Eine Diskussion über Kirche und Glauben

Und der Katholik ist "der Depp"

Die katholische Kirche befindet sich in einer tiefen Vertrauenskrise. Bischofskonferenz-Sprecher Mathias Kopp, Markenexperte Wolfram Domke und Journalist Johannes B. Kerner diskutierten in Köln über Auswege und Aufbrüche.

Autor/in:
Tobias Fricke
 (DR)

"Die vergangenen zwei Wochen waren nicht mehr schön", musste Matthias Kopp zugeben. Der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) vermied auch den Begriff "Krise" nicht. Zusammen mit TV-Moderator Johannes B. Kerner und dem Markenexperten Wolfram Domke diskutierte er am Donnerstagabend im Kölner Domforum unter dem Titel "Wir sind Papst - Kirche und Medien heute - Kirchenbild zwischen Selbstbild und Fremdinszenierung?" darüber, warum Kirche zurzeit in der Öffentlichkeit so schlecht dasteht. "Der Katholik ist im Moment der Depp", beschrieb der bekennende Katholik Johannes B. Kerner seine eigene Empfindung. Denn nicht nur die zahlreichen Missbrauchsfälle in katholischen Institutionen, die vor drei Jahren an die Öffentlichkeit gelangten, sondern auch die aktuellen Schlagzeilen haben den 48-jährigen Familienvater nachdenklich werden lassen. Damit meint er den Rausschmiss des Kriminologen Professor Pfeiffer, der die Studie zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche geleitet hatte. Er meint die telefonisch verweigerte Behandlung eines Vergewaltigungsopfers in einer katholischen Klinik. Und Kerner meint schließlich das ernüchternde Ergebnis der Katholiken-Studie, der so genannten Sinus-Milieustudie, die die mittelfristige Wirkung einer Vertrauenskrise widerspiegelt. Alle Vorfälle waren schlecht für das Image der katholischen Kirche, resümiert der Medienprofi. Natürlich sei es üblich, dass die Presse immer irgendeine "Sau durchs Dorf" treibe, allerdings sei das Dorf in diesem Falle ziemlich groß. Die Sau, um bei dem Bild zu bleiben, findet offenbar keinen Ausgang.

Dabei hat Kirche nicht nur schon über 2000 Jahre überlebt, jeden Sonntag gibt es zehnmal mehr Gottesdienstbesucher als Gäste in den Stadien der Bundesliga, der Weltjugendtag in Köln (2005) hat über eine Million Besucher angezogen und der Papstbesuch in Deutschland (2011) große Beachtung gefunden. Trotzdem mache die Kirche offenbar zu wenig aus dem "super Markenkern", den Markenexperte und Leiter des Kölner Rheingold-Institus Wolfram Domke der Kirche attestiert. Dabei könne sich die Kirche mit einem knackigen Werbespruch modern präsentieren, sein Vorschlag: "Wenn du wirklich daran glaubst, ist alles möglich". "Allerdings", schiebt Domke hinterher, "gibt es diesen Claim bereits. Red Bull wirbt damit für seine Marke. Warum stattdessen nicht die Kirche?" Nach seinem Empfinden bewegt sich Kirche zu wenig. Psychologisch sei erwiesen, dass man eine Marke nur bewahren kann, indem man sie verwandelt. Also Metamorphose statt Konservieren. Sonst könne man nichts mehr mit der Marke anfangen. "Und an diesem Punkt ist die Kirche zurzeit", so der Wissenschaftler. "Sie holt die Menschen nicht mehr dort ab, wo sie stehen."

"Kirche hat den Mut, den Fels des Glaubens weiter zu schützen, aber den Aufbruch weiter zu wagen"

Den Vorwurf einer "viel zu eingeschränkter Realitätswahrnehmung“ auf die Kirche musste sich Domke allerdings von Matthias Kopp gefallen lassen. Der Pressesprecher der 27 deutschen Bischöfe verwies den Markt- und Meinungsforscher auf den auf Vertrauensgewinn angelegten Dialogprozess der Bischofskonferenz mit dem Titel "Im Heute glauben" und den vergangenen Katholikentag, der unter dem Slogan "Den Aufbruch wagen" stand. Kopp stellte klar: "Kirche hat den Mut, den Fels des Glaubens weiter zu schützen, aber den Aufbruch weiter zu wagen." Zum angeblichen Verlust der Markenbedeutung von Kirche nannte der DBK-Sprecher kirchliche Institutionen wie die Caritas und den Bund der deutschen katholischen Jugend, außerdem zahlreiche "Biotope des Glaubens", die sich als Ergebnis des Kölner Weltjugendtags sogar im wenig religiösen Ostdeutschland gebildet hätten. Dies reiche als Marke. Und in dem Punkt sprang Johannes B. Kerner dem Sprecher der Bischofskonferenz bei: Es mache die Kirche ja gerade so sympathisch, dass sie keinen Werbespruch brauche und "dass sie gar nicht viel Wert darauf legt, trendy zu sein".

Als selbstkritisches Resümee beschrieb Matthias Kopp die Hausaufgaben, die er mit in die Bischofskonferenz nimmt: Kirche müsse sich mehr ins Gespräch bringen und in Themen einmischen, strategisch besser auftreten, immer Mut zur Wahrheit haben sowie eine klare Sprache sprechen, woran es häufig aufgrund der Komplexität der Themen hapere. Johannes B. Kerner packte die Frage nach dem Ausweg aus der schlechten öffentlichen Wahrnehmung ganz pragmatisch an und beschrieb die Situation die er als Elternvertreter an einer katholischen Schule erlebt hat. Nach einer Sitzung hatte den Vorschlag gemacht zu beten. "Im Zweifel, wie es der Herr uns gelehrt hat. Und die Leute waren begeistert." Gemeinsam beteten sie das Vater Unser. Und dieses Erlebnis im Kleinen könne auch global funktionieren. Jeder habe die Verpflichtung die Frohe Botschaft zu vermitteln. "Immer schön tolerant den anderen gegenüber, aber mit dem festen Wissen und dem guten Gefühl, dass man etwas Gutes glaubt."


Quelle:
DR