Civil March For Aleppo im domradio.de-Interview

Zu Fuß unterwegs für den Frieden

Seit dem 2. Weihnachtstag läuft eine Gruppe zu Fuß entlang der ehemaligen Balkanroute. Der "Civil March For Aleppo" will ein Zeichen gegen den Krieg in Syrien setzen. Aktivist Thomas Alboth im domradio.de-Interview.

Civil March For Aleppo in Serbien / © Thomas Alboth (privat)
Civil March For Aleppo in Serbien / © Thomas Alboth ( privat )

Von Berlin aus geht es durch die Tschechische Republik, Österreich, Slowenien, Kroatien, Serbien, Mazedonien, Griechenland und die Türkei nach Aleppo in Syrien.

domradio.de: Vor genau 114 Tagen ging es in Berlin los und jetzt sind sie wieder in Berlin. Wie geht das?

Thomas Alboth (Civil March For Aleppo): Ich bin gestern Abend wieder nach Berlin gekommen. Wir haben zwei Kinder, die Große ist sieben und muss zur Schule gehen und damit sind im Prinzip schon gewisse Daten gesetzt. Deswegen habe ich jetzt die Osterferien dafür genutzt, um beim March wieder mit dabei zu sein.

Am Anfang habe ich immer die längeren Wochenenden genutzt um wieder dazu zustoßen. Aber jetzt sind sie schon so weit weg, dass man nicht noch schnell ein Wochenende vorbei kommen kann, sondern man muss ein paar Tage bleiben. Deshalb ging es aus Mazedonien wieder zurück mit dem Flieger nach Berlin.

domradio.de: Jeder kann sich für ein paar Stunden oder so lange wie er will, dieser Gruppe anschließen. Was ist das für eine Gruppe und wer läuft da mit?

Alboth: Eine sehr bunte Truppe, also ich glaube mittlerweile haben wir 32 oder 36 verschiedene Länder gezählt, aus denen Leute wirklich vorbei kamen. Darunter sind natürlich viele europäische Staaten. Das sind Deutschland, Polen, Tschechien, Slowenien, aber auch Menschen aus Ländern durch die wir gelaufen sind, zum Beispiel Serbien oder Bosnien. Dann gibt es aber auch Leute aus Brasilien, es gibt Leute aus Italien, Spanien, Holland. Also im Moment sind es Menschen aus Deutschland, Frankreich und Italien. Ein Spanier und auch ein Brasilianer sind dabei, die jetzt seit einer Weile mitlaufen. Es wechselt immer und ist eine bunte Mischung.

Was aber auch schön ist, ist dass es auch altersmäßig eine komplett bunte Mischung ist. Wir haben Kinder gehabt, die noch im Schulalter waren und vorbei gekommen sind oder vielleicht sogar ihre Eltern oder Freunde von den Eltern überzeugt haben mit vorbei zu kommen. Unsere ältesten Teilnehmer sind jetzt so an die 70. Die laufen mit und wenn sie nicht mehr können helfen sie vielleicht beim Küchenteam oder beim Logistikteam, um mal einen halben Tag mit dem Auto zufahren. Wir sind also komplett bunt gemischt, was sehr schön ist.

domradio.de: Sie müssen sich natürlich immer wieder um Unterkünfte für die Gruppe kümmern. Wie läuft die Organisation dieser Dinge denn ab?

Alboth: Zunehmend spontaner. Am Anfang hat man noch relativ viel vororganisiert, vorallem was noch Deutschland, Österreich und Tschechien betraf. Wir haben auch vorher viel rumtelefoniert und dann hatten wir aber relativ spontan die Route geändert, da wir in Sarajevo vorbei gehen wollten. Wir wollten nach Bosnien, weil gerade zum Jahrestag der Belagerung in Sarajevo für diese Leute das Thema Krieg so präsent war. Also man läuft da einfach durch Länder, wo die Leute sagen: "Ja, ich weiß was Krieg ist und wie sich das anfühlt. Und ich finde es gut was ihr tut".

Durch diese Spontanität, die wir uns da selber genommen haben unsere Route einfach mal zu ändern, sind wir jetzt einfach an dem Punkt wo wir nicht mehr eine Woche vorher wissen: Ok, die Übernachtungen sind organisiert. Wir haben jetzt ein sogenanntes Scoutingteam. Das heißt wir haben einen mit einem Motorrad, der fährt voraus und schaut dann in der nächsten Stadt, ob es irgendeine Chance gibt, dass man irgendwo schläft. Bisher hat es immer geklappt, aber morgens weiß man noch nicht wo man abends mit den 30 Leuten schläft.

domradio.de: Das Ziel des "Civil March For Aleppo" ist,  dass die Leute wieder aufmerksam werden auf die Lage in Syrien. Sie wollen gezielt die Aufmerksamkeit lenken anstatt Spenden zu sammeln. Kommt das denn gut bei den Menschen an?

Alboth: Ja, einerseits erreichen wir viele Leute damit. Wir sehen auch durch die Facebookseite und durch die Webseite, dass wenn man etwas postet oder wenn man etwas zu Syrien sagt, es 20.000 Leute gibt, die das gelesen haben. Es ist auch schon mal viel Wert zu wissen, dass man Leute erreicht. Sie hören und sehen, dass wir über Syrien noch nachdenken und das Land nicht aufgegeben haben. Damit kann man viel Erreichen. Dieses Social Media Netz, welches dann so Richtung Europa, auf die Teilnehmer oder auch Medien abstrahlt, ist aber nur die eine Richtung.

Was uns genauso wichtig ist, sind die Kontakte vor Ort. Das man mit Leuten spricht, das man in die Schulen geht. Oft schlafen wir in irgendwelchen Turnhallen und machen dann morgens, weil die Kinder um 7 oder 8 noch nicht in ihre Turnhalle können, Unterricht mit ihnen. Da gibt es viele, die plötzlich verstehen was Politik ist oder was Syrien und Krieg ist. Wir hatten jetzt eine verrückte Situation in Serbien. Da haben wir mit den Kindern gesprochen und die Lehrer erzählen denen überhaupt nichts über den Krieg. In einem Land, wo es vor nicht allzu langer Zeit noch Krieg gab, wo alle Leute Krieg erfahren haben. Aber das ist ein komplettes Tabuthema. Keiner von den Kindern weiß irgendwas über den Krieg in Syrien.

Insofern ist es uns auch wichtig die Leute vor Ort zu erreichen und das man auch so Geschichten hört wie: Ich bin vor kurzem per Anhalter gefahren, weil die Kleine auf dem Marsch nicht mehr konnte. Dann bin ich bis zur nächsten Stadt gefahren und habe dort mit einem gesprochen der meinte: "Es ist verrückt, denn vor 20 oder 30 Jahren gab es jemand der aus Aleppo kam, um mit uns Business zu machen. Da habe ich zum ersten Mal von der Stadt gehört. Damals hatten wir Krieg und heute schreibe ich mit Ihm und jetzt hat er Krieg." Man merkt, es kann jeden treffen und man darf sich nie in dieser Sicherheit wähnen, dass es die anderen sind, die im Krieg leben und es uns nicht erwischen kann.

Das Interview führte Verena Tröster.


Quelle:
DR