Neuer Duden kommt

Der dickste, den es je gab

Alle drei bis fünf Jahre kommt eine Neuauflage. Im neuen Duden spiegelt sich die Geschichte der Bundesrepublik. 3.000 Wörter wurden neu aufgenommen, 300 wurden gestrichen. Auch Corona findet Widerhall. Der Pfarrherr ist auf der Wortmüllkippe gelandet.

Autor/in:
Christoph Arens
Eine Reihe häufiger Wörter aus der Corona-Krise ist in den Duden aufgenommen worden / © Wolfgang Kumm (dpa)
Eine Reihe häufiger Wörter aus der Corona-Krise ist in den Duden aufgenommen worden / © Wolfgang Kumm ( dpa )

Sprache lebt. Wörter werden geboren und sterben. Wie sich bei der Neuauflage des Rechtschreibedudens zeigt, der am Mittwoch auf den Markt kommt.

Alle drei bis fünf Jahre wird das Werk aktualisiert. Grundlage ist eine elektronische Textsammlung, der "Dudencorpus", der mittlerweile mehr als 5,6 Milliarden Wortformen umfasst, geerntet aus literarischen Texten, Zeitungsartikeln bis hin zu Bastel- und Gebrauchsanleitungen. Wörter, die sich lange halten und häufig gebraucht werden, sind dann Aufnahmekandidaten für den dicken gelben Wälzer. Ein riesiger Wortschatz, der ständig wächst. Der Duden ist damit zu einer zentralen Instanz für die deutsche Sprache geworden.

Der Name des Werks geht auf den im nordrhein-westfälischen Wesel geborenen Sprachforscher Konrad Alexander Friedrich Duden (1829-1911) zurück. Er verfasste das erste Nachschlagewerk und gilt als der Vater der deutschen Rechtschreibung. Sein "Urduden" von 1880 enthielt gerade mal rund 27.000 Einträge. Mit jetzt insgesamt 148.000 Stichwörtern sei die 28. Auflage die umfangreichste, die es je gab, teilte die Redaktion am Montag in Berlin mit. 3.000 Wörter sind neu. Der "Duden - Die deutsche Rechtschreibung" ist 1.296 Seiten dick; die letzte Auflage stammte aus dem Jahr 2017.

Ansteckungskette und Social Distancing

Der deutsche Wortschatz sei zuletzt vor allem in den Bereichen Technik, Klima/Umwelt, Verkehr/Mobilität, Gender, Medizin/Gesundheitswesen und Politik/Verwaltung gewachsen, berichtet Pressesprecherin Nicole Weiffen. "Es sind zumeist Komposita, die aus vorhandenen Wörtern oder Wortteilen neu zusammengesetzt wurden, oder Übernahmen aus Fremdsprachen."

Für Historiker könnten die neu aufgenommenen Begriffe Bausteine für eine Geschichte der Bundesrepublik sein: Wörter aus der Umweltdebatte wie Fridays for Future, Mikroplastik, bienenfreundlich, Insektensterben oder Dachbegrünung haben ebenso ihren Platz gefunden wie Ausdrücke aus dem Sport: Geisterspiel und Videobeweis haben den Sprung in den Rechtschreibeduden geschafft und dokumentieren damit die aktuelle Weiterentwicklung der deutschen Sprache.

Auch Spuren der Corona-Pandemie finden sich in der Neuauflage. Neu dabei sind Begriffe wie Ansteckungskette, Atemschutzmaske, Covid-19, Herdenimmunität, Shutdown, Reproduktionszahl oder Social Distancing. Es gibt aber auch rund 300 Wörter, die an Altersschwäche gestorben oder die auf der Wortmüllkippe gelandet sind. So erging es dem Pfarrherrn, der Kammerjungfer und dem Fernsprechanschluss.

Gendersternchen setzt sich durch

In der immer wieder auflebenden Debatte um einen zu hohen Anteil an Fremdwörtern räumt die Leiterin der Duden-Redaktion, Kathrin Kunkel-Razum, ein, dass der Anteil der Anglizismen steigt. "Das hat natürlich einerseits damit zu tun, dass viele technische und kulturelle Neuerungen aus den englischsprachigen Ländern stammen und samt ihrer Benennung von uns übernommen werden", sagt sie. "Es hat aber auch damit zu tun, dass die Fremdsprachenkenntnisse, so auch die des Englischen, hierzulande immer weiter wachsen, viele Menschen international arbeiten und sich dabei auch der englischen Sprache bedienen und somit die Hemmschwellen für den Gebrauch von Anglizismen niedriger werden."

Aber auch lateinische, griechische oder französische Wörter spielen im deutschen Wortschatz weiterhin eine große Rolle - "weil sie ja einen wesentlichen Kern unserer Sprache darstellen, der nicht einfach unwichtig wird oder verschwindet", sagt die Redaktionsleiterin. "Aber es kommen derzeit nicht so viele einfache Wörter aus dem aktuellen Griechischen oder Französischen zu uns."

Erstmals enthält der neuen Rechtschreibduden Hinweise zum gendergerechten Sprachgebrauch. "Wir können und dürfen aber keine Regel vorgeben", betont Weiffen. "Selbst der Deutsche Rechtschreiberat hat sich noch nicht darauf verständigt." Die Redaktion erhalte aber sehr viele Anfragen zu dem Thema - und deshalb wolle man zur Debatte beitragen.

So heißt es beispielsweise zum Gendersternchen: Es sei zu beobachten, dass sich diese Variante in der Praxis "immer mehr durchsetzt". Das gelte etwa für Zusammenhänge, in denen männlich und weiblich gleichzeitig gemeint sei, wie etwa bei "Schüler*innen".


Quelle:
KNA