Benediktinerpatres schreiben Blog über die Corona-Pandemie

“Corona nimmt uns in den Schwitzkasten”

Zwei Patres der Benediktiner-Abtei Gerleve sprechen darüber, wie sie das Corona-Virus auf andere Gedanken brachte und wie daraus ein Buch geworden ist. “77 Tage Ausnahme Leben”, heißt das Buch, das aus einem täglichen Blog entstanden ist.

Eine Frau mit Mundschutz auf dem Petersplatz (Archiv) / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Eine Frau mit Mundschutz auf dem Petersplatz (Archiv) / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

“Corona geht auf die Nerven, an die Nerven, an die Haut. Man kann nicht mehr entfliehen. Das Leben engt sich ein und nimmt einen in den Schwitzkasten”. Das sagt Pater Elmar Salmann. Gemeinsam mit Pater Marcel Albert hat er auf den Internetseiten der Benediktinerabtei Gerleve zu Beginn des Corona-Lockdowns einen täglich erscheinenden Blog angefangen. Dieser Blog ist nun im Vier-Türme-Verlag als Buch erschienen. ’77 Tage Ausnahme Leben. Wie ein Virus uns auf andere Gedanken brachte’, heißt das Buch.

Auf brüchigem Eis unterwegs

“Es ist eine Art ständiger Unfassbarkeit der Bedrohung, der Unsicherheit, der Zerbrechlichkeit, die einen auch zermürbt, als ob man auf brüchigem Eis ginge", sagt Pater Elmar. Auf einmal kommt uns unsere persönliche Zerbrechlichkeit nah. Und die Angst vor der Krankheit, vor dem Schmerz. “Es ist ein dumpfes Gefühl, dem Schicksal ausgesetzt zu sein. Wenn man aber als Seelsorger erkrankten Menschen beisteht und in solchen Situationen noch einmal Worte finden muss, wird man auch von den eigenen Fixierungen auf Ängste erst einmal befreit. Die Ängste relativieren sich dann”, erzählt Pater Elmar.

Weihwasser verboten

Corona im Kloster. Wie ist das nun? Was ändert sich? Was macht das mit den Mönchen? Pater Marcel erzählt wie sich auch das Leben in den täglichen Ritualen ändert und welche Auswirkungn das hat. “Eine der ersten Erfahrungen war, dass das Weihwasser in den Kirchen abgeschafft wurde. Diese kleine Geste, die uns unendlich vertraut ist, die wir so oft am Tag als Benediktiner machen, sich mit dem Weihwasser zu bekreuzigen. Auf einmal fällt das weg. Diese ritualisierte Tauferinnerung gab es nur noch intellektuell.

Als dann die Leute nicht mehr in unsere Gottesdienste ins Kloster kommen konnten, gab es die Teilnahme digital durch einen Live-Stream. Da stellten wir uns die Frage Was bedeutet es eigentlich, körperlich dabei zu sein? Wo ist der Unterschied zwischen digitaler Präsenz und leiblicher Präsenz?” Im Blog denken die beiden Patres auch über Körperlichkeit und Leiblichkeit nach. Pater Marcel stellt die Frage, werden wir uns überhaupt eines Tages wieder die Hände schütteln können? Und was bedeutet dieses Hände-schütteln für uns, das jetzt wegfällt. “Das haben wir jahrzehntelang scheinbar nebenbei praktiziert. Jetzt wird mir klar, wie gut es ist, einen Menschen tatsächlich berühren zu können. Und das hat viel mit der Leiblichkeit zu tun”.

Jetzt besteht die Chance, nachzudenken

Corona stelle unsere ganze Gesellschaft auf die Probe, erklärt Pater Elmar. Die Firmen, die Politik und die Kirche im Großen wie auch im Kleinen. Die Corona-Pandemie sei eine Feuerprobe und Pressprobe. “Was ist an dir dran, wenn dir so viel genommen wird?”, diese Frage steht für alle im Raum.

Für die beiden Patres ist klar, Corona wird unsere Gesellschaft verändern, die übersättigt ist, die sich in ihrer Beschleunigung totläuft. Jetzt bestehe die Chance, nachzudenken -  über andere alternative Umgangsformen, Stilformen, über andere Rhythmen. Und auch die Kirche werde sich durch Corona verändern, ist Pater Elmar überzeugt. “Es ist offenkundig, dass etwas im kirchlichen System implodiert, und das wird jetzt durch Corona noch einmal beschleunigt werden und uns drängen, andere kirchliche Stile und Formen zu finden, die vielleicht der demokratischen Gesellschaft näher liegen”.

Was macht Gott da mit uns?

In der Corona-Krise taucht natürlich auch die Frage nach Gott auf. Was macht er da mit uns? Was fällt Gott ein? Warum beschützt er uns nicht besser? “Gott ist kein chirurgischer Gott, der wie ein operierender Arzt eingreift, sondern einer der weiten Horizonte”, sagt Pater Elmar. “Wie Eltern nicht einfach ihre Kinder heilen können, sondern begleiten können, kann auch Gott uns Geleit geben. Er kann uns weitere und andere Welten ahnen lassen. Er kann mit uns gehen und uns daran erinnert, dass es immer noch die Möglichkeit einer kreativen Freude und Entdeckung inmitten noch so großer Bedrückung und Bedrängnis gibt”.

Corona ist eine Herausforderung für alle. Pater Salmann nennt die Pandemie eine archaische wuchtige Erfahrung des Einschnitts, die auch Narben hinterlassen werde – aber auch Einsichten. “Die Pandemie macht uns unsere Beschränktheit und Begrenztheit deutlich, aber auch welche Ressourcen wir haben. Ich bin ungemein erstaunt, wie unsere Zivilgesellschaft tapfer und mit Augemmaß auf diese Situation reagiert hat und ich hoffe, dass davon Spuren bleiben.”


Pater Elmar Salmann / © Jörg Schellschmidt (Benediktinerabtei Gerleve)

Pater Marcel Albert / © Jörg Schellschmidt (Benediktinerabtei Gerleve)

Die Benediktinerabtei Gerleve / © Marc Venema (shutterstock)
Die Benediktinerabtei Gerleve / © Marc Venema ( shutterstock )
Quelle:
DR