Bischofskonferenz: Katholische Kleinpfarrei leistet Unglaubliches

Gazas Glaubensinseln

Auch ein Jahr nach dem Krieg liegt Gaza in Trümmern. Doch es gibt Orte der Hoffnung, sagt Matthias Kopp von der Deutschen Bischofskonferenz. Er hat mit Bischöfen die katholische Pfarrei in Gaza-Stadt besucht.

Ordensschwestern in Gaza (Archiv) (KNA)
Ordensschwestern in Gaza (Archiv) / ( KNA )

domradio.de: Wie kam es zu der Reise? Hat es auch etwas mit dem Aufruf von Papst Franziskus zu tun, dass Kirche an die Ränder gehen soll?

Matthias Kopp (Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz): Diese Reise ist letzten Endes schon 15 Jahre alt. Damals haben sich Bischöfe in Europa zusammengeschlossen, auch ein paar Nordamerikaner und Südafrikaner kamen dazu, um ihre Hilfe und Solidarität für das Heilige Land zu koordinieren. So gibt es seit 15 Jahren immer diese Reisen von europäischen Bischöfen ins Heilige Land. Mal wohnen sie in Jerusalem, mal in Bethlehem, mal in Jordanien. Sie zeigen mit ihrer bischöflichen Präsenz ihre Solidarität mit den Christen im Heiligen Land.

Seit langer Zeit haben sich die Bischöfe darum bemüht, auch die Realität von Gaza kennenzulernen und so ist die Reise dann in einem langen Prozess entstanden. Diese Solidaritätsbesuche passen natürlich in das Programm von Franziskus, an die Ränder der Gesellschaft zu gehen. Wenn man in Gaza ist, ist man wirklich ganz am Rande der Gesellschaft, auch geographisch gesprochen: im Westen ist das Mittelmeer, im Süden ist in Richtung Ägypten Wüste, im Norden ist Israel, das ist dicht für Palästinenser, die dort in diesem Gaza-Streifen leben.

domradio.de: Ihre Besuchsgruppe wurde getrennt bei der Einreise in den Gaza-Streifen. Bischof Ackermann durfte als erster durch, einer der letzten wurde noch sieben Stunden festgehalten von den Behörden. Welche Orte haben Sie denn besucht als Sie sich gemeinsam wieder getroffen haben?

Kopp: Uns ging es darum in Gaza-City, die katholische Pfarrei zu besuchen und ein zerschossenes Krankenhaus, aber auch Familien. Es war ein bisschen aufgeteilt, so dass die Bischöfe teilweise in diese zerstörten Wohnblocks gegangen sind, um einfach zu verstehen, was ist die Realität bei einer Gaskartusche eine Nacht zu verbringen.

Gleichzeitig in einer Kleinpfarrei mitten in der Stadt-City eine Lebendigkeit von Glauben zu erleben - was viele Bischöfe so vorher kaum erwartet hätten. Diese Pfarrei in der Innenstadt mit 220-230 katholische Christen bei 1200 Gesamtchristen in Gaza und bei über 1, 5 Millionen Einwohnern leisten dort Unglaubliches. Da sind drei Ordensfrauen aus dem Orden der Mutter Theresa, eine Palästinenserin, zwei Brasilianerinnen - das sind Heilige! Sie sind derart in der Gesellschaft akzeptiert, weil sie auch im Krieg versucht haben, das Leben dort aufrecht zu erhalten. Nun muss man wirklich von Fügung sprechen, Gott lob, dass weder die Schule dieser Pfarrei noch die Pfarrei selbst von Raketen getroffen worden ist. Der Schwesternkonvent hat eine leichte Beschädigung abbekommen, das ging aber alles.

Diese Pfarrei versucht das Leben pastoral aufrecht zu erhalten. Man versucht, Religionsunterricht anzubieten, es gibt eine ganze katholische Schule, die dort für die Bevölkerung von außerordentlicher Wichtigkeit ist, wo viele muslimische Kinder mitunterrichtet werden. Man sieht an diesem Beispiel einfach, dass die Minderheit, in diesem Fall die Katholiken etwas enorm Großes für das gesellschaftlich Gesamte der Palästinenser, der Muslime dort leisten. Das ist etwas, was wir uns in Europa immer wieder vor Augen führen müssen: Was leistet eigentlich die Minderheit für die Mehrheit dort.

Der zweite besuchte Punkt war Chan Yunis. Das ist südlich von Gaza-City, ebenfalls im Krieg stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Dort sind wir in die Trümmerfelder gegangen, um zu sehen, wie der Catholic Relief Service, die quasi amerikanische Caritas, versucht, dort Holzhütten aufzubauen, damit die Leute irgendetwas über dem Kopf haben. Das sind wirklich eindrucksvolle Projekte mitten in den Trümmerwüsten von Beton und Stahl.

domradio.de: Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat uns damals kurz nach der Reise gesagt, die Gaza-Reise sei eine Glaubenserfahrung gewesen. Für Sie auch?

Kopp: Ohne Frage. Ich habe schon viel Elend in der Welt gesehen, zum Beispiel bei meinen Reisen in den Irak und in Syrien. Für mich gibt es zwei Orte, die wirklich ein Stück der Horror sind, von dem was Menschen widerfahren kann: Das ist zum einen Gaza. Dort staunt man am Ende, dass es trotz dieses Horrors auch Orte des Glaubens gibt für die Menschen selbst und für mich auch ganz persönlich. Der zweite Ort, der für mich solch ein Horror ist, ist das große Flüchtlingslager Al Zaatari, das im Norden von Jordanien an der Grenze direkt zu Syrien liegt. Ich war ich mehrfach da. Dort leben 120.000 Syrer. Kindersoldaten werden nachts ausgebildet und über die Grenzen geholt. Dort habe ich wirklich den Schrecken des Krieges von Syrien auf jordanischem Gebiet persönlich erlebt, auch mit der Gewalt, die dort ausbricht. Al Zaatari und Gaza sind zwei Orte, wo es aber immer Menschen gibt, die dafür sorgen, dass es irgendwie doch noch bei aller Verzweiflung weitergeht. Es gibt wie Bischof Ackermann so schön sagt "Ein Hoffen wider aller Hoffnungslosigkeit". Das ist an den Ort zutiefst zu spüren.

Das Interview führte Ina Rottscheidt. 


Bischof Ackermann in Gaza  (KNA)
Bischof Ackermann in Gaza / ( KNA )
Quelle:
DR