Neuer Papst und Primas Welby können neues Kapitel aufschlagen

Anglikanisch-katholisches Verhältnis

Gut 48 Stunden liegen zwischen der Inthronisierung des neuen römischen Papstes Franziskus und der des neuen anglikanischen Erzbischofs von Canterbury, Justin Welby. Was ist zu erwarten von diesen beiden Männern?

Justin Welby / © kna
Justin Welby / © kna

Zu sehen sind in diesem Augenblick zwei Männer, die es binnen kurzem verstanden haben, Hoffnungen zu wecken in einer Zeit, in der ihre traditionsreichen Amtskirchen von vielen schon als implosionsgefährdete Auslaufmodelle gehandelt wurden. Können diese Kirchenmänner übers Wasser laufen? Fast scheint es so angesichts einer euphorischen und an Anekdoten reichen medialen Berichterstattung. Auf jeden Fall sind sie Hoffnungsträger, die beiden Steuermänner, die mit ihrer feierlichen Amtseinführung offiziell das Ruder ihrer Kirchen übernehmen. Und allemal sind sie "Typen".

Zunächst werden die beiden mit den mannigfachen Baustellen innerhalb ihrer eigenen Gemeinschaft zu kämpfen haben. Und dass sie sich zwischen Dienstag und Donnerstag nicht gegenseitig die Ehre eines Besuches erweisen konnten, liegt auf der Hand. Doch schon bald wird sich auch die Frage stellen, wie sich Franziskus und Welby in der katholisch-anglikanischen Verständigung positionieren.

Nach dem Bruch des englischen Königs mit Rom und der Errichtung einer englischen Staatskirche 1534 herrschte über Jahrhunderte Eiszeit - bis zum ökumenischen Tauwetter der 1960er Jahre. Über ein halbes Jahrtausend reiste kein einziger Erzbischof von Canterbury ins "papistische" Rom - geschweige denn umgekehrt. Der letzte Primas von England, der die römische Kurie besuchte, war Thomas Arundel: 1397, noch lange vor der Reformation.

Theologische Nähe

Doch die relative theologische Nähe des Anglikanismus zum Katholizismus sorgte dafür, dass nach 1960 binnen weniger Jahrzehnte sogar schon von der Möglichkeit einer künftigen Rückkehr zur vollen Kirchengemeinschaft die Rede war. Solchen Hoffnungen verpasste Anfang der 90er Jahre die anglikanische Zulassung von Frauen zum Priesteramt einen starken Dämpfer. Seitdem hat jede neue Liberalisierung in Fragen der Kirchendisziplin dieses Ziel wieder weiter entfernt. Seit 2009 gibt es - bei aller gut funktionierenden Ökumene zwischen Rom und Canterbury - sogar katholische Strukturen für übertrittswillige Anglikaner.

Gleichwohl pflegten Welbys Vorgänger Rowan Williams (2002-2012) und der emeritierte Papst Benedikt XVI. (2005-2013) eine Art intellektueller Freundschaft. Beide großen Denker liebten den eher unemotionalen, akademischen Diskurs. Beide fühlten sich einer Überwindung der vielfältigen Kirchenspaltungen verpflichtet. Und beide hatten stark mit den Zentrifugalkräften des Säkularismus und mit Streitigkeiten innerhalb der eigenen Kirchengemeinschaft zu kämpfen. Jede ihrer Gesten, jede ihrer Äußerungen in Richtung der kirchlichen Linken oder Rechten wurde argwöhnisch beäugt und kommentiert.

Bereitschaft zur Ökumene

Ihre beiden Nachfolger verkörpern jeweils einen neuen Typus. Welby, Ehrenoberhaupt von rund 77 Millionen Anglikanern weltweit, besticht durch klare, kompetente Worte zu wirtschaftsethischen Fragen - war er doch vor seiner überraschenden Wahl im November lange Zeit Finanzmanager im Öl-Geschäft. Zudem ist er von entwaffnender und beeindruckender menschlicher Offenheit. Papst Franziskus, Oberhaupt von weltweit 1,2 Milliarden Katholiken, hat in der Woche seit seiner Wahl Begeisterung hervorgerufen. Aus vielen seiner Gesten und Worte spricht der Wille zu einem neuen Stil im Vatikan; der Wille zu neuer Bescheidenheit, ja gewählter Armut.

Dahinter steht allerdings auch ein im ökumenischen Sinne harter Kern, sprich eine theologisch konservative Gesinnung. Es bleibt abzuwarten, was dies für eine interkonfessionelle Verständigung angesichts von "Homo-Ehe" oder Frauenordination bedeuten wird.

Noch ist es zu früh, Vorhersagen über das künftige anglikanisch-katholische Verhältnis treffen zu wollen. Sicher ist, dass in punkto Bereitschaft zur Ökumene und persönlicher Sympathiewerte beide neuen Kirchenführer über einen großen Vertrauensvorschuss verfügen können. Primas Welby und Papst Franziskus: Hoffnungsträger einer neuen Art christlicher Sozialverkündigung.

 


Quelle:
KNA