Hilfsorganisation beklagt mangelnde Unterstützung für Flüchtlinge aus Sindschar-Region

Sicherheitslage in Jesidenregionen im Nordirak "prekär"

Vor fünf Jahren sorgte der IS-Überfall auf Jesiden im Irak weltweit für Entsetzen. Bis heute ist die Region kaum bewohnbar und von Milizen beherrscht. Ein Gericht sieht dennoch keinen Grund für einen regulären Flüchtlingsstatus der Opfer.

Jesidische Flüchtlinge / © Stefanie Järkel (dpa)
Jesidische Flüchtlinge / © Stefanie Järkel ( dpa )

Die traditionell von Jesiden bewohnten Gebiete im Nordirak sind auch eineinhalb Jahre nach dem militärischen Sieg über die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unsicher. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes bezeichnete die Sicherheitslage als "prekär". So stehe die Sindschar-Region zwar formell unter der Kontrolle Bagdads, dennoch könne die irakische Regierung "nur begrenzt für Sicherheit sorgen". Zahlreiche Milizen seien dort präsent. Dies sei ein Haupthinderungsgrund für die Rückkehr jesidischer Binnenvertriebener in ihre Heimatorte.

Die Sindschar-Region war vor fünf Jahren - Anfang August 2014 - von IS-Kämpfern überfallen worden. Die Terroristen töteten die Männer, die Frauen und Mädchen wurden als Sexsklavinnen verkauft.

Viele vermisst und vertrieben

Noch immer werden viele von ihnen vermisst. Zehntausende Menschen flohen damals in die Berge, wo sie bei großer Hitze und wenig Schatten auf Hilfe warteten. Vor dem IS-Überfall haben etwa 600.000 Jesiden in der Sindschar-Region gelebt. Heute sind es schätzungsweise nur noch rund 40.000.

Laut Auswärtigem Amt gibt es im Irak noch immer rund 300.000 jesidische Binnenvertriebene. Von ihnen hätten 87 Prozent in einer Umfrage gesagt, dass sie nicht in ihre Heimat zurückkehren wollten. Gründe seien neben der schwierigen Sicherheitslage auch die zerstörte Infrastruktur, fehlende Grundlagen für den Lebensunterhalt sowie schwere Traumata und großes Misstrauen gegenüber den arabischen Nachbarn. Allerdings variiere die Situation je nach Ort zum Teil sehr stark.

Kein regulärer Flüchtlingsstatus

Ein regulärer Flüchtlingsstatus steht Jesiden aktuellen Gerichtsentscheidungen zufolge trotzdem nicht zu. Am vergangenen Dienstag hatte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit zwei Urteilen entschieden, dass Jesiden aus der Sindschar-Region im Falle ihrer Rückkehr "keine Gruppenverfolgung droht" (Aktenzeichen 9 LB 133/19 und 9 LB 148/19).

In erster Instanz war einem irakischen Jesiden und seiner Schwester unter Annahme einer Gruppenverfolgung noch die Flüchtlingseigenschaft in Deutschland zuerkannt worden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hatte das aber abgelehnt und lediglich den untergeordneten "subsidiären Schutz" zuerkannt.

Auf Antrag des Bamf ließ das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, um grundsätzlich die Frage zu klären, ob Jesiden wegen ihrer Religionszugehörigkeit einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind. Dies sei "nach der militärischen Zurückdrängung des Islamischen Staates derzeit nicht hinreichend wahrscheinlich", erklärte das Gericht. Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen.

Jesiden im Irak finden nur noch wenig Beachtung

Der subsidiäre Schutz wird in Deutschland dann gewährt, wenn nicht wegen der Diskriminierung einer ganzen Gruppe, im konkreten Fall aber dennoch Gefahr für Leib und Leben droht. Flüchtlinge mit einem solchen Schutzstatus müssen diesen jährlich verlängern lassen und haben es in der Regel schwerer, ihre engsten Angehörigen nachzuholen - also Ehepartner oder minderjährige Kinder.

Den Jesiden im Irak wird derweil immer weniger Beachtung geschenkt. Die Hilfsorganisation Care erklärte: "Wir stehen an einem entscheidenden Wendepunkt: Humanitäre Hilfsgelder gehen mehr und mehr in andere Teile des Landes." Nach Angaben der Projektreferentin des Bonner Hilfswerks für den Irak, Lena Siedentopp, folgen internationale Geldgeber der medialen Aufmerksamkeit, die sich auf Krisengebiete wie die ehemalige IS-Hochburg Mossul richtet.

Doch die Menschen, die vor fünf Jahren geflohen seien, harrten immer noch in den Lagern aus. Sie warnte im nordirakischen Dohuk, wo viele Flüchtlingscamps sind, dass Finanzierungsengpässe zahlreiche Menschenleben gefährden könnten.


Quelle:
epd