei uns hier, wir, die wir hier aufgewachsen und durch unsere Kultur geprägt sind, wieder besser sagen könnten, was uns trägt, wovon wir leben. Ich sage, von dem Gott, der uns begegnet ist in Jesus Christus. Davon leben wir. Dass uns das trägt, könnte uns auch selbstbewusster machen, anderen Religionen mit einer Offenheit zu begegnen, die sagt: Ihr lebt euren Glauben so, wir aber anders. Diese Ängste nehme ich also deshalb sehr ernst. Was man machen kann und was nötig ist, dass wir Begegnung schaffen mit Menschen. Das geschieht in vielen Gemeinden inzwischen, wo Menschen sich aktiv einbringen, den Flüchtlingen, die zu uns kommen, offen begegnen.

domradio.de: Was meinen Sie als Vertreter der evangelischen Kirche in Bonn: Was kann man machen, damit die Stimmung in der Bevölkerung von Toleranz und Verständnis geprägt bleibt?

Wüster: Ich nehme zunächst mal sehr dankbar wahr, wie viele Menschen derzeit aktiv sind. Das sehe ich in meiner eigenen Gemeinde - und zwar nicht nur im Hinblick auf eigene Gemeindeglieder. In unserem Gemeindezentrum in Bornheim-Hersel, in dem ich auch Pfarrer bin, wird es Anfang Januar eine Veranstaltung geben, wo alle, die sich in diesem Bereich aktiv einbringen wollen, treffen und verabreden, wie man denn dort den Menschen, die zu uns kommen, begegnen kann. Was brauchen sie, was ist notwendig. Das ist nicht nur in meiner eigenen Gemeinde so, das ist an vielen, vielen Stellen so. Ich beobachte das hier in Bonn sehr genau. Das stimmt mich erstmal sehr zuversichtlich. Wir schaffen Begegnungen damit. Das sorgt mit dafür, dass die Atmosphäre geprägt wird - und nicht nur von denen, die der Angst freien Lauf lassen und sagen, dass diese Menschen am besten aus unserem Land hinaus müssen.

Das Gespräch führte Christian Schlegel. Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Weder domradio.de noch das Erzbistum Köln machen sich Äußerungen der Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen zu eigen.


Quelle:
DR