Als erstes Fußballmagazin ist das Blatt heute noch Leitmedium

100 Jahre "Kicker" - Missionsarbeit für "Fußlümmelei"

"Der Kicker" ist für Spieler und Fans noch heute eine Instanz. Vor 100 Jahren druckte Fußball-Pionier Walther Bensemann das erste Sportmagazin in Deutschland, um den verpönten Sport von der Insel zu etablieren.

Autor/in:
Rainer Nolte
Symbolbild Fußball / © pixfly (shutterstock)

Fußballer haben wohl schon immer gerne posiert: Heute reckt Manuel Neuer den DFB-Pokal auf den Titelblättern der Gazetten in die Höhe und vor 100 Jahren ließen sich elf Karlsruher Spieler mit stolzgeschwellter Brust ablichten. "Aus Karlsruhe's Glanzzeiten" titelte der erste "Kicker" am 14. Juli 1920.

Fußball in Deutschland populär machen

Auf 20 Seiten widmete sich damals Gründer Walther Bensemann (1873-1934) seinem Lieblingsthema: den Fußball in Deutschland populär zu machen. Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts hatte er seine Mission begonnen, den noch jungen Sport als Mittel zur Völkerverständigung populär zu machen. Früh gründete er die ersten Vereine im Kaiserreich und organisierte im Dezember 1898 die "Ur-Länderspiele" deutscher Auswahlmannschaften. Kein Wunder, dass er 1900 an der Gründung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) beteiligt war.

Im Deutschen Reich als «englische Modetorheit» und "Fußlümmelei" verpönt, versuchte Publizist Bensemann, den Fußball auch in Lokalzeitungen zu etablieren. Schließlich gründete er 1920 in Konstanz sein "Missionsmagazin". Über Stuttgart und Ludwigshafen landete "Der Kicker" 1926 in Nürnberg, wo er auch heute seinen Hauptsitz hat.

Dunkle Zeiten im Zweiten Weltkrieg

Nur wenige Jahre nach der Gründung folgten dunkle Zeiten: Als die Nationalsozialisten an die Macht gelangten, emigrierte der jüdischstämmige Bensemann im März 1933 in die Schweiz. Er starb am 12. November 1934 in Montreux. Der Zweite Weltkrieg zwang dann auch den Kicker in die Knie. Zunächst wurde das Blatt ab April 1943 mit der Zeitschrift "Fußball" zusammengelegt und erschien statt wöchentlich nur noch vierzehntägig. Ab Oktober 1944 war dann ganz Schluss.

Kicker wird neu gegründet

In der Nachkriegszeit brachte der Nürnberger Olympia-Verlag 1946 die Zeitschrift "Sport" auf den Markt. 1951 gründete der «Sport»-Chefredakteur Friedebert Becker den "Kicker" neu. Nach einigen Jahren des parallelen Erscheinens kaufte der Olympia-Verlag den "Kicker", der mittlerweile vom Konkurrenten Axel Springer produziert wurde. 1968 wurden die beiden Magazine dann zum "Kicker-Sportmagazin" vereinigt und auch die Torjägerkanone wird seitdem vom Magazin an den Torschützenkönig der Bundesliga vergeben.

Nunmehr seit über 50 Jahren sind Montag und Donnerstag "Kicker"-Tage, zweimal in der Woche saugen die Fans ihre Infos aus dem Blatt - aber nicht nur die: Auch Fußballer nähmen den "Kicker" als Instanz wahr, die ihnen glaubwürdig zeige, was relevant sei, so Chefredakteur Jörg Jakob im BR-Interview. Als Alleinstellungsmerkmal des "Kicker" nennt Jakob dessen "hybride Erscheinungsform" in einer Mischung von Zeitung und Zeitschrift.

Auflage sinkt wegen Digitalisierung

Wie bei nahezu allen Printprodukten sank in den vergangenen Jahren die Auflage rapide: Während 2006 noch jede der beiden "Kicker"-Ausgaben über 200.000 Exemplare an den Fan brachte, kommen sie derzeit zusammen auf rund 210.000 verkaufte Hefte. Der Verlag setzte allerdings schon früh auf das Internet - seit 1997 existiert das Online-Angebot und heute löst eine eigene Kicker-App bei jedem Treffer einen "Toralarm" auf den Smartphones der registrierten Nutzer aus. Nicht zuletzt durch solche Angebote erreicht der "Kicker" laut eigenen Angaben monatlich inzwischen rund 10 Millionen Menschen. Hinzu kommen Sonderhefte zum Saisonstart oder zur WM und EM.

Konkurrenz für den Kicker

Konkurrenzlos ist der "Kicker" indes nicht. Seit 1988 bringt der Springer-Verlag mittwochs die "Sportbild" heraus, die mit rund 250.000 Exemplaren sogar auflagenstärker als das Urgestein ist und neben dem Schwerpunkt Fußball auch anderem Sport mehr Platz bietet. "Bravo Sport" als Ableger des Jugendmagazins "Bravo" nimmt sich seit 1994 im wesentlich dem Fußball an, aber auch Trendsportarten. Seit 2019 erscheint das Magazin nur noch monatlich bei einer Auflage von etwa 51.000 Stück.

Abseits von Spielergebnissen haben sich die "11 Freunde" auf dem Sportpressemarkt etabliert. Das "Magazin für Fußballkultur" erzählt seit 2000 Geschichten über Spieler, Fans und Vereine. Monatlich werden über 60.000 Exemplare mit einer Schippe Humor und anspruchsvoller, literarischer Berichterstattung an Ballliebhaber gebracht. Ähnlich wie "Kicker"-Gründer Bensemann vor 100 Jahren haben die "11 Freunde"-Macher eine Mission: Sie wollen die "Fußlümmelei" für ein intellektuelles Publikum öffnen.


Quelle:
KNA