Israel Museum zeigt Ausstellung zu Religion und jüdischer Magie

Wo die Grenzen verschwimmen

Wo verläuft die Grenze zwischen Religion und Magie? Und welche Funktion hat ein religiöser Text in einem Talisman? Eine neue Ausstellung im Jerusalemer Israel Museum sucht nach Antworten.

Israel Museum in Jerusalem  (shutterstock)

Wo hört Religion auf und fängt Magie an? Wie hängen religiöse Texte und magische Schutzrituale zusammen? Und warum ähneln sich christlicher und jüdischer Volksglaube so sehr? Die komplexe Beziehung zwischen Religion und Magie ist Thema der Ausstellung "Höre, Israel: Die Magie des Schma" im Israel Museum in Jerusalem. Zu sehen ist sie bis 23. April.

Der erste religiöse Text

"Schma Jisrael, höre, Israel, der Herr, unser Gott, der Herr ist einzig" sind die ersten Worte des Bibelabschnitts, der auch als "jüdisches Glaubensbekenntnis" bezeichnet wird. Das "Schma Jisrael" ist traditionell der erste religiöse Text, den Kinder lernen - und oft der letzte, der auf dem Totenbett gesprochen wird. Es ist das Herzstück des Morgen- und Abendgebets - und prominentester Text auf Amuletten und anderen Gegenständen, die Schutz und Wohlergehen bringen sollen.

Nancy Benovitz zeigt auf ein silbernes Armband aus dem 6. oder 7. Jahrhundert. Es stammt aus einer Sammlung christlicher Artefakte. Ohne Punkt und Komma sind altgriechische Buchstaben eingraviert. Zwei wiederkehrende Worte, "ganz" und "lieben", gaben der gläubigen Jüdin und Spezialistin für griechische Epigraphik in der archäologischen Abteilung des Museums den entscheidenden Hinweis. Was sie für einen unbekannten christlichen Text hielt, entpuppte sich als der erste Paragraf des Schma.

Warum aber steht der vielleicht jüdischste Text auf einem Armreifen, der dem christlichen Schmuck seiner Zeit so ähnlich sieht? Benovitz stellte Nachforschungen an, deren überraschende Ergebnisse in der Ausstellung mündeten. "Seit der Antike wurde das Schma in schutzmagischer Weise genutzt und wird es bis heute", erklärt die Expertin.

Armreifen und Schma-Amulette

Wie verbreitet der Text auf Schutz versprechenden Gegenständen ist und wie wenig sich im Laufe der Jahrhunderte an deren Gestalt und Inhalt verändert hat, zeigt ein Gang durch die Ausstellung mit Stücken von der Antike bis in die Gegenwart.

Da sind die antiken Amulette und Armreifen, von denen Benovitz glaubt, dass sie ihren Ursprung in der Popularität ihrer Zeit haben. "Was machte ein Jude, der den gleichen Armreif haben will wie sein christlicher Nachbar? Er wählt einen jüdischen Text", sagt Benovitz.

Noch verbreiteter als die Schmuckstücke, die den schützenden Text offen zeigen, ist die verhüllende Version: den Text aufgerollt in einer Kapsel verborgen. Das älteste Ausstellungsstück und zugleich das älteste bekannte Schma-Amulett ist ein goldenes mit einer Kapsel, die den hebräischen Text des Schma in griechischer Transliteration enthält. Gefunden wurde es in einem Kindergrab aus dem dritten Jahrhundert im burgenländischen Halbturn unweit von Wien.

Magische Literatur

Zu sehen sind auch Schalen mit Dämonendarstellungen und Beschwörungsformeln aus dem alten Babylonien sowie magische Literatur. Wie eine Art Rezeptbuch der Magie gibt sie Handlungsanleitungen zur Heilung aller möglichen Übel. Der Aktivierungscode der magischen Handlungen: das Rezitieren des Schma.

"Selbst in der Bibel gibt es haufenweise Magie - aber viele Menschen stören sich an dem Begriff", sagt die Kuratorin. Schutzmagie sei aber zutiefst menschlich. "Mit einem Amulett schütze ich das, was mir am Herzen liegt, gegen das, wovor ich Angst habe."

Besonders deutlich wird die Schnittstelle von Religion und Magie an Tefillin (Gebetsriemen) und Mesusot (Schriftkapseln für Türpfosten) am Schluss der Ausstellung. Beide rituellen Gegenstände sind nach jüdischem Religionsrecht vorgeschrieben; beide enthalten den Text des Schma - und beide gelte als schützend.

Die Mesusah am Türpfosten, so der Volkskundler Juval Harari von der Ben-Gurion Universität, könne einerseits den Eintretenden an seinen Glauben erinnern und andererseits als Schutz für das Haus und die in ihm Lebenden empfunden werden. Religion und Magie, so das Fazit der Ausstellungsmacher und Experten, sind irgendwie untrennbar, nicht nur in der jüdischen Welt.

Von Andrea Krogmann 


Quelle:
KNA
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