Kritik an Menschenrechtslage in Aserbaidschan überschattet Eurovision Song Contest

Getrübte Freude

Die Debatte über die Menschenrechtslage im Gastgeberland Aserbaidschan überschattet das Finale des Eurovision Song Contest. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, forderte die Regierung in Baku zur Einhaltung der Menschenrechte auf. Es sei inakzeptabel, wie Menschen in dem Land unter Druck gesetzt würden, sagte Löning. Aserbaidschan halte die Auflagen des Europarates nicht ein, vor allem die Medienfreiheit. Die Religionsfreiheit dagegen scheint in dem muslimischen Land gewährleistet zu sein.

 (DR)

Die evangelische Pastorin Nora Steen kündigte an, am Samstagabend unmittelbar vor der ARD-Übertragung aus Baku im "Wort zum Sonntag" die eingeschränkte Presse- und Meinungsfreiheit sowie die Proteste der Menschenrechtler anzusprechen. Die Hildesheimer Pastorin sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), die Lage in Aserbaidschan stehe im Gegensatz zu den Idealen des europäischen Wettbewerbs.



Doch seien viele Menschen stolz, ihr Land in Europa präsentieren zu können. "Die Menschenrechtler, die zum Teil schon seit Jahren für Meinungsfreiheit kämpfen, haben endlich die Chance, ihre Anliegen auch in Europa bekanntzumachen", sagte Steen. Das "Wort zum Sonntag" wird am Samstag ab 20.55 Uhr in der ARD gesendet. Es wurde vorab in Baku aufgezeichnet.



Der Journalist Jan Feddersen warnte indes in einem Beitrag für die "tageszeitung" (Freitagsausgabe) davor, in der Berichterstattung über den Eurovision Song Contest "einseitige und verzerrende" Schwerpunkte zu setzen. Feddersen, der auch für den NDR als Experte tätig ist, räumte ein, dass Aserbaidschan "mehr Akkuratesse" bei den Menschenrechten brauche. Darauf hätten zahlreiche Menschenrechtsorganisationen vor Beginn des Song Contest hingewiesen. Allerdings sei Aserbaidschan "kein Land wie Kambodscha unter den Roten Khmer, es ist kein Nordkorea, es ist kein Myanmar von vor einem Jahr: Vor allem ist es die freundlichste ESC-Gastgeberstadt, die sich denken lässt."



Der Medienjournalist Stefan Niggemeier widersprach Feddersen. Der ESC sei "für das autoritär herrschende Regime eine Fassade, um sich der Öffentlichkeit als europäisch, modern und weltoffen zu präsentieren", schreibt Niggemeier ebenfalls in der "tageszeitung". Zwar sei die Zahl der politischen Gefangenen in Aserbaidschan im Vergleich nicht so groß und die Zustimmung im Volk zum Präsidenten hoch. Das sei aber "auch Ausdruck dafür, wie geschickt das Regime Macht und Geld für sich nutzt".



Nach Einschätzung des Menschenrechtsbeauftragten Löning hat die Führung der früheren Sowjetrepublik nicht mit einem so großen Medienecho und Berichterstattung über die Schattenseiten des Landes gerechnet: "Die Regierung in Aserbaidschan ist mit der Situation überfordert", sagte Löning.



Repressalien gegen die Opposition

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, befürchtet nach dem Eurovision Song Contest Repressalien gegen die Opposition in Aserbaidschan. Vor dem Finale sagte der Grünen-Politiker im Deutschlandradio Kultur, er habe Sorge, dass diejenigen es büßen müssten, die im Vorfeld des Events "vielleicht etwas mutiger als sonst aufgetreten sind und dadurch mehr riskiert haben".



Beck mahnte eine Mitverantwortung von Medien wie der ARD an, die als Mitausrichter den Wettbewerb nach Aserbeidschan geholt hätten. "Die müssen weiter berichten, weil wenn das dann sozusagen im Medien-Off landet, dann sind die Leute in einer echten Gefahr.

Deshalb: Wer den Song Contest nach Aserbaidschan geholt hat, hat danach auch die Verantwortung, dass weiter aus dem Land berichtet wird", sagte Beck.



Beck zeigte sich generell skeptisch zur Austragung von Sport- und Kulturereignissen an Orten mit problematischer Menschenrechtslage. In keinem der Länder, in denen solche internationalen Veranstaltungen stattgefunden haben, habe es eine Verbesserung der Menschenrechtslage oder einen Demokratisierungsprozess gegeben, sagte der Grünen-Politiker.



Toleranz zwischen Religionen

Zwischen den Religionen in Aserbaidschan gibt es ein gutes Einvernehmen. Das hat der Apostolische Präfekt, der Salesianerpater Vladimir Fekete, am Freitag dem internationalen Hilfswerk "Kirche in Not" in München betont. Bei der großen Mehrheit der insgesamt rund neun Millionen Einwohner handle es sich um Muslime. Wobei sehr viele ihre Religion gar nicht oder nur selten praktizierten. Zwischen drei und vier Prozent der Bevölkerung seien Christen, die überwiegend der russisch-orthodoxen Kirche angehörten.



In dem säkularen Staat lebten aber auch einige zehntausend Juden, erläuterte der Ordensmann. Eine genaue Zahl der Katholiken konnte er nicht nennen. "Das weiß nur der liebe Gott." Das Taufmatrikel verzeichne jedoch mehr als 300 getaufte Einheimische. Hinzu kämen noch viele ausländische Katholiken, die in Aserbaidschan arbeiteten. Betreut würden sie von fünf Patres und drei Laienbrüdern. Unter anderem führen die Salesianer ein Jugendzentrum, wo junge Leute eine schulische und berufliche Grundausbildung erhalten.



Religionsfreiheit werde in der Verfassung des Landes garantiert, sagte der Salesianerpater. Alle Kirchen könnten eine staatliche Registrierung als Nichtregierungsorganisation erhalten, sofern sie gewisse Bedingungen erfüllten. So dürfen etwa religiöse Veranstaltungen nur innerhalb der offiziellen kirchlichen Räume stattfinden. Allerdings könnten diese Einschränkungen für die Katholiken bald aufgehoben sein, da zwischen dem Heiligen Stuhl und Aserbaidschan seit 2011 ein Konkordat besteht.



Papst Johannes Paul II. besuchte 2002 Aserbaidschan. Staatspräsident Heydar Alijew schenkte damals der katholischen Kirche ein Grundstück für den Bau eines neuen Gotteshauses in der Hauptstadt Baku, das 2007 geweiht wurde.