Nur fünf Frauen arbeiten in Führungspositionen im Vatikan

"Wir warten auf ein neues Gesetz"

Der Papst hat es angekündigt: 2019 kommt ein neues Grundgesetz. Es soll den Weg für mehr Laien in Führungspositionen im Vatikan ebnen. Auch für Frauen. Gudrun Sailer von Vatican News weiß, was bislang die Hürden sind.

Ordensfrauen und Bischöfe / © Harald Oppitz (KNA)
Ordensfrauen und Bischöfe / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie viele Frauen arbeiten in Führungspositionen im Vatikan?

Gudrun Sailer (Redakteurin bei Vatican News und Publizistin): Leider sehr wenige. Ich habe sie kürzlich gezählt, es sind fünf, davon vier beim Heiligen Stuhl und eine im Vatikanstaat. Diese eine im Vatikanstaat ist die Direktorin der Vatikanischen Museen, Barbara Jatta. Sie ist seit gut einem Jahr im Amt und wurde von Franziskus ernannt.

Das Überraschende ist, der Papst hat hier wirklich einmal ein Zeichen gesetzt. Wenn wir uns umschauen in den Führungsetagen der größten Museen der Welt – und dazu gehören die Vatikanischen Museen – ist die Direktorin der Vatikanischen Museen die einzige Frau. Egal wo Sie hinschauen, Berlin, New York, London, Paris mit dem Louvre, Madrid mit dem Prado, Petersburg mit der Ermitage: überall Männer – nur im Vatikan eine Frau.

Die vier übrigen weiblichen Führungskräfte sind beim Heiligen Stuhl tätig. Das ist für die katholische Kirche wichtiger, insofern der Heilige Stuhl ja die Verwaltungszentrale der Weltkirche ist. Dort werden Dinge entschieden. Hier liegt eben der Prozentsatz der Frauen in Führungspositionen bei vier von 80, das sind fünf Prozent. Mager, würde ich sagen.

Es ist aber eine Kurienreform in Vorbereitung. Ein Anliegen von Papst Franziskus ist es, gezielt mehr Frauen in Führungspositionen im Vatikan zu bringen. Wir warten also mit Spannung auf das neue Grundgesetz des Heiligen Stuhles, welches dieses Jahr kommen soll. Eine Frauenquote wird sicher nicht darin stehen, aber wir gehen davon aus, dass das Ganze so gestaltet ist, dass Führungspositionen so definiert sind, dass dafür auch Laien – und nicht mehr wie bisher nur Priester – infrage kommen.

DOMRADIO.DE: Sie haben den Verein "Donne in Vaticano" (D.VA. Frauen im Vatikan) 2016 mitgegründet. Über dieses Netzwerk haben Sie einen guten Einblick in die Strukturen des Vatikans. Was sind die Grenzen, an die Ihre Mitgliederinnen stoßen?

Sailer: Einige beklagen, dass ihre Fähigkeiten und Talente im Vatikan von ihren Vorgesetzten, die meistens Priester bzw. Bischöfe sind, nicht genug wahrgenommen werden. Generell ist für Laien im Vatikan immer an einem gewissen Punkt Schluss. Das gilt für Männer und Frauen gleichermaßen.

Dass die Vorgesetzten in den allermeisten Fällen Priester sind, hat sich in den letzten Jahren gelockert, namentlich im Medienbereich. Wir haben seit einem halben Jahr einen Präfekten, der nicht die Priesterweihe hat, ein verheirateter Mann, sehr erfahren als Medienmanager. Eine Präfektin wäre natürlich noch schöner gewesen, aber da ist schon ein Exempel statuiert. Denn was in der Kirche ein männlicher Laie machen kann, das kann auch eine Laiin machen. Da ist Hoffnung!

DOMRADIO.DE: Im Vatikan arbeiten Menschen aus der ganzen Welt. So kommen auch die Frauen in Ihrem Verein aus vielen Nationen. Wie unterschiedlich ist das Bild von Frauen im Vatikan schon allein in Ihrem Verein?

