Ennio Morricone ist tot

Musiker und Katholik

Ennio Morricone war der Meister der Filmmusik und hat als Komponist Kultstatus erlangt. Über 500 Mal schrieb er Musik für Film und Fernsehen. Nun ist er im Alter von 91 Jahren verstorben.

Ennio Morricone dirigiert / © Maciej Kulczynski (dpa)
Ennio Morricone dirigiert / © Maciej Kulczynski ( dpa )

Der päpstliche Kulturbeauftragte Kurienkardinal Gianfranco Ravasi hat sein Beileid zum Tod von Ennio Morricone bekundet. "Ich vertraue ihn Gott an, auf dass er ihn in die himmlische Harmonie aufnimmt", schrieb Ravasi am Montag auf Twitter. Vielleicht beauftrage Gott ihn "mit einer Partitur, auszuführen von den Engelchören", ergänzte der Präsident des Päpstlichen Rats für die Kultur und passionierte Sammler von Musikalien aller Gattungen.

Vatikan würdigt Morricone

Kardinal Ravasi bekundete der hinterblieben Ehefrau Maria und der Familie des Komponisten seine Anteilnahme. Weiter erinnerte er an ihre letzte Begegnung im April 2019; Ravasi zeichnete Morricone damals im Auftrag von Papst Franziskus mit der Goldenen Pontifikatsmedaille aus.

Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella würdigte Morricone als "herausragenden und genialen Künstler". Als Musikschaffender zugleich auf hohem Niveau und populär, habe Morricone die Musikgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts tief geprägt, schrieb Mattarella. Seine Filmmusiken hätten "das Ansehen Italiens in der Welt verbreitet und gefestigt", so das Staatsoberhaupt.

Komposition für Ertrunkene

Die private Seenotrettungsorganisation Mediterranea Saving Humans erinnerte an Morricones Komposition "La voce dei sommersi" ("Die Stimme der Ertrunkenen") zum Gedenken an das Schiffsunglück vom 3. Oktober 2013 vor Lampedusa. Beim Kentern eines Flüchtlingsschiffs vor der italienischen Insel kamen mindestens 366 Migranten ums Leben. "Adieu, Maestro, und danke für alles", twitterte die Organisation Mediterranea, die die "Mare Jonio" und "Alex" betreibt.

Soundtrack für Italowestern

Rauchende Pistolen und galoppierende Pferde - viele verbinden Ennio Morricone ausschließlich mit Musik für Westernfilme. Populär wurde der römische Komponist vor allem durch seine Musik für Italowestern, etwa "Für eine Handvoll Dollar" (1964) oder "Spiel mir das Lied vom Tod" (1968). Sein Repertoire geht jedoch weit darüber hinaus. Für Quentin Tarantinos Filme "Inglourious Basterds" oder "Kill Bill" kreierte er die Musik und komponierte ebenso klassische Stücke. Am Montag ist er mit 91 Jahren gestorben.

Morricone durchlief eine Ausbildung in klassischer Musik. Er erhielt 1946 sein Trompetendiplom, um anschließend Komposition am renommierten Conservatorio di Santa Cecilia in Rom zu studieren. Seine ersten Konzertstücke schrieb er Ende der 50er Jahre. Seine Karriere als Komponist für Filmmusik startete er 1961 mit dem Film "Il Federale".

Späte Ehrung

Erst 2016 - nach rund 60 Jahren erfolgreicher Arbeit als Film- und Fernsehmusikkomponist - erhielt Morricone für "The Hateful Eight" einen Oscar. Die Auszeichnung der Academy für sein Lebenswerk bekam er bereits 2007. Ein ungewöhnlicher Verlauf. An Trophäen mangelt es ihm trotz allem nicht: sechs BAFTAs, zehn David Di Donatellos, drei Golden Globes, einen Grammy Award und zwei Europäische Filmpreise erhielt der Italiener.

