Wie Chöre unter der Corona-Pandemie leiden

Es geht bei vielen um die Existenz

Die Corona-Pandemie wirkt sich auch auf die Chöre aus, da keine regulären Proben mehr möglich sind. Eine Studie der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt hat den Zustand der Chöre untersucht. Bei einigen geht es um die Existenz.

Gesangbücher eines Kirchenchores / © Elisabeth Rahe (KNA)
Gesangbücher eines Kirchenchores / © Elisabeth Rahe ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie Ihre Studie aufgebaut?

Prof. Dr. Kathrin Schlemmer (Professorin für Musikwissenschaft an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt): Wir wollten möglichst viele Personen erreichen. Deswegen haben wir eine Online-Befragung gemacht, die wir an die Verantwortlichen für Chöre verteilt haben, also nicht an sämtliche Sängerinnen und Sänger in deutschen Chören, sondern wir haben sie an Chorleiter und -leiterinnen geschickt und auch an Chor-Manager und -Managerinnen.

DOMRADIO.DE: Und was haben haben Sie dabei herausgefunden?

Schlemmer: Wir haben erfragt, wie es momentan mit den Mitgliedern aussieht. Und da haben wir herausgefunden, dass tatsächlich ein großer Teil der Mitglieder nicht mehr aktiv ist. Nur ungefähr ein Drittel der Chöre arbeitet momentan in ihrer vollen Stärke, wobei volle Stärke auch heißt, dass sie nicht alle gleichzeitig singen, sondern zum Teil in Kleingruppen, mehrere nacheinander.

Wir haben auch herausgefunden, dass die Probensituation wirklich stark reduziert war. Das heißt, nicht alle Chöre, nur weniger als die Hälfte der Chöre arbeiten mit digitalen Proben, weil es da einfach viele Schwierigkeiten gibt.

Immerhin arbeiten Dreiviertel der Chöre mit Präsenzformen in der einen oder anderen Form, also Freiluft, Kleingruppen sowie Stimmproben oder solche Sachen. Aber auch da werden nicht alle Mitglieder erreicht. Das heißt, es gibt einfach viele, die seit einem Jahr nicht singen.

Darunter leidet die musikalische, aber auch die mentale Verfassung der Chöre. Das heißt, den Mitgliedern, für die das ein bisschen mehr ist als ein reguläres Hobby, geht es einfach schlechter. Und natürlich sinkt auch die musikalische Qualität, wenn man nicht proben kann und auch keine Aussicht auf Konzerte hat.

DOMRADIO.DE: Die Stimme wird nicht mehr ganz so gefordert und die Stimmung sinkt dabei dann vermutlich auch. Kann man es so zusammenfassen?

Schlemmer: Die Stimmung sinkt auf jeden Fall. Denn Chorsingen ist etwas, das für viele ein ganz, ganz wichtiger Ausgleich im Alltag ist und was ja auch erwiesenermaßen das Wohlbefinden steigert. Das findet jetzt entweder nicht statt oder in einem sehr reduzierten Format, weil man ja digital nicht wirklich zusammen singen kann.

DOMRADIO.DE: Wird sich die Chorlandschaft dann wieder erholen oder bleibt sie nachhaltig verändert?

Schlemmer: Wir hoffen es natürlich, dass sie sich erholt. Momentan proben knapp sieben Prozent der Chöre gar nicht. Das ist eine Momentaufnahme im März, wo vieles auch durch den Lockdown noch nicht möglich ist. Aber man weiß natürlich nicht, ob die alle reaktivierbar sind.

Was uns mit Sorge erfüllt, ist, dass besonders die Kinder- und Jugendchöre einen größeren Anteil an nicht aktiven Personen haben. Das heißt, es gibt hier vielleicht eine Gruppe, die jetzt einfach aus der Chorentwicklung rausfällt. Ob die dann später in einen Erwachsenenchor reingehen, kann man jetzt noch nicht sagen.

Aber wir haben schon die Sorge, dass die Chöre, die vorher schon Mitgliederprobleme hatten - nur einen Tenor oder so -, dass die jetzt ganz aufhören müssen.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Digitale Chorprobe via Mikrophon und Laptop / © DR (DR)
Digitale Chorprobe via Mikrophon und Laptop / © DR ( DR )

Kathrin Schlemmer / © Christian Klenk (privat)
Kathrin Schlemmer / © Christian Klenk ( privat )
Quelle:
DR
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