Theologe Hemel blickt auf strittige Themen der Kirche

Kirchensteuer, Segnung homosexueller Paare und Frauenordination

Die Kirchensteuer gehört nach Einschätzung des Theologen und Unternehmensberaters Ulrich Hemel auf den Prüfstand. Zugleich blickt Hemel auf weitere strittige Themen wie die Segnung homosexueller Paare und die Ordination von Frauen.

An die Zukunft denken (shutterstock)

"Der Mensch als solcher zählt. Das ist die Zusage des Evangeliums", sagte Ulrich Hemel im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".  Auch die Vereinbarung über den staatlichen Steuereinzug, den sich der Staat teuer bezahlen lasse, müsse man hinterfragen.

Kirche und ihre Finanzierung

Die Finanzierung der Kirche würde ohne dieses Instrument "eine Herausforderung", sagte der Theologe, der auch Bundesvorsitzender des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU) ist. Ende November ist er einer von zwei Kandidaten für das Amt des Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Er könne sich jedoch nicht vorstellen, "dass die Christinnen und Christen ihre Kirche im Stich lassen". Es brauche eine Finanzstrukturkommission, die Vorschläge erarbeite, wie die Finanzierung der Kirche "in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren aussehen soll".

Hemel verwies auf das sogenannte Steuerzuwendungsmodell, das es in Italien und Teilen Spaniens gibt. Nach diesem Modell kann jeder einen Prozentsatz seines Einkommens einer bestimmten Einrichtung zukommen lassen, etwa der Kirche. "Alles, was freiwillig ist, ist zeitgemäßer", betonte er.

Hemel: Bistümer brauchen "professionell besetzte Finanzräte"

Darüber hinaus bräuchten die Bistümer in Deutschland "professionell besetzte Finanzräte". Auch müsse es einen Finanzausgleich zwischen den Bistümern geben. "Mehr noch: Die Gemeinden brauchen stärker als heute eigene Budgets und Entscheidungsrechte." Im Rahmen des weltweiten synodalen Prozesses, den Papst Franziskus im Oktober eröffnet hatte, ist Hemel Mitglied der Arbeitsgruppe für Finanzen. Er habe den Eindruck, dass die Kirche in diesem Bereich "stark in Richtung Partizipation und Transparenz unterwegs" sei.

Grundsätzlich sei er überzeugt, dass die Kirche sich neu erfinden könne, fügte Hemel hinzu. "Zwar können wir die massiven Krisenphänomene nicht übersehen. Und auch die Notwendigkeit nicht, dass wir nicht nur als Organisation, sondern auch als gläubige Menschen wieder an Glaubwürdigkeit gewinnen müssen." Es sei für größere Organisationen schmerzhaft, sich neu aufzustellen. "Aber es kann gelingen", so Hemel.

Theologe Hemel: Botschaft des Evangeliums wiederentdecken

Die Botschaft des Evangeliums muss nach seinen Worten wiederentdeckt werden. "Der Mensch als solcher zählt. Das ist die Zusage des Evangeliums".Hemel sprach sich für eine Segnung homosexueller Paare aus. "Eine Person, die von sich sagt, sie habe eine nicht binäre Form der Sexualität in ihrem Leben gefunden, ist und bleibt ein von Gott geliebter und gewollter Mensch. Wenn wir für diese Neubetrachtung auf unserem synodalen Weg eine Mehrheit gefunden haben, dann können wir das kirchliche Angebot wieder zum Leuchten bringen und verständlich machen." Im Reformprozess Synodaler Weg beraten die deutschen katholischen Bischöfe und das ZdK über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland.

Ordination von Frauen

Dies betreffe auch die Ordination von Frauen, fügte Hemel hinzu. "Es gibt nach meiner Auffassung keine überzeugenden Argumente mehr, Frauen den Zugang zu kirchlichen Ämtern zu verweigern. Die deutsche Kirche hat auch gegenüber Rom jedes Recht, diese Frage ernsthaft zu stellen."

Die Kirche habe einst als Bewegung begonnen, sagte der Theologe. Nun müsse sie wieder in Bewegung geraten. "Wenn eine Organisation erstarrt, dann muss man sie an ihre Ursprünge erinnern." Er sehe in diesem Punkt keine Divergenz zu Papst Franziskus, so Hemel. Und: "Wir haben alle Chancen, dass uns das hier in Deutschland gelingt." 

Ulrich Hemel

Professor Dr. Dr. Ulrich Hemel ist seit 2018 Direktor des Weltethos-Instituts in Tübingen und seit 2004 Direktor des von ihm begründeten Instituts für Sozialstrategie. 2017 übernahm er den Vorsitz des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU).

Hemel studierte Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Katholische Theologie, Philosophie und Sprachwissenschaften in Mainz und Rom. Es folgten verschiedene Lehrtätigkeiten und bald auch Aufgaben in der Wirtschaft, etwa als Projektleiter, Manager und Vorsitzender von Geschäftsleitungen.

Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel / © Daniel Hemel (KNA)
Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel / © Daniel Hemel ( KNA )
Quelle:
KNA