Misereor übt Kritik an Aktionsplan der Bundesregierung

Menschenrechte nicht als Nebensache betrachten

Mit einem nationalen Aktionsplan will die Bundesregierung dafür sorgen, dass deutsche Unternehmen Verantwortung für Arbeitsbedingungen im Ausland übernehmen. Armin Pasch vom katholischen Hilfswerk Misereor kritisiert die Pläne als zu lasch.

Kinderarbeit in Kobaltmine im Kongo / © Thomas Coombes/amnesty international (dpa)
Kinderarbeit in Kobaltmine im Kongo / © Thomas Coombes/amnesty international ( dpa )

domradio.de: Es gibt Grundlinien der Vereinten Nationen zum Thema Wirtschaft und Menschenrechte. In Berlin wurde jetzt beraten, wie man die auf Deutschland herunterbrechen kann. Diese Beratungen werden kritisiert - von Amnesty International, Brot für die Welt aber auch von Ihnen. Wenn die Regierung da etwas gegen machen will - was gibt es daran zu kritisieren?

Armin Paasch (Referent für Wirtschaft und Menschenrechte bei Misereor: Das Problem ist, dass die Bundesregierung seit zwei Jahren über einen möglichen nationalen Aktionsplan für Wirtschaft- und Menschenrechte berät. Das Ergebnis sieht aber derzeit so aus, dass die Unternehmen nicht gesetzlich verpflichtet werden sollen, die Menschenrechte im Ausland zu achten. Zurzeit handelt es sich lediglich um eine Empfehlung, die ganz unverbindlich ausgesprochen werden soll: Es soll nicht kontrolliert werden, ob die Menschenrechte tatsächlich eingehalten werden und im Falle, dass die Unternehmen sie einfach ignorieren, würden gar keine Konsequenzen drohen.

domradio.de: Das heißt, man ist als Textilhersteller nicht an die Empfehlung gebunden und niemand haut einem auf die Finger, wenn man sich nicht daran hält?

Paasch: Ganz richtig. Diese UN-Leitprinzipien für Wirtschafts- und Menschenrechte stammen schon aus dem Jahr 2011. Die Empfehlung diese umzusetzen, ist auch nichts Neues. Wenn die Bundesregierung diese Empfehlung nur wiederholt, dann bedeutet das keinen Fortschritt. Was wir wollen, ist eine tatsächliche, gesetzliche Verpflichtung.

Das bedeutet: Wenn Unternehmen ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nicht ernst nehmen und nicht umsetzen, dann drohen Bußgelder. Opfer müssen die Möglichkeit haben, vor Zivilgerichten zu klagen und es muss auch Konsequenzen geben dahingehend, dass Unternehmen von der Außenwirtschaftsförderung oder von öffentlichen Aufträgen oder von Subventionen ausgeschlossen werden können, wenn sie die Menschenrechte missachten.

domradio.de: Wenn wir uns jetzt das Beispiel eines T-Shirts nehmen, das jemand in Bangladesch oder Pakistan genäht hat: Ist die Situation von den Menschen vor Ort wirklich so schlimm?

Paasch: Was in den Medien sehr viel diskutiert worden ist, ist da nur die Spitze des Eisbergs – also diese Brandkatastrophen oder das Einstürzen von Gebäuden in Bangladesch und in Pakistan. Die Problematik ist aber weiter verbreitet. Das Problem ist, dass die Menschen in den Textilfabriken keine anständigen Löhne bekommen, von denen sie und ihre Familien leben können. Sie haben keine festen Verträge, bekommen keinen Urlaub. Mitunter gibt es sogar Fälle von Sklaverei. Die Arbeitsschutzbestimmungen werden nicht eingehalten.

Das ist ein Problem nicht nur in Bangladesch oder in Pakistan, sondern auch in der Türkei, in Honduras und in vielen anderen Ländern. Es werden erst langsam Initiativen gestartet, um die Situation zu verbessern. Bisher ist das aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

domradio.de: Und dabei ist die Textilindustrie nicht der einzige Bereich, in dem es Probleme gibt, oder?

Paasch: Ganz richtig. Wenn wir uns die Statistiken anschauen, sehen wir, dass sich die meisten Menschenrechtsbeschwerden auf den Rohstoff- und Energiesektor beziehen. Wenn zum Beispiel in Peru Kupfer abgebaut wird, werden dafür zum Teil Menschen vertrieben, Grundwasser wird verseucht, sodass die Gesundheit Schaden nimmt. In Südafrika haben wir eine Beteiligung von deutschen Unternehmen an zwei Kohlekraftwerken bemerkt, die Schadstoffe ausstoßen und damit auch eine Gefährdung des Rechts auf Gesundheit darstellen. Deutsche Unternehmen sind daran beteiligt!

In einer Studie haben wir festgestellt, dass sich die Unternehmen dazu aber nicht bekennen, dass sie eine eigene Verantwortung haben auch in solchen Geschäftsbeziehungen die Menschenrechte zu achten und genau hinzuschauen, welche Folgen ihre Geschäftsbeziehungen für die Menschenrechte haben könnten.

domradio.de: Was muss denn passieren, damit wir endlich verantwortungsbewusster damit umgehen?

Paasch: Das eine ist natürlich die Öffentlichkeit. Aber wir haben in den letzten Jahren auch gesehen, dass es nicht ausreicht, wenn die Skandale durch die Medien gehen, wenn auch in den Mainstream-Medien davon berichtet wird. Das schockiert die Menschen zwar, verursacht ein schlechtes Gewissen und ein Teil entscheidet sich dann vielleicht für ökologische und fair produzierte Kleider oder sonstige Produkte. Aber viele können sich das auch nicht leisten oder beschäftigen sich nicht so sehr mit der Thematik.

Deswegen denken wir, dass der Gesetzgeber hier aktiv werden muss. Er muss für alle Unternehmen festschreiben, dass Menschenrechte geachtet werden müssen und dass es nicht geht, dass man Geschäfte im Ausland macht und dort von der billigen Arbeitskraft profitiert – aber wenn es um die Menschenrechte geht, dann schaut man nicht so genau hin. Das ist aber genau das, was das Bundesfinanzministerium im Moment will: Nämlich einen nationalen Aktionsplan so verwässern, dass er nur noch eine total unverbindliche Empfehlung wäre, die von Unternehmen nicht geachtet werden müsste. Das ist eigentlich eine Einladung, Menschenrechte als Nebensache zu betrachten.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR