Felicitas Hoppe geht in Ihrem Nibelungenroman auf Schatzsuche

“Sammelt euch keine Schätze”

In ihrem Roman "Die Nibelungen" erzählt Felicitas Hoppe vom Begehren, Liebe und Rache. Die archetypischen Motive der Nibelungensage. Dabei macht sie den Nibelungenschatz zum Hauptdarsteller und entdeckt in dem Epos auch christliche Motive.

Felicitas Hoppe / © Anita Affentranger (Fischer)
Felicitas Hoppe / © Anita Affentranger ( Fischer )

“Die Figuren der Nibelungensage sind uns auf eine bestimmte Weise natürlich ganz fern und entrückt”, sagt Felicitas Hoppe im DOMRADIO.DE Interview: “Sie kommen aus einer Welt, die wir heute so nicht mehr kennen, diese Welt des Mittelalters, des höfischen Lebens. Und zugleich sind sie aber grundiert von Dingen, die uns auf ganz faszinierende Weise vertraut vorkommen. Es geht ja um Liebe, es geht um Rachegefühle, es geht um Begehren. Alle wollen diesen Schatz haben, der sicher das zentrale Requisit in der Geschichte ist".

Und deshalb löse das Heldenepos ein Angezogen- und Abgestoßen-sein aus, eine Nähe und zugleich eine große Fremdheit, ist die Autorin überzeugt. Und aus dem entstehe etwas, was uns bis heute reize. Und das wollte Felicitas Hoppe, so sagt sie, erkunden, das sei ihr  wichtig gewesen.

Die Nibelungensage mit dem sagenumwobenen Nibelungenschatz. Felicitas Hoppe wagt sich in ihrem Roman an das weltbekannte Epos. Zentral in ihrem Buch ist der Schatz der Nibelungen. “Der Schatz ist wunderbarerweise ein Motiv, das in der Weltliteratur von der Bibel bis in die Jetztzeit ständig auftaucht”, sagt die Autorin. “Wir kennen den berühmten Satz: ‘Sammelt euch keine Schätze auf Erden’, und trotzdem sind wir alle unglaublich angezogen, gebannt vom Glanz des Goldes. nicht nur Dagobert Duck, der in seinen Münzen badet. Und wir wissen zugleich, dass wir die Versprechungen, die mit dem Schatz einhergehen, nie erreichen können. Moderner geht es gar nicht”.

Alle wollen den Schatz

Hoppes Nibelungenroman spielt in Worms, am Rhein, in der Jetztzeit, während der Nibelungenfestspiele, die dort in jedem Jahr stattfinden. Doch bevor es losgeht, treffen sich im ersten Kapitel die Schätze. Eine bunte Schar metaphysischer, übersinnlicher Wesen im himmlischen Reich der Schätze. “Und da gibt es einen Schatz”, erzählt Hoppe, “der hat den Spitznamen ‘Goldene 13’. Das klingt ein bisschen nach Kinderbuch, und es kann auch gerne so sein. Und der sagt dann, ‘immer nur die Schätze. Ich will mal zu den Menschen gehen und gucken, was da so los ist’, und er entfernt sich von der Truppe und merkt sofort, wenn man sich als Schatz exponiert und sich sichtbar macht und sagt: 'Hallo, da bin ich, ich bin das Geld, ich bin das Gold, ich bin die Liebe'. Dann wollen ihn alle haben”.

Vom ewigen Begehren nach Gold und Glanz

Der Schatz mit dem Namen ‘Goldene 13’ steigt also aus dem Himmel der Schätze hinab auf die Erde und schlüpft ausgerechnet in die Rolle des Nibelungenschatzes. Auf Erden wird er dann ziemlich gerupft. “Er verliert dabei ein Bein. Er taumelt dann so durch die Welt und das hat mir gefallen”, schwärmt die Schriftstellerin: “Also einen wandernden Schatz zu zeigen, der durch das Begehren der Menschen ständig gefährdet ist. Aber am Ende setzt er sich dann doch durch”. Der Nibelungenschatz ist der Hauptdarsteller im Drama der Nibelungen von Felicitas Hoppe, neben natürlich: Siegfried, Hagen, Brunhild und Kriemhild, die verstrickt sind im Drama um Liebe, Macht und Begehren.

“Ihre Schwierigkeit besteht darin, dass sie in ihrer Wahrnehmung der Welt Gefangene bleiben”, erklärt Hoppe: “Sie haben einen Ehrenkodex, sie haben eine Art zu handeln, eine spezifische Form von Moral und der folgen sie ganz, ganz konsequent. Aber die ist einfach nicht mit der Moral der anderen kompatibel. Das heißt, für sich genommen hat jede Figur recht, Brunhild, Kriemhild Hagen. Aber in der Gemeinschaft geht dieses Handeln dann nicht auf, weil sie keine verbindliche Moral haben. Und das finde ich faszinierend, weil es uns natürlich auch darauf hinweist, was passiert, wenn Menschen nicht miteinander reden – und das tun sie ja nicht, sie reden ja nicht miteinander”.

Das zeitlos Aktuelle an der Nibelungensage macht Felicitas Hoppe in ihrem Roman deutlich. Die Hauptdarsteller bleiben in ihrer Wahrnehmung der Welt gefangen. Sie sind für sich genommen geschlossene Systeme, die dann aufeinander losgehen. Wer denkt da nicht an die Blasen im Internet, die sich monströs aufplustern?

Christentum macht mythische Gestalten für sich nutzbar

Die Nibelungensage ist eine heidnische Legende. Und doch finden sich im Roman von Felicitas Hoppe viele katholische Motive. Da taucht der heilige Christophorus auf. Der Kaplan des Königs spielt eine große, wichtige Rolle. Oder Kriemhild, die den Tisch zum letzten Abendmahl deckt. “Gerade wenn wir jetzt vom Katholizismus sprechen, der bedient sich ja nun auf genialische Weise all dieser Übergangsmotive”, sagt die Autorin: “Also wenn ich jetzt die Heiligenlegenden nehme, Christophorus, der ein heidnischer Riese war etc., dann merke ich, dass das Christentum diese alten mythischen Gestalten zu seinen Zwecken nutzbar macht. Und insofern gehen die Dinge ganz wunderbar ineinander”.


Quelle:
DR