Sailer: Unsere Präsidentin kommt aus den USA. Die Vizepräsidentin aus Frankreich, geboren in Algerien. Die Schatzmeisterin kommt von den Kapverdischen Inseln in Afrika. Mehrere Italienerinnen sind natürlich auch im Verein dabei. Kürzlich haben wir eine Messe im Äthiopischen Kolleg in den Vatikanischen Gärten gefeiert. Ich saß auf der hintersten Bank, und das war schön zu sehen. Da saß die Schwedin neben der Inderin, die Libanesin neben der Japanerin.

Auch wenn "multikulti" für uns im Vatikan eigentlich Alltag ist – im wörtlichen Sinn von: viele verschiedene Kulturen miteinander. Wir haben eben etwas Zentrales gemeinsam und das ist nicht nur der Chef, für den wir alle arbeiten, der Papst, sondern wir teilen denselben Glauben. Das kann ganz unterschiedliche Formen annehmen. Dieser äthiopische Gottesdienst war z.B. sehr ungewohnt, aber es gehört alles zusammen und hat dieselbe Mitte. Der Verein der Frauen im Vatikan ist ein Stück Weltkirche im Kleinen.

DOMRADIO.DE: Erst im März kritisierten katholische Ordensfrauen die Ausbeutung durch Priester in der Vatikan-Zeitung "Osservatore Romano". In einem Artikel kommt eine Nonne anonym zu Wort und sagt: "Eine Frau zähle weniger als ein Mann und vor allem sei der Priester für die Kirche alles und eine Nonne nichts." Welche Reaktionen haben diese Berichte in Rom ausgelöst?

Sailer: Das ist viel diskutiert worden. Viele waren der Meinung: Das musste endlich aufs Tapet. Ich habe dieselbe Klage ja auch schon oft in einem Gespräch gehört, aber in einem Vatikanmedium eben noch nie. Das war gut und notwendig. Andererseits, wenn ich das persönlich anmerken darf, der Artikel war aus meiner Sicht etwas einseitig. Es gibt z.B. im Vatikan Ordensfrauen, die Kardinälen den Haushalt führen und das durchaus freiwillig, selbstbestimmt und die vom Kardinal sehr in Ehren gehalten werden.

Es gibt weibliche Ordensgemeinschaften, die diese Form von Dienst als Charisma haben, als Gründungsauftrag: Den Dienst halbtags im Haushalt und den Dienst in der Verkündigung oder in der Bildung, auch halbtags. Dass zu diesen Aufgaben auch Haushaltsführung gehört, dass ist für manche eine schwer erträgliche oder zumindest veraltete Vorstellung. Aber es ist die Wahl dieser Frauen und verdient als solche grundsätzlich Respekt. Als Katholikin muss ich eben auch akzeptieren, ja sogar begrüßen, dass das Katholische vielfältig ist. Wenn dann aber eine Form von Ausnutzung in dieses Dienstverhältnis zwischen Ordensfrau und Priester kommt, ist das natürlich abzulehnen. Das Risiko besteht schon, wie überall, wo ein Machtgefälle vorhanden ist – in der Kirche und außerhalb der Kirche.

DOMRADIO.DE: Sie arbeiten seit mehr als 15 Jahren als Journalistin und Publizistin im Vatikan. Was hat sich seitdem für die Frauen im Vatikan verändert?

Sailer: Es sind deutlich mehr Frauen geworden. In der Führungsebene geht es langsam, aber der Mittelbau wächst still und lautlos. Wir sind jetzt insgesamt an die 950 Frauen, die im Vatikan arbeiten. Das sind immerhin 21 Prozent. Vor allem aber: mehr Präsenz bedeutet mehr Wahrnehmung, mehr Selbstverständlichkeit, mehr Voranschreiten der Realität.

Weil Sie den Medienbereich ansprechen: Gut ist auch, dass Frauen-Themen mehr und mehr Beachtung finden. Es kommt halt jetzt auch mal als Thema vor, dass Frauen am Petersdom mitbauten. Dass Frauen die eigentliche Arbeit machen z.B. weltweit beim Kampf gegen Menschenhandel. Es kommt auch vor, dass männliche Journalisten weibliche Untersekretäre im Vatikan interviewen. Das gibt es auch. Steter Tropfen höhlt den Stein.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


 

Gudrun Sailer / © privat
Gudrun Sailer / © privat
Quelle:
DR