Im Filmbereich müsse die Musik nicht nur ihm, sondern auch dem Publikum gefallen, sagte er einmal. Zudem müsse er sich mit den Ideen der Regisseure messen. Das sei eine große Verantwortung, erklärte Morricone. Der gebürtige Römer schaffte es, Filmmusik von einer dienenden Begleitung der Bilder zu lösen und in den Vordergrund zu bringen. Seine Musik verschmilzt mit dem Schnitt. Das Tempo beider Elemente bestimmt die Geschwindigkeit des Films.

Ein Musiker der alten Schule

Der 91-Jährige legte bis zuletzt Wert auf klassische Techniken: Von Computern und digital inszenierter Musik hielt er nichts. Er arbeitete mit Stift, Papier und echten Instrumenten. Experimentierfreudiger war er bei der Musik selbst; allerdings fürchteten manche Filmemacher schlechte Auswirkungen auf die Verkaufszahlen.

In seinen Stücken kombinierte Morricone Klassik, Rock- und Popmusik mit Geräuschen wie Uhrenticken - und kreierte damit Ohrwürmer. Lieder wie "Gabriels Oboe" oder "Ecstasy of Gold" stehen für sich. Der Komponist machte sich und seine Musik legendär: Fast jeder kennt die Melodie der jaulenden Mundharmonika aus dem finalen Duell in "Spiel mir das Lied vom Tod". Fast schon fließbandartig produzierte Morricone seine Stücke - über 500 Filmmusiken sind es über die Jahre geworden.

Keine Kompromisse beim Komponieren

Morricone galt bei seiner Arbeit als kleinlich und kompromisslos: Gefiel einem Regisseur das Arrangement nicht, dann gab es keine Zusammenarbeit. "Wenn jemand nicht mag, was ich anzubieten habe, geht man besser getrennte Wege", sagte Morricone. Früher habe er Regisseuren vorab Auszüge der Musik gezeigt - mit negativen Folgen. Die anschließenden Diskussionen brachten ihn zum Verzweifeln. Als Folge davon durfte später nur noch Morricones Frau seine Stücke vorab hören.

Der Römer besaß aber auch eine weiche Seite. Zweimal in seinem Leben habe er weinen müssen, verriet der Komponist einmal: bei der Schlussszene seines Films "Mission" sowie bei einer Begegnung mit Papst Franziskus. Bei dem Treffen hätten sich beide unter anderem über "Mission" und eine Messe unterhalten, die er bereits zuvor Franziskus gewidmet hatte. Dass der Papst Musik nicht liebe, sei noch "ein Stachel" in seinem langen und erfüllten Leben.

Trotz allem Erfolg feierte Morricone im Juli 2018 seinen offiziellen Abschied. Er beendete damit kurz vor seinem 90. Geburtstag seine Karriere als Filmmusik-Komponist. Er werde jedoch weiterhin dirigieren. "Es belastet mich nicht, zwei Stunden lang am Pult zu stehen, doch ich habe beschlossen, mit Filmmusik aufzuhören, das ist zu anstrengend", sagte Morricone seinerzeit im Interview mit der Tageszeitung "Corriere della Sera".

Musik für Papst Franzisus

2015 dirigierte Morricone auch seine eigene "Messe für Papst Franziskus". Die Uraufführung fand in der römischen Kirche Il Gesu statt, der Hauptkirche des Jesuitenordens, dem auch Franziskus angehört. Der Orden hatte Morricone bereits 2012 um eine Messe zum Gedenken an die Wiederzulassung der Gesellschaft Jesu 1814 gebeten. Nach der Wahl von Franziskus im März 2013 nannte Morricone sein Werk "Missa Papae Francisci".

Erst 2019 wurde der italienische Komponist mit der Goldenen Pontifikatsmedaille von Papst Franziskus ausgezeichnet. Der Musiker wurde geehrt "für sein außerordentliches künstlerisches Wirken, das auch religiöse Aspekte hatte", zitierte der italienische Sender Rai aus der Begründung. Morricone erhielt die Medaille vergagnenes Jahr durch den Präsidenten des Päpstlichen Kulturrats, Kardinal Gianfranco Ravasi, im Rahmen eines Konzerts in der römischen Kirche Sant'Agnese in Agone.


Quelle:
KNA