Akademie-Leiter Thomas Arnold zieht Bilanz auf domradio.de

Zwei Welten prallen aufeinander

AfD-Politiker und katholische Laien haben am Dienstag bei einem öffentlichen Streitgespräch über die Angst vor Flüchtlingen diskutiert. Das Gespräch lief erstaunlich gut, sagt der Leiter der katholischen Akademie Thomas Arnold.

AfD-Vize Alexander Gauland während eines Streitgespräches mit dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg , über die "Angst ums Abendland" / ©  Juergen Loesel (KNA)
AfD-Vize Alexander Gauland während eines Streitgespräches mit dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg , über die "Angst ums Abendland" / © Juergen Loesel ( KNA )

domradio.de: "Angst ums Abendland - Ein Streitgespräch über Identität" - so ist die Veranstaltung in Dresden bei Ihnen gestern überschrieben gewesen - wie strittig war das Streitgespräch - war es sogar hitzig?

Thomas Arnold (Leiter der katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen):  Als wir gefragt haben, wussten wir auch nicht wie es wird. Jetzt können wir sagen: Es haben sich alle Beteiligten, Diskutanten und Publikum auf eine Diskussion eingelassen, auf einem sehr guten Niveau mit Argumenten gegeneinander gestritten, ohne auf einer persönlichen oder emotionalen Ebene ausfällig zu werden.

Thomas Arnold (Bistum Dresden-Meißen)

domradio.de: Gauland war bis 2013 in der CDU, Sternberg ist noch aktiver CDU-Politiker - haben die beiden noch mehr Gemeinsamkeiten?

Arnold: Ich habe eher die Unterschiede gespürt. Da sind schon zwei Welten aufeinandergetroffen. Auf der einen Seite ein Herr Sternberg, der sehr stark dafür votiert, das Christliche hervorzuheben und dafür appelliert, sich zu engagieren in der Gesellschaft und sich auch in der Flüchtlingshilfe einzubringen. Ihm geht es darum, weltoffen zu sein, den interreligiösen Dialog zu suchen, sich auszutauschen und den Mut zur Veränderung zu behalten. 

ZdK-Präsident Thomas Sternberg / © Juergen Loesel (KNA)
ZdK-Präsident Thomas Sternberg / © Juergen Loesel ( KNA )

Und dann stand auf der anderen Seite Herr Gauland, der sagt, er möchte eine Grundsatzdebatte haben über Grenzsicherung, er möchte die Identität erhalten, indem er Deutschland so erhält, wie er es über Jahrzehnten kennt.

domradio.de: Aus der AfD ist immer wieder scharfe Kritik an den christlichen Kirchen zu hören. Jetzt haben Sie als katholische Akademie den Vize-Sprecher eingeladen. Haben Sie der AfD damit nicht ein Podium für ihre scharfe Rhetorik geboten?

Arnold: Wir spüren hier in Sachsen eine Angst in der Gesellschaft. Die Aufgabe der Kirche ist es, die Zeichen der Zeit, die Ängste und Nöte und auch die Freuden der Menschen wahrzunehmen. 

Das sagt uns schon die Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute "Gaudium et spes" (Freude und Hoffnung). Und wir haben uns deswegen entschieden zu sagen: Wir müssen über diese Fragen diskutieren, wir wollen nicht über die Argumente anderer diskutieren, sondern wir wollen sie hören und mit reinnehmen. Und dann soll das Publikum mit seinem Gewissen selber entscheiden, wem sie folgen wollen und welche Meinung sie überzeugt.

AfD-Vize Alexander Gauland beim Streitgespräch / © Juergen Loesel (KNA)
AfD-Vize Alexander Gauland beim Streitgespräch / © Juergen Loesel ( KNA )

domradio.de: Aber war es ein Risiko?

Arnold: Ja, das war ein Risiko, aber wir sind es bewusst eingegangen, haben die AfD eingeladen, um mit ihr zu streiten. Diejenigen, die gestern gut zugehört haben können sagen, die Argumente sind auf Dauer nicht haltbar.

domradio.de: Das christliche Abendland ist schon zu fast einem Kampfbegriff der AfD geworden - wie sehr wurde denn über Identität und Tradition gerungen?

Arnold: Das war der Titel der Veranstaltung. Wir hatten das eingereiht in ein neues Format "Kirche kontrovers", wo wir ganz aktuell Themen aufnehmen wollen. Die Identitätsfrage stand schon ganz am Anfang der Debatte. Gauland hat sehr stark dafür votiert, die Identität zu erhalten, indem alle Sachen so bleiben, wie sie sind. 

Herr Sternberg hat immer wieder gesagt, wir müssen Veränderung wagen um Identität zu erhalten. Gerade durch die Veränderung entstehe erst eine Identität. Das haben wir auch schon in der Geschichte erlebt.

domradio.de: Ganz aktuell: Unbekannte haben einen Bombenanschlag auf eine Moschee und ein Kongresszentrum in Dresden verübt. Wie sehr haben diese Ereignisse die Diskussion gestern bestimmt?

Arnold: In der Diskussion haben beide das natürlich verurteilt. Herr Gauland hat auch darauf hingewiesen, man wisse ja noch nicht aus welchem Hintergrund diese Anschläge geschehen sind. Aber ich finde das Argument von Herrn Sternberg sehr interessant, der nämlich sagte, solchen Taten gehe eine Verrohung der Sprache voraus. 

Das ist etwas, was wir sehr stark beobachten, dass es zu einer Verrohung der Sprache kommt, die dann Brandstifter für Taten wie ist Bautzen oder Heidenau ist. Und die Liste können wir weiterführen. Wir haben das ganz oft erlebt. 

Als katholische Akademie wollen wir dafür sorgen, dass wir wieder zu einer Sprache kommen, die miteinander diskutiert, die aber nicht zum Brandstifter für Taten wird gegen andere Gruppen und Religionen.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Migrationsbericht

Die meisten Zuwanderer kommen aus christlich geprägten EU-Staaten nach Deutschland. Das geht aus dem Migrationsbericht für 2013 hervor. Die auf den "Pegida"-Kundgebungen geäußerte Sorge einer drohenden Islamisierung Deutschlands lässt sich damit statistisch nicht belegen. Drei Viertel aller Zuwanderer kamen demnach aus Europa. Polen steht dabei an erster Stelle.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière stellt Migrationsbericht 2014 vor / © Britta Pedersen (dpa)
Bundesinnenminister Thomas de Maizière stellt Migrationsbericht 2014 vor / © Britta Pedersen ( dpa )
Quelle:
DR